Einige Basics über Zarathustrismus
Hallo,
eins muß man dir lassen: Du verstehst es immer wieder, dich so zu formulieren, daß man den Eindruck gewinnen könnte, du hättest Sachkenntnis.
Aufzuzeigen, daß deine im „so ist es“-Stil abgefaßten Abhandlungen im Einzelnen unzählige tendenziöse Falschinformationen oder besser: Falschinformiertheiten enthalten, überanstrengt, wie ich schon öfter anmerkte, jedes verantwortbare Maß an Zeitaufwand, zumal du es ja trotzdem jeweils besser weißt. Daher, mal wieder, hier nur einige Punkte herausgegriffen.
Dass Judentum und Christentum in einem hohen Maße aus transformatischen Prozessen hervorgegangen sind, die ihre Quelle vor allem im Zoroastrismus (= Mazdaismus) haben, das lässt sich ganz gut belegen.
Abgesehen von dem absurden(sic!) Ausdruck „hervorgegangen“, der dem der „Weiterentwicklung“ in nichts nachsteht, was Unkenntnis nachweisbarer und nicht-nachweisbarer religionshistorischer Entwicklungen und synkretistischer Prozesse betrifft: Ein einziges „läßt sich ganz gut belegen“ möcht ich in Bezug auf deine hiesigen Improvisationen mal sehen
Als der Perserkönig Kyros II. 539 Babylon besiegt und besetzt, fasst auch die Religion seines Reiches, also der Zoroastrismus, in Babylon Fuß.
Eine der vielen Urban Legends, die sich wie die Karnickel im Internet verbreiten, meist sogar als wortwörtliches Copypaste.
Es fehlt jeglicher Anlaß zu der Vermutung, daß mit Kyros II. Zarathustrismus nach Babylon transportiert wurde. Allein schon deshalb, weil Zarathustrismus zu dieser Zeit überhaupt gar keine persische Religion war, sondern eine parthische. Auch für eine Ausbreitung awestischen Gedankenguts in den jüdischen Provinzen unmittelbar nach dem Exil fehlt jeder Hinweis. Auch eine aramäische Übersetzung des Awesta gab es nicht.
Zahlreiche Magier, d.h. mazdaistische Priester, lassen sich hier nieder und bilden den größten Teil des königlichen Verwaltungsstabes.
Zarathustrische Priester, die übrigens nicht „mughi“ hießen, sondern „airyaman“, hatten nie Verwaltungsaufgaben, sondern die Angehörigen der (zweiten) Kaste der Krieger.
Die „Elamiter“, die um 500 Jerusalem regierten, waren höchstwahrscheinlich Magier vom persischen Hof.
Die Elamiter waren Verbündete der Perser erst unter Darius I, wie wir aus der trilinguischen Behistun-Inschrift wissen. Sie hatten im Übrigen eine ganz eigene Religion, die, wie alle Religionen, bei den Achämeniden respektiert wurde.
Soviel zu deiner Aussage:
Es ist sehr wahrscheinlich, dass Nehemia ein ausgebildeter Magier, also mazdaistischer Priester
Das von ihm in Neh 8 verkündete Mischehenverbot und die Reinheitsgesetze gehen auf die mazdaistischen Texte „Denkard“ und „Vendidad“ zurück und wurden israelischen Verhältnissen angepasst.
Das Denkart („den_krt“) wurde 900-1100 n.Chr. (sic!) verfaßt.
Das Videvdat, alias Vendidad, ist, wie man am Text leicht erkennen kann, nicht awestisch, sondern mittelpersich verfaßt. Entstehungszeit nicht vor dem 4. Jhdt. v.Chr. (sic!). Soviel zu deiner folgenden These:
Viele Reinheitsgesetze in Lev, Num und Dtn dürften auf ihre Entsprechung im mazdaistischen „Vendidad“ zurückgehen,
Die Figur des endzeitlichen Erlösers „Saosyant“ spiegelt sich in der jüdischen Messias-Figur und in der Christusfigur unverkennbar wider.
Keine der sehr unterschiedlichen frühjüdischen Messias-Konzeptionen hat auch nur entfernte Ähnlichkeit mit dem awestischen saoshyant. Gathisch und auch frühawestisch, sofern dort mit saoshyant überhaupt schon eine endzeitliche Retterrolle verbunden ist, handelt es sich um eine Vielzahl von „airyaman“ (Priester aus der Anhängerschaft des Zarathushtra), wie zum Beispiel in
„nish_nashama saoshyanto drujem“
eindeutig nachlesebar. Auch schreibt sich Zarathushtra gathisch selbst die saoshyant-Rolle zu, aber dabei geht es um eine ganz andere Auseinandersetzung als eine Endzeitliche, wie du wohl wissen wirst.
Im Mazdaismus geht man davon aus, dass Ahura Mazda am Ende der Zeiten Vergeltung an allen Sündern nimmt, und zwar in Form einer Entscheidungsschlacht zwischen himmlischen und höllischen Heeren
Die „Entscheidungsschlacht“ ist weder gathisch, noch frühawestisch, sondern jungawestisch, wie sich an den Texten allein schon sprachlich (andere Formenlehre, andere Syntaxt, anderes Vokabular) erkennen läßt, also nach dem 4. Jhdt v.Chr. Ansonsten ist es ein zentrales Thema in „Bundahishn“, wo neben dem Schöpfungsmythos der Mythos der 4 mal 3000 Jahre der Auseinandersetzung von Mazda Ahura mit Angra Mainyush berichtet wird.
Das Bundahishn aber wurde im 8. und 9. Jhdt n.Chr. (sic!) verfaßt.
Über die tatsächlich am Text eindeutig nachweisbaren Parallelen zwischen Henoch äth. und jungawestischem Gedankengut habe ich hier schion ausführlich berichtet. Dort wird für awestische Konzeptionen des Angra Mainush tatsächlich der hebräische Name „Satan“ verwendet, im Singular und im Plural. Und diese Konzeptionen finden sich ebenso tatsächlich in späterer christlicher Apokalyptik wieder. Wer die Verfasser des äth. Henoch aber waren, und von wem er ursprünglich gelesen wurde, darüber gibt es nicht die geringsten Anhaltspunkte.
Die Christus-Konzeptionen im NT sind in den theologiegeschichtlich zu unterscheidenden Texten der Synoptiker, der paulinischen Literatur und der johanneischen Literatur unterschiedlich. In einigen einzelnen charakteristischen johanneischen Formulierungen und in einigen, allerdings fundalmentalen Termini der Evangelien (und NUR dort) sind eindeutig gathische, frühawestische und jungawestische Spuren zu finden. Sogar eindeutige Zitate, wie ich als in der diesbezüglichen aktuellen Forschung Beteiligter zeigen konnte. Das sind solche, die sich auch nicht in der üblichen christlichen Rückwärtsinterpretation altestamentlicher Aussagen repoduzieren lassen. Aber diese Formulierungen und Termini sind hier in diesem Brett noch nie zur Sprache gekommen, auch von dir nicht.
Anderes ist darüberhinaus in der Religionswissenschaft, in der Alt-Iranistik und auch in der christl. Theologie seit über 120 Jahren längst bekannt und eifrig diskutiert. (Daß das Thema jedoch in der Theologie nicht an der Tagesordnung ist, sondern nur von wenigen Spezialisten bearbeitet wird, hat schlicht den Grund, daß zwar Hebräisch und Griechisch zum Ausbildungsrepertoir gehört, Awestisch und überhaupt Altiranisch jedoch nicht.)
Zu den immer wieder kopierten Legenden gehört auch die Behauptung, es gebe im Avesta eine „Hölle“ und ferner Mazda Ahura und Angra Mainyush seien gleichmächtige Gestalten. Zu Ersteren: Es ist vielmehr die Rede von „drujo demana“, Haus der Lüge, im Kontrast zu „garo demana“, dem Haus der Gesänge, das später im Konzept des christl. „Himmels“ Einzug hielt. Der griech. paradeisos und der hebr. pardesch sind wirklich altpersische Lehnwörter: pairi daeza =ummauerter Garten), der allerdings keinerlei religionssprachliche Valenz hatte: Er war eine kunstvolle Tradition der persichen Herrschaftsschichten. Und dieser Ausdruck kam allerdings mit Sicherheit über die Perser nach Babylon.
Das Haus der Lüge, bzw. Haus des Trugs wird gathisch (also Zarathushtra im O-Ton) auch als „Ort der Verwesung“ bezeichnet. Das hat mit christlichen Hölle-Konzeptionen nicht die Spur zu tun - diese hat vielmehr andere textliche Vorbilder, auf die ich auch schon oft verwies. Siehe FAQ:1527
Die Rede vom avestischen Ursprung der Gut-Böse-Dichotomie bzw. des Ahriman als „Gegenspieler“ des Mazda ist ebenfalls legendenbehaftet. Dabei wird nicht berücksichtigt, wann entsprechende Texte verfaßt wurden. Bundahishn, Den-Kart und ebenso das Schahname des Firdausi sind allemal erst in späten Jahrhunderten verfaßt worden, nicht ohne umgekehrt christlichen als auch insbesondere islamischen Einfluß. In mittelpersischen Pahlawi, als awestischsche Sprachkenntnisse bereits ausgestorben waren.
Die Quelle dieses Ideen-Paketes ist tatsächlich im Ahunavaiti Gatha zu finden. Hier geht es um den Begriff „mainyu(sh)“, der ein zum griechischen „pneuma“ ganz analoges Konnotationsspektrum hat: Geist, Geisteshaltung, Denkungsart. Und der, ebenso wie pneuma in der Stoa und einigen Mysterienkulten, oft allegorisch einem nichtsinnlichen individuellen Wesen zugeschrieben wird.
Wie in dem für den ganzen späteren Zarathustrismus zentralen Vers zu erkennen:
„at_ta mainyu paouruye […] manahi_ca vacahi_ca syaoθanoi hi vahyo akem_ca as_ca hudangho eresh vishyata noituzhdangho.“
geht es also um die „Unterscheidung der Geister“: „die zwei uranfänglichen Geister in Gedanken, Worten und Taten“, zwischen denen sich der Mensch (= die Zarathushtra-Anhänger) entscheiden sollen. „Die Verständigen trafen die rechte Wahl, die Unverständigen nicht“. Beide Wähler werden „zu Ende der Welt“ auch unterschiedliches Befinden haben, wie der folgende Vers besagt.
Der eine Geist wird als „vohu manah“, gutes Denken, oder „vaihista manah“, bestes Denken, bezeichnet, oder - und das ist bemerkenswert - als „spnta mainyu“: „Heiliger Geist“ und „mainyu ashahya“, Geist der Wahrheit (asha=Wahrheit). Derselbe ist im Übrigen derjenige, „durch den“(!) Ahura Mazda die in der Welt befindlichen Dinge erschaffen hat. Der andere heißt gathisch „aka manah“ (böses Denken) oder „drujo manah“ (trügerisches Denken) oder eben aka mainyu" (böser Geist. „angra mainyu“ gibt es bei Zarathrustra noch nicht! Das ist spätawestisch).
Es handelt sich also um Abstrakta. Die Eigenart des Avestischen, Abstrakta zugleich auch allegorieartig wie agierende bzw. denkende Individuen zu beschreiben, macht das Lesen manchmal schwierig und ist oft nicht unterscheidbar. Aber das ist hier und da beim neutestamentlichen „pneuma“ nicht anders.
Der „spnta mainyush“ wurde dann in der nach-gathischen, jungavestischen Literatur (z.B. Yasht, Videvdat usw.) mit Mazda Ahura direkt assoziiert. Und DAS ist der Ursprung des späteren Mythems der Gegnerschaft zwischen ihm und Ahriman. Das geht nicht auf Zarathushtra zurück. Es entstand etwa in der Zeit, als auch Henoch äth., und später noch, als Daniel verfaßt wurde. Wer wen „inspiriert“ hat, das wissen die Götter …
Auch Totenerweckung und Ewiges Leben sind mazdaistische Motive, und zwar aus dem Text „Bundahishn“.
Siehe oben. Bundahishn kommt erst 800 Jahre später. Jedoch das „nicht endende Leben“ im „Haus der Gesänge“, bzw im „Reich des Mazda“ kannst du mindestens 1800 Jahre früher ansetzen. Es ist O-Ton Zarathushtra. Aber WAS das ist, das da endlos lebt, hängt allerdings dann auf recht schwierig zu durchschauende Weise mit den drei unterschiedlichen Seelenbegriffen zusammen, von denen keiner identisch ist mit den späteren christlichen Seelebegriffen.
Du hast die gathischen und die übrigen awestischen Texte gar nicht im Detail gelesen. Aus Sekundär- oder wahrscheinlich eher Tertiärliteratur im copypast allein sollte man nicht mit so bombastischen Thesen hausieren gehen.
… bedenkt man die oben angedeuteten mazdaistischen Einflüsse auf die jüdische Kultur seit der Exilszeit.
Daß das pure abgekupferte (um mal einen deiner Lieblingsausdrücke zu wählen) Phantasie ist, habe ich oben erläutert. Daß sich aber im Gegenteil Passagen finden lassen, sogar wörtliche Zitate, die im frühen Avesta einerseits und in Psalmen, und sogar in einigen Hiob-Hymnen andererseits (also in eindeutig vor -exilischen Schriften) gleichlauten: DA fängt es an, interessant zu werden. Aber sowas findet sich natürlich nicht in Literaturen, die immer die gleichen Legenden wechselseitig abschreiben und verbreiten.
Gruß
Metapher