Hallo, Eckard (und Anja)!
Allerdings sollte nicht vergessen werden, dass die
Pubertät und auch die Zeit danach eine der Belastendsten des
ganzen Lebens sein kann.
Du formulierst vorsichtig, ich will dir auch nicht um des Widersprechens widersprechen - aber ich glaube das solange nicht, bis hier jemand Zahlen präsentiert, die das belegen.
Ich bezweifele nicht die mit der Pubertät verbundenen Stimmungsschwankungen, die selbstverständlich auch zu Depressionen führen können. Mir will nur nicht einleuchten, weshalb der prozentuale Anteil depressiver Jugendlicher in deren Altersklasse deutlich höher sein sollte als entsprechende Vergleichsgruppen in älteren Jahrgängen. - Vielleicht hat sich das ja in den letzten Jahrzehnten geändert, ich lasse mich gerne belehren. Wie gesagt, ein paar Zahlen wären hilfreich, keine persönlichen Eindrücke, Erfahrungen, Behauptungen (so wie meine jetzt).
Hier kommt zum ersten Mal die
Sinnfrage und oft wird die eigene Zukunft in eher düsteren
Farben gesehen. Hier findet dann auch oft die Hinwendung zu
irgendeiner Heilslehre statt, die Hilfe bei der Bewältigung
dieser inneren Zerrissenheit verspricht.
Über Gründe und mögliche Auswirkungen einer Depression im jugendlichen Alter gibt es nichts zu streiten. Ein Jugendlicher, der sich neben seinen alterstypischen Problemen heutzutage nach Kräften, aber vergeblich um Ausbildungs- oder Arbeitsplatz bemüht, mag wohl früher trübsinnig werden als jemand aus meiner Generation. Ich gehöre zwar einem der geburtenstarken Jahrgänge an - ernsthafte Sorgen, keinen Ausbildungs-/Arbeitsplatz zu finden, hatte ich hingegen nie. Dies hat sich glücklicherweise dann auch so gefügt, und so gab es in dieser Hinsicht - Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit, Zukunftsängste - nichts zu grübeln und zu verzweifeln.
Übrigens kommt auch im späteren Leben noch einmal eine, wenn
auch nicht so ausgeprägte Krise: Wenn man plötzlich merkt,
dass man älter wird, dass die Chancen zur Veränderung seltener
werden, wenn man sich überlegt, ob man denn für sein Leben die
Weichen richtig gestellt hat.
Meist findet das (beim Mann) nach Überschreiten des vierten
Jahrzehntes statt - Midlife-Krisis.
Für meinen Teil bin ich damit (noch) verschont. Vielleicht liegt es daran, dass sich bestimmte Lebensziele erst relativ spät verwirklichen ließen, und ich deshalb in der derzeitigen Situation das Gefühl habe, die richtige Entscheidungen zur richtigen Zeit getroffen zu haben. Auf jeden Fall liegt es auch daran, dass ich (wir) bisher von schweren Schicksalsschlägen verschont geblieben sind - das trägt ungemein zur inneren Stabilität bei! Ich weiß diese Dinge mittlerweile als Glück zu würdigen, bin aber trotzdem unbescheiden genug, mir zu wünschen, dass sich dies noch lange fortsetzt.
Das war jetzt recht persönlich. Um nochmals den Kurve zu Davids unausgesprochener Vermutung zu bekommen, Jugendliche seien besonders depressiv: Die von mir angedachten Schicksalsschläge - Tod, Krankheit, Familienprobleme, Einsamkeit, Arbeitslosigkeit, [bitte ergänzen] - orientieren sich nicht eindeutig am Alter. Sicher, die spezifischen Probleme der Pubertät entfallen, der erste Liebeskummer ist einmalig - aber macht das den späteren zweiten (dritten, vierten, …) wirklich weniger dramatisch?
Bis zum Beweis des Gegenteils erinnere ich mich einer zu Tode betrübten, aber auch himmelhoch jauchzenden Jugendzeit. Suizidgedanken gingen damals genauso schnell, wie sie kamen. Nicht nur bei mir, auch bei meinen Freunden.
Zu Anjas Posting möchte ich noch bemerken, dass wir das „Werther-Syndrom“ am nächsten Mittwoch in der Teeküche besprechen sollten. Dann werde ich dir auch erklären, was ich als Alltagspsychologe so furchtbar an den zitierten Fachwörterbuchdefinitionen finde
Grüße an alle,
Andreas