wu fa
Hi
Jedenfalls ist das ein Kontext, aus dem sich Lin Yutangs „Ohne-Form“ für „wu you“ durchaus rechtfertigen läßt…
da kann ich dir nicht folgen, nicht mal nach deiner Interpretation von wu you.
brauchst du auch nicht, denn ich schrieb ja nur „durchaus rechtfertgen“, weil es auf dem Denken des Dschuang Zi aufbaut. Ich selbst übersetze es anders. Und - damit das Mißverständnis ausgeräumt wird: ich bin kein Fan von Lin Yutang
Ich meinte lediglich, daß für jemand, der keine Möglichkeit hat, sich jahrzehntelang ins ancient chinese einzuarbeiten, mit ihm ganz gut bedient ist.
Hier vergisst du meiner Meinung nach etwas wesentliches,
nämlich das 無 das Pendant zu 有 ist. wu bedeutet
für sich alleine genommen nämlich schon das Gegenteil von
haben, nur gibt es dafür im Deutschen leider kein Wort, also
behilft man sich im Deutsch mit „nicht haben“…
Ich habe es nicht vergessen, sondern gerade darauf hingewiesen. wu heißt keineswegs „nicht haben“, sondern „ohne“ und (nach Mathews) „apart from“.
Egal welche Interpretation des Wortes you du zulassen würdest, du müsstest in jedem Fall wu als sein Pendant ebenfalls zulassen.
Menno - was hab ich nicht „zugelassen“? Ich hab doch nun alle Varianten der Nebeneinandersetzung und des terminologischen (!) Gebrauchs von you und wu aufgelistet.
無有 wu you das „Ohne-Haben“ (im Chan/Zen das
Aufgeben des Haftens an Dingen und am Besitz und am
begrifflichen Eindeutigkeitswahn, der dazu führt, Widersprüche
nicht aushalten zu können usw.)
Nein, hier sehe ich einen Denkfehler.
Soso, siehst Du einen Denkfehler. Du, ich hab oben schlicht das wu you kurzgefaßt wiedergegeben, wie es im Taoismus und dann besonders im Chan als zentraler Begriff der Lehre verwendet wird. Aber ich kann Dich nicht hindern, den Zen seit Hui Neng als Denkfehler zu sehen…
Meister Hakuin und der Bi Yan Lu würden Dir darin sicher sogar Recht geben *lach*
Jetzt kommt das Problem dazu, daß man die Nebeneinandersetzung
wu you auch (rein grammatikalisch) als Genitiv lesen kann.
Dann käme so ein kompletter begrifflicher Unsinn wie „Sein des
Nichts“ heraus, oder „das Nichts am Sein“ usw.
Für dich mag das begrifflicher Unsinn sein.
Nicht nur für mich…
Ich finde das völlig verständlich und zwar verständlich im Sinne von inhaltlich ensprechend der Lehre des Daoismus verständlich.
Aber Daoismus ist aber kein begrifflicher Unsinn.
Ich will ja nun nich meckern, aber versuch doch wenigstens mal, das Konzept von … Sein am Nichts, Nichts am Sein etc. zu erfassen.
An Unsinn gibt es nichts zu erfassen…
Menno, ich wünschte ich könnte mich besser ausdrücken, so kann ich nur hoffen, dass dir ein Licht aufgeht…
Die Hoffnung wird kaum erfüllbar sein, daß mir da ein Licht aufgeht. Mit Der S-N-Dialektik bin ich erst seit mehreren Jahrzehnten auf gutem Fuß, im Daoismus, im Chan, im Heraklit, Parmenides und Platon (speziell in seinem „Parmenides“), dann in der Deutschen Mystik Eckhart bis Böhme, und endlich Hegel, der die Dialektik dieser Begriffe als solche formuliert hat. Allerdings ist die S-N-Dialektik vom Schwierigkeitsgrad 6 (wie bei Platon sichtbar) und es braucht ne Menge Fingerübungen vorher. Nicht die bekömmlichste Kost für diese Party hier. Und schließlich hab ich ja nicht ohne Grund erzählt, daß im Daoismus selbst ebenfalls seit 1400 Jahren darum gefightet wird.
無法 wu fa die „Nicht-Methode“, die in der
taoistischen Malerei und dann in der Zen-Malerei (vorzüglich
bei Shi Tao im 17. Jhdt) zum terminus technicus wurde.
(ja, aber wohl kaum auf Deutsch, oder ?
)
Menno - Texte bestehen nicht aus einem einzelnen Wort, und insbesondere nicht Texte, deren Inhalt es ist, gerade diesen Grundbegriff zu behandeln.
Sag mal Metapher, was ist deine Quelle ???
fa heisst nicht nur „Methode“, es heisst vor allen Dingen
Gesetz, Vorbild, Norm, zum Vorbild Nehmen, dem Beispiel
folgen.
Schau mal beim Mathews Nr.1761 (a) nach !!
Also in der chin. Malerei heißt fa „Methode“, „Verfahren“ (der Strichführung, des Tuscheanrührens, der Bildkomposition, der Pigmentwahl). Was hindert Dich eigentlich, sowas einfach mal zu glauben, auch wenn Du selbst damit nicht vertraut bist?
Meine Quelle hierfür ist natürlich das Hua Pu des Shih-Tao (1630-1717). Näheres - nicht chinesisch - kannst du dazu auch vor allem in dem Klassiker „Zen and the Fine Arts“ von Hisamatsu erfahren.
wu fa in diesem Zusammenhang (Malerei) mit „Nicht-Methode“ zu übersetzen halte ich für…hm…naja…
Tja, das sind nun mal die „geheimnisse“ die man so im Daoismus findet… und wie sie ihre Ideen formulieren, das sollte man schon ihnen selbst überlassen… Oder willst du die chin. Geschichte neu schreiben?
Das Hua Pu ist eine Schrift über die Methode des Pinselauftrags und der Bildkomposition. Shih-Tao war ein daoistischer Mönch, der dann zum Chan gewechselt ist und im hohen Alter wieder zu den Daoisten zurückkehrte. Er hat eine Strichtechnik entwickelt, i hua"oneness of brushstrokes", die nur mit einer bestimmten (geistigen) Haltung möglich ist, die in dem Buch beschrieben ist und die er eben von dem daoistischen wu wei ableitet. Für die hatte er als Programm liao fa"Befreiung von Methode", und die Methode selbst nannte er eben „ohne-Methode“ wu fa. Er ist damit zum bekanntesten Maler dieser Periode geworden… Beschreiben kann ich es nicht, macht auch keinen Sinn. Ich hab 2 Jahre gebraucht, um mich durch den Text zu wühlen, bis dann 78 eine englische Übersetzung erschien (Coleman)…
Außerdem hatte Shih-Tao mit dem Hua Pu die bisher einzige adäquate ästhetische Theorie jener Malerei verfaßt, die in den 40er Jahren weltweit enstand, die in USA „action painting“ hieß, in D „Tachismus“, und für die Michel Tapié in Paris den bis heute bestehenden Namen „l’art informel“ fand, der eben dieselbe paradoxe Ausdrucksweise verwendet. Fast alle Richtungen des Informel beziehen sich auf Shih-Tao, besonders natürlich die Chinesen, von denen der Franzose Zao Wu Ki heute der bekannteste ist. Aber auch Bezier, Tobey, Matthieu, Michaux („ecriture automatique“) haben über den japanischen Zen aus dem Hua Po gelernt. Und wu fa bzw. i hua ist eh für das ganze Informel charakteristisch.
1942 hat Wulff das übernommen und Geldsetzer hat sich mit
seiner Übersetzung an Wulff orientiert.
Na dann les dir mal das Kapitel 1 von Geldsetzer im Vergleich
mit beispielsweise Yutang durch und vergleich das mal mit den
Schriftzeichen, ich finde, da ist klar wer inhaltlich das
Rennen macht (natürlich Geldsetzer
)
Ich kenne die Texte, Marion, und den Lao Zi kann ich wirklich (fast) auswendig, deshalb schreib ich doch hier darüber 
Wie gesagt, Wulff, an dem sich G. orientiert, hat nach der Richtung interpretiert, die in China bereits im 11. Jhdt alternative Lesarten versuchte. Sie haben in Kap 1 Z. 5 und 6 zwischen wu und ming bzw. you und ming eine Interpunktion angesetzt, um diese Lesart zu fixieren. Die ist dann von der Peking-Universität übernommen worden.
天下萬物生於有
有生於無
tien di wan wu sheng yu you
you sheng yu wu
Die korrektere Übersetzung wäre …
„Himmel (und) Erde (und) alle (= 10000) Dinge werden aus Sein hervorgebracht,
Sein wird aus Nichts hervorgebracht“
Ja, klar, aber wie kann es gleichzeitig heissen:
(1) Sein wird aus Nichts hervorgebracht, und
(2) Sein und Nichts (non-being) entstehen miteinander
(2) ist eben - wie gesagt - „schief“. S und N entstehen nicht mit einander, sondern „bringen sich gegenseitig hervor“. Darin ist „S wird aus N hervorgebracht“ enthalten. Die Umkehrung „N wird aus S hervorbegracht“ braucht im Kap. 40 nicht noch extra benannt zu werden, weil eh der Kreislauf schon vorausgesetzt ist.
Ich zitiere: „Nichts“ ist der Name für den Anfang von Himmel und Erde. „Sein“ ist der Name für die Mutter aller Dinge.
Also, zum x-ten mal: das kommt heraus, wenn man wu in 5 und you in 6 durch Interpunktion absetzt. Die originale Dao-Schule tut das nicht und liest wu ming „ohne Namen“ und you ming „mit Namen“. So die übliche Wiedergabe bei dieser Lesart. ming ist aber eher und besser durch „Begriff“ wiederzugeben… aber das geht mir jetzt zu weit…
JA, das passt sag ich.
Und jetzt les dir mal die Übersetzung des ersten Kapitels von
Yutang durch (ich erspar mir hier das zitieren *grusel*).
Das ist mir für die unendlichen Probleme einer Wiedergabe in einer eurpäischen Sprache etwas zu salopp gesagt von dir. Ich hab damals mhere Monate aufgewendet, um mich durch jede Zeile des Textes durchzukämpfen. Klarer wurde es dann erst, nachdem ich den Kuan Yin mit dazunahm.
L.Y. ist im Ggs. zu Geldsetzer wenigsten grammatikalisch richtig. Aber inhaltlich kann ich zu beidem nur „Unsinn“ sagen. Das kommt halt dabei raus, wenn die Übersetzer meinen, genau das, was die alte Sprache hier gezielt dunkel ausdrückt, vermischt mit ganz viel daoistischer Magie überdies, mit dem üblichen Verfahren „das muß das und das heißen, weil ich es mir nicht anders vorstellen kann“ wiedergeben zu müssen… das verkauft sich besser, weil jeder, der sich das mal am Samstag Abend als erbauliche sog. „Weisheits“-Lektüre reinzieht, sich dann ebenfalls irgendwas dazuphantasieren kann - und daher zu „verstehen“ meint. Sorry, aber ich kann es nicht anders sagen.
Aber bereits Ho Shang Gung im 2. Jhdt und der Konfuzianer Wang
Bi im 3. Jhdt haben sich in ihren Kommentaren an die damals
längs terminologisch gewordene Form „wu = ohne“ gehalten (bis
auf die Formen, in denen wu eindeutig „das Nichts“ heißt. Da
waren diese Ausdrücke längst durch Kuan Yin, Dschuang Zi, Lie
Zi und viele andere bedeutende Lehrmeister des T. zu
Grundbegriffen geworden…
Nun, keiner der Herren hat wu oder you ins Deutsche übersetzt,
davon gehe ich mal aus. Ausserdem wirst du dir selbst untreu.
wu fa müsste dann nämlich „ohne Methode“ heissen.
Menno, Marion, „Ohne-Methode“ und „Nicht-Methode“ dürfte in europäischen Sprachen synonym sein, nicht wahr. Suzuki gibt in seinem Kommentar zum Liu-Tzu Tan-Ching „wu hsin“ bzw. „wu nien“ auch als „no-mind“ wieder. Das ist völlig in Ordnung, weil die Inhalte dieser Schriften von Hui-Neng ja ausschließlich darüber handeln, wie diese Begriffe zu verstehen sind. Da ist es dann mit jedem Versuch Essig, mit dem Genitiv „… des Nichts“ zu dilettieren.
das ist auch MEIN Ansinnen an dich, nämlich inhaltlich zu argumentieren, und nicht ausschließlich linguistisch.
Von wem sind diese Bücher verfaßt worden? Doch wohl von denen, die die Lehrmeister dieser Schulen waren. Und die ganze Geschichte dieser Schulen bestand in der Interpretation dieser Sxhriften… Dadurch sind die Schulen ja erst entstanden. Das ist in indischen und griechischen und hebräischen und europäischen Kulturen nicht anders gewesen.
Außerdem muß man sich einmal klarmachen, daß die Sprachen geduldig sind: sie lassen grammatikalisch richtigen, aber „inhaltlichen“ Blödsinn zu. Es sind sprachliche Audrücke möglich, die keinem möglichen Gedanken entsprechen. Nicht alles, was sich mysteriös (und dadurch für viele attraktiv) anhört, ist auch wirklich Gedanke.
Außerdem war das Thema dieser Unterhaltung ja von vornherein ein „sprachliches“.
Und du wirst nicht daran vorbei kommen, dich mit den Nichts
auseinanderzusetzen, wenn du dich mit dem Daoismus oder gar
dem Zen beschäftigen willst *freundlich lächel*.
Sei gnädig und lass mir noch was Zeit - ich tus erst seit 40 Jahren
)
Liebe Grüße
Metapher
„Philosophie hat sich davor zu hüten, erbaulich sein zu wollen“ (Hegel)