Die bösen Ungarn

…oder: Was deutsche Medien nicht berichten

Hintergrund ist die von der EU-Kommission beschlossene Kennzeichnungspflicht für Produkte aus israelischen Siedlungen. Offenbar ist Ungarn das einzige Land, das sich dieser Kennzeichnungspflicht widersetzt (JPost).

Interessant, da stellen sich die Deutschen moralisch so sehr über die Ungarn, weil jene nicht bereit sind, den unkontrollierten Flüchtlingszustrom hinzunehmen. Und in der sensiblen Frage der Kennzeichnung israelischer Produkte sind es eben diese Ungarn – und nicht die Deutschen – die sich querstellen.

Was wird die EU jetzt machen? Eines ihrer berüchtigten Vertragsverletzungsverfahren eröffnen? Und wieso schenken die deutschen Medien dieser Meldung keine Beachtung? Soll das Feindbild Ungarn aufrechterhalten werden oder will man kritische Nachfragen verhindern, wieso die deutsche Regierung die Maßnahme der EU-Kommission hinnimmt?

Hallo,

und wenn Du tausendmal darauf rumreitest. Die israelische Regierung hat ein Handelsabkommen, dass sich auf das israelische Staatsgebiet bezieht. Schon von Beginn an musste die Herkunft bei Einfuhr über ein Postleitzahlensystem geprüft werden, so dass Produkte aus den besetzen oder gar annektierten Gebieten nicht unter die Erleichterungen aus dem Abkommen fielen. Es ist nur fair, wenn dies auch auf das Werbelabel „Made in Israel“ ausgedehnt wird. Hier wird lediglich umgesetzt, was eine rechtliche Basis aus den abgeschlossenen Verträgen hat.

Was die Ungarn in diesem Punkt machen (der nur 1% der entsprechenden Warengruppen betrifft), ist deren Sache und wird auch von der EU-Kommission bewertet werden.

Die deutschen Medien haben dieser Meldung (bislang) keine Aufmerksamkeit geschenkt, weil sie irrelevant war und es wirklich wichtigere Sachen zu berichten gab. Hättest Du Dich informiert, dann wäre Dir klar, dass die EU-Kommission hier einen Beschluss der EU-Außenministerkonferenz aus 2012 umgesetzt hat (falls die FAZ nicht irrt). Insoweit hat sie D nichts verordnet, was D nicht schon längst wüsste.

vdmaster

Hi,

du ziehst dich sehr stark auf formale Aspekte (Handelsabkommen) zurück und rückst damit die politische Dimension in den Hintergrund. Mit dem Handel zwischen den Regionen sollen nicht unmittelbar politische Werteentscheidungen verbunden sein, sondern es soll einfach freier Warenverkehr ermöglicht werden.

Dementsprechend wäre es ein Leichtes gewesen, die Produkte aus den Siedlungen als israelische Produkte zu deklarieren, bis die Frage der Gebietszugehörigkeit endgültig geklärt ist. Schließlich stehen die Gebiete unter israelischer Verwaltung.

Dass die EU sich anders entschieden hat, während sie gleichzeitig einige palästinensische Institutionen finanziell unterstützt und die Gelder oftmals in dunkle Kanäle fließen, zeugt von einer einseitigen Tendenz. Der demokratische und technologisch fortgeschrittene Staat im Nahen Osten heißt Israel. Und dass dies offenbar eher von Ungarn als von Deutschland erkannt wird, halte ich für erschreckend.

Gruß
Ultra

Und Du zäumst das Pferd vom falschen Ende auf. Die Handelsabkommen waren zuerst da und dort ist die Frage der Extraterritorialiät bereits geklärt. Ebenso in zahllosen Statements zur israelischen Siedlungspolitik. Die EU macht keinerlei Hehl daraus, dass sie die Annektionen und die Siedlungen für völlig illegal hält.

Gruß
vdmaster

1 Like

Tja, und da kommen wir zum Punkt. Denn, wer ist denn die EU? Sind ihre Vertreter frei gewählt? Hat die EU nicht größere Probleme, als sich in den Nahost-Konflikt einzumischen und sich indirekt gegen die einzige Demokratie dort zu stellen?

Die EU schafft sich ab.

Hallo,

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat am 25. Februar 2010 entschieden, dass Erzeugnisse aus Siedlungen nicht wie israelische zollbegünstigt zu behandeln sind: „Erzeugnisse mit Ursprung im Westjordanland fallen nicht unter die Zollpräferenzregelung des Abkommens EG-Israel. Die Unionszollbehörden sind an die Bestätigung der israelischen Behörden, dass die in den besetzten Gebieten erzeugten Waren unter die Präferenzbehandlung fallen, die israelischen Waren gewährt wird, nicht gebunden.

Ja, die EU ist absolut berechtigt, die besetzen oder annektierten Gebiete nicht anzuerkennen und damit die Siedlungen als völkerrechtswidrige Besetzungsakte anzusehen. Sie macht es ja auch bei der Krim. Sie könnte natürlich einfach die Begünstigungsverträge gegenüber Israel kündigen. Da wär das Nazikeulengeschrei noch riesiger.

Aus dem gleichen Wiki-Artikel:

Die israelische Position wird von den meisten anderen Staaten nicht geteilt. Der Internationale Gerichtshof vertrat in einem Gutachten an die UNO-Vollversammlung die Anwendbarkeit der vierten Genfer Konvention auf die palästinensischen Gebiete. Das Gericht argumentierte, dass nach Artikel 2 der Genfer Konvention die Konvention in allen Fällen gilt, in denen es einen bewaffneten Konflikt zwischen zwei vertragsschließenden Parteien gibt, unabhängig von dem Status der Territorien im internationalen Recht vor einem Angriff. Es wird auch argumentiert, dass nach dem Völkergewohnheitsrecht keine territoriale Erwerbung als gesetzlich anerkannt werden soll, die durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt erreicht wurde (“no territorial acquisition resulting from the threat or use of force shall be recognized as legal” [Declaration on Principles of International Law concerning Friendly Relations and Co-operation among States in accordance with the Charter of the United Nations (Resolution der Vollversammlung 2625)])

Es wäre mir unbekannt, dass das EU-Parlament nicht frei gewählt worden wäre. Vielleicht sollten die Israelis einfach mal hinnehmen, dass sie sich nicht immer viktimisieren können während sie zeitgleich eine räuberische Landnahmepolitik betreiben.

vdmaster

1 Like

Dem kann ich nicht folgen. Die Israelis brauchen Platz für ihre Bevölkerung. Schließlich müssen einige Juden schon wieder aus Europa (Frankreich, Belgien, Schweden) fliehen. Die Palästinenser dagegen scheinen jeden Friedenswillen verloren zu haben. Sie bedrohen Israel erneut in ihrem Existenzrecht, feuern Raketen, verüben Messerattacken usw. In weltpolitischer Hinsicht sehe ich da wenig Anlass, ihnen bestimmte Gebiete zu überlassen. Deine „räuberische Landnahme“ ist daher etwas daneben.

Glückwunsch, mit einem simplen Argument hast Du soeben das Völkerrecht außer Kraft gesetzt. Nun können alle übervölkerten Staaten einfach fremde Gebiete okkupieren und besiedeln. Mit Verlaub, es ist völlig egal, ob die Israelis „Platz brauchen“ oder nicht.

Der Friedenswille „der“ Israelis führt nicht zu friedensgewillten parlamentarischen Mehrheiten in der Knesset, sondern zu Mehrheiten für die keineswegs friedensgewillten Falken, die seit vielen Jahren jede ernsthafte Verhandlung torpedieren, um ihre völkerrechtswidrige Außenpolitik fortzusetzen. In diesem Punkt hat sich Israel seit dem Tode Rabins international deutlich isoliert.

Habe fertig und Thema damit erledigt.
vdmaster

1 Like

Ist schon gut, vdmaster. Nur eines bitte ich dich zu beachten: Die Aussage „fremde Gebiete okkupieren“ kann man so einfach nicht treffen. Es ist ja kein ausländisches Staatsgebiet, oder ist Palästina ein Staat?

Dem wirst du auch wieder etwas entgegnen. Doch, selbst wenn du Recht damit hättest, musst du folgendes bedenken: Man braucht für Friedensverhandlungen Verhandlungsmasse. Die Palästinenser müssten der fortwährenden Gewalt abschwören. Da gibt es ja genug zu tun. Aber Israel? Ohne, dass Israel später auf einen Teil der Siedlungen verzichtet, hat man kaum etwas anzubieten. Dass Israel einen Teil der Siedlungen abgeben würde, zeigt sich daran, dass einzelne Siedlungen trotz Protesten tatsächlich schon geräumt wurden.

Aber Jordanien, Syrien und Ägypten sind es und um deren Territorien handelt es sich zumindest bis 1967 bei den besetzten Gebieten. Die Staaten haben ihre Ansprüche dann später an einen souveränen Palästinenserstaat abgegeben, den es natürlich derzeit noch nicht gibt (was nicht zuletzt daran liegt, daß ein Großteil des Gebietes eines solchen Staates von Israel besetzt wird (also ein Zirkelschluß). Damit die Verhältnisse auch dem letzten klar wurden, stehen die fraglichen Gebiete aber mit dem Oslo-Abkommen palästinensischer Selbstverwaltung unterstellt.

Man braucht also gar nicht mit irgendwelchen Spitzfindigkeiten der von Dir genannten Art zu kommen: die Antwort auf die Frage, ob es sich um besetzte Gebiete handelt, kann ganz eindeutig und seit 1967 durchgängig mit „ja“ beantwortet werden.

Erstens: die hatte man seit 1967 bis zum Oslo-Abkommen, im Rahmen dessen Israel selber die Zuständigkeit über die besetzten Gebiete an die Palästinensische Selbstverwaltung abgegeben hat.

Zweitens: die Erlangung von Verhandlungsmasse für spätere Verhandlungen kann ja wohl kein Argument und keine Rechtfertigung dafür sein, fremdes Hoheitsgebiet zu besetzen.

Ansonsten könnte man sich den ganzen Quatsch mit den Vereinten Nationen usw. gleich sparen.

Also in Bezug auf den israelischen Siedlungsbau anno dunnemal anzufangen, ist ja schön und gut. Nichtsdestotrotz ist der Siedlungsbau ein Element der Gegenwartspolitik bzw. der jüngeren Vergangenheit, jedenfalls dann, wenn man den post-Oslo-Prozess betrachtet.

Und in diesem Sinne muss der Siedlungsbau wohl als Reaktion auf den klar erkennbaren Friedensunwillen der Palästinenser betrachtet werden. Und ganz ehrlich: Wenn zum Beispiel aus Luxemburg immer wieder Terrorattacken kämen und die Politiker dort das Existenzrecht Deutschlands offen ablehnen und gefährden würden, dann wäre mir eine deutsche Siedlung in Wasserbillig relativ Banane. Dann könnte man über eine Re-Luxemburgisierung dieser Siedlung gerne reden, wenn die Luxemburger wieder zur Vernunft gekommen sind.

Nein, muß er nicht. Der Siedlungsbau wurde in fast jeder Phase des Friedensprozesses vorangetrieben und mir fällt es schwer, bei den einzelnen Projekten zwischen gezielter Provokation, Demoralisierung und Gedankenlosigkeit zu unterscheiden.