anlässlich der ‚Würstelstand‘-Reflexionen von Helmut sind mir Erinnerunbsbilder in den Sinn gekommen, in denen gezapftes böhmisches Bier vorkommt, dessen Krone so stabil ist, dass sie z.B. das Gewicht eines Bierdeckels aushält, ohne nachzugeben. Die Stabilität der Krone gilt herich als Qualitätsmerkmal für das Bier und das Beisl, man sagte (als es die kleineren Münzen noch gab), eine Zehnhellermünze dürfte nicht einsinken, wenn das Bier was taugt.
Worauf beruht diese sehr stabile Krone? Gibt es im böhmischen Bier irgendwelches Protein, das im bayrischen nicht oder weniger vorkommt? Ist die Brautechnik irgendwie anders, und wenn ja, wie?
Die Dichte und die Langlebigkeit der Schaumkrone werden durch die Malzart und deren Fermentierung bestimmt. Die Schaumhaltbarkeit wird technologisch durch die unterschiedlichen Maischeverfahren und die Herkunft des Getreides beeinflusst. Generell produziert Weizenmalz eine feinere und länger anhaltende Schaumkrone als Bier aus Gerstenmalz…
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Der Fachmann kann aus der Konsistenz des Schaumes viele Details ablesen. Zum Beispiel, ob genügend und auch guter Hopfen verwendet wurde. Ob der Eiweißgehalt im Malz richtig war; zu wenig Eiweiß bringt keinen Schaum, zuviel wirkt ebenfalls störend. Ob das Maischverfahren gestimmt hat, ob beim Abläutern geschlampt wurde oder die Würze zu lange kochte. Alles wirkt sich auf den Schaum aus…
Nun ist es kein Problem, auch unter ungünstigsten Umständen einen hervorragenden Bierschaum zu fabrizieren. Man braucht nur künstliche Schaummittel zu nehmen. Da gibt es viele, von Metallsalzen, die man der Würze beimischt, bis zum Akazien-Gummi, den man direkt ans Malz gibt.
deinen Anmerkungen ist so gut wie nichts mehr hinzuzufügen - bis auf eines:
Jede Art von Fett - und zwar auch in allergeringsten Spuren - an Ausschankleitung, Flasche oder Trinkgefäß ist der natürliche Feind jeder stabilen Schaumkrone!!!
Trinkkundliche Bemerkung: Im 19. Jahrhundert pflegten Studenten ihre Krüge oben am Rand mit einer Speckschwarte auszuwischen, um den Wirten die eichgerechte Zumessung des Labetrankes „zu erleichtern“.
Wesentlich war in dem Kreise dann wohl die Stoffmenge, nicht die optisch ansprechende Schaumkrone…
Das mit dem Fett ist mir allerdings bekannt, wenn auch aus einem anderen Grund:
Als Frauenzimmer schleckt man kurz über den Rand (egal ob Bier- oder Weinglas, Kaffeehäferl,…), um keinen Lippenstiftspuren zu hinterlassen. Der Effekt ist ja gleich:-)
ein bisserl schwierig, weil ich bei all den Einflüssen und Kriterien, die da für eine stabile Krone genannt sind, auf Anhieb nichts finden kann, was in Böhmen beim Brauen anders wäre als in Bayern. Zwar ist der Saazer Hopfen weithin berühmt, aber auch die Holledau bringt sehr guten Hopfen hervor, und Braustätten wie Augustiner importieren heimlich den diesem deutlich überlegenen Tettnanger Siegelhopfen. An den Effekt zu proteinreicher (Winter-)Gerste erinnere ich mich noch aus früheren Zeiten, als unter dem Einfluss der Brüsseler Preisstützung alle Arten von Getreide richtig Geld kosteten. Da war aber Malz aus Wintergerste den nicht ganz so teuren Bieren vorbehalten - in Jahren mit knapper Braugerste gab es u.a. bei Rapp ab und zu eine Flasche, die sich direkt vom Aufmachen weg im Stehen als große Schaumlache auf den Tisch ergoss - das war der typische Wintergerstenschaum, der zu einem billigen, eher faden Bier gehörte, also eher nicht bei einem Březňák auftritt.
Es bliebe, dass in der Tschechei Zutaten erlaubt sind, die in D nicht verwendet werden dürfen. Sollte das die Quintessenz hinsichtlich der Überlegenheit der böhmischen Krone sein? Und wie weit reichte das dann zurück? Bis Schwejk oder noch deutlich früher?
ich persönlich vermute - ohne es verifizieren zu können -, dass es doch auf die Hopfensorte (und da wieder auf das Anbaugebiet und den Boden) und Malz ankommt und - nicht zu vergessen, auf das entsprechende Wasser (zumindest was den Geschmack betrifft).
Zusatzstoffe als Stabilisatoren würde ich weniger vermuten, denn böhmische /tschechische Biere gibt es ja auch in D, Ö,… und da ist man ja bei Zusatzstoffen doch nicht unkritisch.
Der folgende Link trägt vermutlich auch nicht zur Bierkronenfestigkeitsfindung bei, bietet dafür netten informativen bierigen Lesestoff: http://www.biersekte.de/texte/27_fakten.pdf
die Festigkeit der „böhmischen Krone“ (vergleichbar der dem Dortmunder zugehörigen „Hauerkappe“) entsteht aus den erlaubten Ingredienzien des Stoffes unter sorgsamer Pflege und Zapfung eines erfahrenen Stammwirtes.
Ich könnte mir allerdings vorstellen, daß der (geistige) Vater des Schwejk diesen dahingehend ausgestattet hat, die unübertreffliche Qualität des böhmischen Gerstensaftes und insbesondere die Festigkeit seiner (nano)feinperligsten Schaumkrone ohne irgendeinen Widerspruch in die Welt zu tragen…
Champagnerzischende (zuwegen der Feinperligkeit) Grüße
das ist sicher wahr, und es gibt eine Menge heimischer Produkte, die neben einem Březňák, einem Budwar oder einem Pilsner Urquell einen ganz stillen, unauffälligen Rückzug antreten müssen. Aber da ist dann halt einmal der ‚Flaschen-Effekt‘ - eingeschenkt ist immer anders als gezapft -, und ich glaube, dass hier für den Export auch aufs Fass andere Abfüllungen gezogen werden: Bei mir im Grätzl ist ein Thai, bei dem es außer richtig guter (authentischer) Thai-Küche auch Pilsner Urquell vom Fass gibt - das hat zwar sonst alles, was ein P.U. braucht, aber diese massive Krone hat es nicht. Kann freilich auch am Spülmittel oder an der Zapftechnik liegen.
Das Wasser hat einen enormen Einfluss, und kurioserweise ist beim Bier enthärtetes Wasser und ab Brunnen extrem weiches Wasser nicht das gleiche. Es gibt hier herum eine Brauerei, die von ihrer Größe her eigentlich keine Existenzberechtigung mehr hat, aber sich dennoch wacker weiter hält. Das richtig gute Bier wird mit Wasser aus dem Vulkanstumpf Donnersberg mit Null Grad deutscher Härte gemacht. Einen ähnlichen Effekt gibt es auch beim Eibauer Schwarzbier - Schwarzbier schmeckt meistens gleichzeitig fad und irgendwie ruppig, aber das Eibauer nicht: Nase - Körper - Abgang, alles dabei. Es kommt von da, wo früher die ‚Textilindustrie im Weltmaßstab‘ der DDR daheim war, und es hat die gleiche Basis wie seinerzeit die Kottmarbleiche: Wasser mit Null Grad deutscher Härte.
Und nach diesem großen Kreis im Ringel rum zurück: Von Eibau sind es gut fünfzehn Kilometer nach Krásná Lípa, und die Geologie ist die gleiche: Die Gebirge, die Böhmen umringen, bringen alle auch dieses Wasser.
Wie auch immer: Mir kommt es nicht abwegig vor, dass die Böhmen dem Schaum ein bisserl aufhelfen. Was ja an sich nichts Verkehrtes ist - wie schöne Gebäcke verdanken ihre Konsistenz der Verwendung von Kaliumhydrogencarbonat und Dinatriumdihydrogendiphosphat…
wenn ich nicht schon seit vielen Jahren kein Bier (und da war es ein Naturtrübes aus einer kleinen Privatbrauerei mit einer direkten Standleitung in den Braugasthof mehr trinken würde, könnte ich fast Gusto bekommen!
Manche Fragen sind einfach spannend und man lernt nie aus!
Danke für die Fragestellung und den sich daraus entwickelten Wissensaustausch!
Prost!