Die gegenwaertige "Moderne"

„Entfesselter Kapitalismus und Globalisierung sind für Literat Muschg die Erzübel unserer Zeit, die alles durchdringen, entwerten und zerstören, was ihm lieb und teuer ist, von der Bildung bis hin zur Kultur, wo der Markt auch den Geist zur Ware gemacht hat und statt kreativer Teilhabe nur noch hyperaktive Langeweile produziert.“ (so kam es im Radio / Deutschlandfunk)

Kann ich so nicht nachvollziehen!
Mir scheint eher das Gegentwil der Fall zu sein.

Wuerdet Ihr euch Muschg anschliessen?

Mike

Servus Mike

Mir scheint eher das Gegentwil der Fall zu sein.

Wuerdet Ihr euch Muschg anschliessen?

Beide Auffassungen, die von Muschg und deine, sind mir viel zu pauschal.
Ich würde weder die Gegenwart verteufeln noch idealisieren. Die Vor- und Nachteile der Moderne kann man höchstens einzeln untersuchen.
Muschg ist halt kein Philosoph, sondern ein Schriftsteller, wenn ich mich recht erinnere. Und die Schriftsteller neigen eher zu subjektiven Übertreibungen als die meisten Philosophen.
Gruß,
Branden

Christentum + Streitlust = Muschg
Hi.

Ach, das sind nur die Worte eines Mannes, dem der Zug der Zeit davongefahren ist. Am liebsten wäre ihm ein Internet randvoll mit Bach, Chopin und Wagner und geistreichen Ergüssen über Platon, den Westöstlichen Divan und den Zauberberg. Alles unterhalb dieses Levels fällt in die Rubrik ´Igittigitt´. Auf kulturellen Pluralismus, dessen Komplexität ihn an die Walpurgisnacht erinnert (siehe unten), gibt er nichts. Heute zählen, so klagt er, nur noch die Gesetze des „Marktes“, d.h. es regiert das Quantitätskriterium statt des Qualitätskriteriums. Vorläufer solchen Kulturpessimismus waren Nietzsche und Adorno. Nun, dass Nietzsche ein christentumgeschädigter Fanatiker war, ist bekannt, und dass Adorno unter dem Eindruck des Holocaust und der zweifellos problematischen 50er Jahre seinen Pessimismus entwickelte, auch. Was Muschg betrifft, so ist er bekennender Christ (siehe ganz unten verlinktes Interview), was seinen Kulturpessimismus schon mal zu 70 Prozent erklärt. Die restlichen 30 Prozent gehen auf das Konto seiner grundpolemischen Mentalität, also seiner Lust am Polemisieren um des Polemisierens willen.

Aus Muschg spricht also ein engstirniger Kulturfanatismus, für den ich null Verständnis habe.

Muschg war übrigens derjenige, der den Rektor der von pädophilen Lehrkräften ´unterwanderten´ Odenwaldschule, Gerold Becker, gegen die massiven Pädophilievorwurfe (Jungs und Mädchen) verteidigte, die Becker nicht abgestritten hatte, und Beckers Verhalten unter Berufung auf den platonischen ´pädagogischen Eros´ rechtfertigte - wofür sich Muschg natürlich jede Menge Kritik einfing.

http://www.zeit.de/1997/42/Die_Gegenwart_des_abwesen…

Autorität, zu deutsch Vollmacht, Maßgeblichkeit - wovon reden wir da?

_Geläufig geblieben sind diese Wörter als Funktionsbezeichnungen, in Systemen, die ihrerseits den Anspruch auf Maßgeblichkeit abgetreten haben, dem Markt, also der Entscheidung der Kundschaft. Diese Autorisierung ist zwar nicht stark genug, Autorität zu ersetzen, aber mehr als ausreichend, ihr den Anspruch zu bestreiten, der ihr früher nicht nur nachgesagt, sondern zugesprochen wurde: verbindlich zu definieren, was ist und was sein soll.

Für den Markt wäre das der pure Oktroi - ein Fremdwort aus gleicher Sippe, dem schon das Unhaltbare seines Anspruchs, das Unwirsche seines Empfangs auf die Stirn geschrieben steht. Die Triebkraft des augere, des Wachsens und Mehrens, die in der auctoritas steckt, ist aus der Qualität in die Quantität umgeschlagen. Wo der Markt das Weltgericht ist, zeigt sich die Autorität allenfalls hinterher, und da hat sie nicht viel mehr zu sagen, als daß etwas, was mein Wachstum gefördert hat, ja wohl das Rechte gewesen sein muß.

Was natürlich nicht ausschließt - vielmehr voraussetzt -, daß der Ruf nach Autorität inzwischen die Heftigkeit eines Börsengeschreis angenommen hat. Wo nehmen wir die Instanz her, die zuverlässig voraussagt, was sich für uns - auf Erden oder auch im Himmel - gelohnt haben wird? Der Augur ist die Autorität des Futurum exactum. Aufgrund spekulativer Kompetenz wird er zum Maßgeber der Stunde, zum Bevollmächtigten des Augenblicks.

Autorität - das unterscheidet sie von bloßer Macht - ist nie ohne Referenz.

Ihre Eigenleistung mag eine notwendige Grundlage sein eine ausreichende ist es nicht. Für ihre Legitimation bedarf sie der glaubwürdigen Ableitung, eines Gottesgebots oder Sittengesetzes, einer Staatsverfassung, mindestens des Konsenses einer Gruppe. Der Markt tut sich schwer mit dieser Referenz.

Fraglos ist Autorität ein Grundbedürfnis, das er also befriedigen muß. Aber wie kann er das, wenn er das Urteil darüber, was sein soll, dem Kunden überläßt? In diesem Double-bind überschlägt sich der Markt._

http://blog.dasmagazin.ch/2014/05/09/sibirische-trae…

Gewiss: Die digitale Revolution hat Raum und Zeit fast gegen null schrumpfen lassen, die Datenwolke saugt immer mehr Realität ab, und die Suchmaschine fördert kollektiven Gedächtnisschwund.
(…)
Im gegenseitigen Umgang fallen wir mit den jeweils modernsten Mitteln zuverlässig in unveränderte Muster zurück. Die Shitstorm- Sprache am Internet bleibt diejenige der prähistorischen Horde, unser Revierverhalten und Imponiergehabe schlagen in jedem Medium durch, auch im gerade neuesten. Auch unsere Heldinnen und Helden bleiben in jedem Outfit archetypisch. «Denn der Boden zeugt sie wieder/Wie von je er sie erzeugt», heisst es in der klassischen Walpurgisnacht. Der Verkleidungszauber unserer Triebe und Begierden, auch unserer seltenen Aufschwünge zur Humanität mag unerschöpflich wirken. Aber nur der Wiederholung ist kein Ende, denn das Repertoire ist begrenzt. Für das Auge ändert sich alles, für die Einsicht immer weniger.

Chan

Ich sehe die „Errungenschaften“ der Moderne immer mit Skepsis, aber auch ihren grossen Nutzen. Frueher galt dieses:

„Bibliotheken sind die geistigen Tankstellen der Nation.“

Heute ist es eben auch das Internet u.a. moderne Medien.

Wie sagte der Literaaturpapst MRR:

„Fernsehen macht kluge Menschen klueger
und dumme Menschen duemmer“

Hi.

Kann ich so nicht nachvollziehen!
Mir scheint eher das Gegentwil der Fall zu sein.

Komisch, mir auch.

Wuerdet Ihr euch Muschg anschliessen?

Beim fleißig Kritisieren, ja:smile:

Mike

Balázs

Wie MODERN sind denn noch Begriffe?

http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/wissen/die…

Täglich erleben Menschen in modernen Gesellschaften, wie sich ihr Alltag durch den Einsatz der Neuen Medien verändert. Dem Gewinn an individuellen Zugangschancen zu Kommunikation, Konsum und Wissen stehen erhebliche Verluste im Angebot von personenbezogenen Dienstleistungen gegenüber…

http://www.deutschlandfunk.de/neue-medien-gleichscha…

Das, was MODERNE genannt wird,
unterliegt der jeweiligen individuellen und gesellschaftlichen Wahrnehmung / Sichtweise.

Vielleicht gibt es die Moderne gar nicht…?

Nur eine einfache Kategorisierung dessen, was mir uber den Kopf waechst :smile: ?