Die Illusion des Ich (Teil 2!)

trial and error
Hallo Thomas,

Im Kontext geht es ja wohl darum, dass man auch (und gerade)
durch Nicht-Handeln trotzdem wirken kann. In diesem Sinne
scheint mir eine Übersetzung wie die meine nicht
ungerechtfertigt, denn sie impliziert keineswegs die
Zufälligkeit eines „irgendetwas“, sondern durchaus die
Abwesenheit von etwas Bestimmten. - Meine ich.

Ja, vor allem die Anwesenheit eines Subjekts, und grade das gefällt mir nicht :smile:. Es gibt keinerlei Hinweise auf „man“. Es sei denn natürlich im zweiten Satz (wu shi yi zhi…) aber wir sind ja noch beim ersten :smile:

Nach der Übersetzung von Wing/Kobbe:

tian xia zhi zhi rou chi cheng tian xia zhi zhi jian.
Die biegsamsten überwinden die starrsten Teile der Welt.

wu you ru wu jian.
Das Hauchzarte kann unaufhörlich eindringen.

wu shi yi zhi wu wei zhi you yi.
Deshalb weiss ich, Nutzen erwächst ohne Handeln.

bu yan zhi jiao, Diese Philosophie ohne Worte,
wu wei zhi yi, Dieser Nutzen ohne Handeln -
tian xia xi ji zhi. Selten, dass man sie in dieser Welt
erlangt.

„bu“ bzw. „wu“ wird hier beides mit „ohne“ übersetzt (freilich
aus dem Englischen ins Deutsche, ob das von Bedeutung ist,
weiß ich nicht).

Gut Erkannt. Jetzt weisst du auch, wieso ich (neben anderen Gründen, z.B. „Hauchzart“ *grusel*) obige Übersetzung für schlecht halte :smile:

Meine Interpretation:
wu wei = nichts tun im Sinne von nicht handeln
bu yan = ohne Worte im Sinne von wortlos

Nun, ich halte diese Interpretation (wie schon gesagt) aufgrund der Verwendung des Wortes „bu“ für falsch. Im alten Chinesisch steht bu ausschließlich für die Negation eines Verbalsatzes. Zumindest hab ich das mal so gelernt :smile:

„you“ hingegen bedeutet eigentlich nicht „sein“, sonder
„haben oder besitzen“. Somit wäre also wu you die „ohne
Besitz“. (Nach meinem Verständinis ist mit you hier etwas
„Beschreibbares gemeint“, also das zuordnen können irgendeines
Attributes (Besitz im Sinne von Eigenschaft).

" wu you" wäre dann (in meinem Sinne, aber mit deiner
Übersetzung) zu interpretieren als " nichts besitzen" im
Sinne von „nichts in Beschlag nehmen als eigene Wirkung“. Die
Wirkung ergibt sich quasi, auch ohne dass ich etwas tue.

Nö, hier wären wir wieder bei „wu wei shi you yi“, worüber ich mich aber grade weiter oben vortrefflich mit Metapher streite *g*.

„Das Sein am Nichts“ schon irgendwie nett :smile:

Ich finde die Formulierung zwar auch nett, sie erscheint mir
aber ebenso unklar wie das Original.

hm…was ist jetzt für dich das „Original“ ?
wenn du bei „Sein am Nichts“ „Sein“ mit Eigenschaften (you) gleichsetzt (was sonst macht das „Sein“ aus, wenn nicht seine Eigenschaften) und dir die konsequente Übersetzung von wu in Erinnerung rufst, finde ich das gar nicht mehr unklar.

wu you ru wu jian.
>Nichts haben hineingehen Nichts Zwischenraum

wei wu wei
Hi Marion

ich hab übrigens gesehen, daß nicht alle browser den Unicode der chin. Zeichen wiedergeben, also schreib ich pinyin dazu.

also, ums nochmal zu verdeutlichen:

有 you kann heißen:
(es) gibt - existiert - haben - Sein - und speziell im Taoismus und später besonders im Chan auch noch: festhalten, haften an. Die Bedeutungen, die es darüberhinaus noch annehmen kann, im Sinne von „Reflexionsform“ u.ä. wollte ich eben nicht diskutieren, weil mir das zu kompliziert ist. Jedenfalls ist das ein Kontext, aus dem sich Lin Yutangs „Ohne-Form“ für „wu you“ durchaus rechtfertigen läßt…

無 wu kann heißen:
ohne - nicht - Nichts. Zu den speziellen Termini im Taoismus und dann auch mit Hui-Neng (dem 6. Patriachen des Chan, mit dem sich die „südliche“ und die „nördliche Schule“ aufgespalten haben) im Chan gehören insbesondere eben die schon genannten:

無有 wu you das „Ohne-Haben“ (im Chan/Zen das Aufgeben des Haftens an Dingen und am Besitz und am begrifflichen Eindeutigkeitswahn, der dazu führt, Widersprüche nicht aushalten zu können usw.)

無為 wu wei das „Ohne-Tun“, das eine wichtige Rolle auch in der Form 為 無為 wei wu wei „Handeln-Ohne-Handeln“ bei Dschuang Zi und bei anderen antiken Taoisten spielte. Es kommt ja auch im Lao Zi Kap. 2 schon vor. Daraus wird dann bei Hui Neng die Form

無法 wu fa die „Nicht-Methode“, die in der taoistischen Malerei und dann in der Zen-Malerei (vorzüglich bei Shi Tao im 17. Jhdt) zum terminus technicus wurde. Die Substantivische (und damit kosmologisch-metaphysische Bedeutung:

有無 you wu „Sein (und) Nichts“ ist generell daran erkennbar, daß wu und you in der umgekehrten Reihenfolge genannt werden.

Jetzt kommt das Problem dazu, daß man die Nebeneinandersetzung wu you auch (rein grammatikalisch) als Genitiv lesen kann. Dann käme so ein kompletter begrifflicher Unsinn wie „Sein des Nichts“ heraus, oder „das Nichts am Sein“ usw.

Das hat aber schon in der Antike zu erheblichen Streitigkeiten im Taoismus geführt. Im den Zeilen 5 und 6 des Kap. 1 kommt das besonders zum Tragen: So haben bereits Wang An Shi (11. Jhdt), Su Tse (12. Jhdt) und Si Ma Guang (im Sung) hinter wu bzw. you ein Trennungszeichen gesetzt und generell wu substativisch interpretiert, was meist eben zu der Genitiv-Konstruktion führt. Das hat dann im 20. Jhdt die Peking-Schule übernommen.

1942 hat Wulff das übernommen und Geldsetzer hat sich mit seiner Übersetzung an Wulff orientiert.

Aber bereits Ho Shang Gung im 2. Jhdt und der Konfuzianer Wang Bi im 3. Jhdt haben sich in ihren Kommentaren an die damals längs terminologisch gewordene Form „wu = ohne“ gehalten (bis auf die Formen, in denen wu eindeutig „das Nichts“ heißt. Da waren diese Ausdrücke längst durch Kuan Yin, Dschuang Zi, Lie Zi und viele andere bedeutende Lehrmeister des T. zu Grundbegriffen geworden…

Die Übersetzung:

„Ohne-Haben/Halten dringt ein (in) Nicht-Dazwischen“

ist insofern konsistent, als man für „Nicht-Dazwischen“ eben auch „Ohne-Dazwischen“ schreiben kann. Es ist das Fehlen, nicht die Negation.

無有 mit „that which is without form“ zu übersetzen
halte ich für arg gewagt.
Inwiefern Rechtfertigst du Yutangs Übersetzung mit „form“ ??

Na ich rechtfertige ihn ja gar nicht. Ich lese die Stelle ja eh anders. Aber Lin Yutang hat zu seiner Übersetzung analoge Passagen des Dschuang Zi (3. Jhdt v. Chr.) hinzugezogen, die den Lao Zi in Form von Beispielen und Gleichnissen (für die er ja berühmt ist/war) interpretieren. Und wenns Dschuang Zi nicht weiß, wer dann sonst?

Die Dschuang Zi Kommentare kann man in der deutschen Lin Yutang-Übersetzung übrigens nachlesen. Sie sind von Martin Buber übertragen.

wu-wei 無為 ist ja DER Grundbegriff des Daoismus:

Ja.

Ja eben, aber nicht als „Wirkung des Nichts“ (was ja eh ein metaphysischer Knuddelkitt sondergleichen ist), sondern als „(handeln) ohne-handeln“. Du kommst doch an 2500 Jahre Tao und 1400 Jahre Chan/Zen nicht ohne Gewaltanwendung vorbei :smile:)) (ebensowenig wie ein Geldsetzer).

Du schreibst selbst oben, dass 2 Varianten grundsätzlich möglich sind. Gibt mir eine Begründung, warum es bei 無為 nicht auch diese beiden Varianten geben darf ?

Die sind nur rein grammatikalisch möglich. Und das auch nur, wenn man einen einzelnen Ausdruck nimmt. Aber der Dao De Jing hat 81 Kapitel :smile: die wollen im Kontext verstanden sein. Und außerdem hinder ich doch niemanden, mit der Dialektik von Sein und Nichts Sandkastenspiele ohne Sinn und Verstand zu machen, wie z.B. „Das Sein am Nichts“ *schallendlach*.

有無相生 (you wu xiang sheng)
Du schreibst:frowning:„Sein (und) Nichts bringen einander hervor“)

Richtig: Das ist nämlich die Dialektik dabei. Das ist das großartige, daß Lao Zi das erkannt hat, während in Griechenland sind die Parmenides- und die Heraklit-Leute (die es auch erkannt hatten) gegenseitig für bekloppt hielten.

(1): Darum auch entstehen Sein und Nichts miteinander
(2): Therefore: Being and non-being in ter dependent in Growth.

(halte ich beides für „schief“)

und jetzt kommts (taaataaa). Leider kann ich diese netten Schriftzeichen nicht malen, aber jetzt kommt aus Kapitel 40:
有生 yu 無 (you sheng yu wu)

天下萬物生於有
有生於無
tien di wan wu sheng yu you
you sheng yu wu

(1) (Das sein ist Ursprung allen Dingen)…doch lässt das Nichts das Sein entspringen.
(2) (The things of the world dome from Being)…and Being (comes) from Non-being.

kannst du mir obiges mal im Zusammenhang mit Kapitel 2 erläutern ?

Die korrektere Übersetzung wäre (mit „yu“="in, bei, von her, aus):
„Himmel (und) Erde (und) alle (= 10000) Dinge werden aus Sein hervorgebracht,
Sein wird aus Nichts hervorgebracht“

Das stimmt dem Satz aus mit Kap 2 (und vor allem mit Kap 1.5+6 !) doch vollkommen überein.

Liebe Grüße
Metapher

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Moin Metapher,

ich hab übrigens gesehen, daß nicht alle browser den Unicode
der chin. Zeichen wiedergeben, also schreib ich pinyin dazu.

Danke, ich surf jetzt extra für deine Postings mit IE, aber sicher ist sicher :smile:

有 you kann heißen:
(es) gibt - existiert - haben - Sein - und speziell im
Taoismus und später besonders im Chan auch noch: festhalten,
haften an.

Einverstanden, ergänzen möchte ich: besitzen

Jedenfalls ist

das ein Kontext, aus dem sich Lin Yutangs „Ohne-Form“ für „wu
you“ durchaus rechtfertigen läßt…

da kann ich dir nicht folgen, nicht mal nach deiner Interpretation von wu you. Ich finde wu you jedefalls weiter gehend als „ohne Form“. Meiner Meinung nach ist nicht alles „ohne Form“ auch automatisch wu you. wu you ist allerdings auch ohne Form.

無 wu kann heißen:
ohne - nicht - Nichts.

Hier vergisst du meiner Meinung nach etwas wesentliches, nämlich das 無 das Pendant zu 有 ist. wu bedeutet für sich alleine genommen nämlich schon das Gegenteil von haben, nur gibt es dafür im Deutschen leider kein Wort, also behilft man sich im Deutsch mit „nicht haben“, was aber eigentlich nicht korrekt ist, denn „nicht haben“ (also die Negation des Verbs haben) wäre im Chinesischen méi you. Egal welche Interpretation des Wortes you du zulassen würdest, du müsstest in jedem Fall wu als sein Pendant ebenfalls zulassen.

無有 wu you das „Ohne-Haben“ (im Chan/Zen das
Aufgeben des Haftens an Dingen und am Besitz und am
begrifflichen Eindeutigkeitswahn, der dazu führt, Widersprüche
nicht aushalten zu können usw.)

Nein, hier sehe ich einen Denkfehler. Wie du selbst weisst, werden Bindewörter im Chinesischen gerne weggelassen, sofern sie nicht vonnöten sind. Geht man bei wo und you von gleichwertigen Pendents aus, sind wir wieder bei der Übersetzung von Geldsetzer (Das Nichts am Sein in diesem Fall)

(snip und den Teil von unten hochhol, da inhaltlich hier pass)

有無 you wu „Sein (und) Nichts“ ist generell daran
erkennbar, daß wu und you in der umgekehrten Reihenfolge
genannt werden.

Jetzt kommt das Problem dazu, daß man die Nebeneinandersetzung
wu you auch (rein grammatikalisch) als Genitiv lesen kann.
Dann käme so ein kompletter begrifflicher Unsinn wie „Sein des
Nichts“ heraus, oder „das Nichts am Sein“ usw.

Für dich mag das begrifflicher Unsinn sein. Ich finde das völlig verständlich und zwar verständlich im Sinne von inhaltlich ensprechend der Lehre des Daoismus verständlich. Ich will ja nun nich meckern, aber versuch doch wenigstens mal, das Konzept von Sein und Nichts, sowie Sein am Nichts, Nichts am Sein etc. zu erfassen. Menno, ich wünschte ich könnte mich besser ausdrücken, so kann ich nur hoffen, dass dir ein Licht aufgeht…

無為 wu wei das „Ohne-Tun“,

oder eben „Nichts-Tun“

das eine wichtige

Rolle auch in der Form 為 無為 wei wu wei
„Handeln-Ohne-Handeln“

Oder eben: Tun mit (durch) Nichts-Tun, gelle ?

無法 wu fa die „Nicht-Methode“, die in der
taoistischen Malerei und dann in der Zen-Malerei (vorzüglich
bei Shi Tao im 17. Jhdt) zum terminus technicus wurde. (ja, aber wohl kaum auf Deutsch, oder ? :smile:)

Sag mal Metapher, was ist deine Quelle ???
fa heisst nicht nur „Methode“, es heisst vor allen Dingen Gesetz, Vorbild, Norm, zum Vorbild Nehmen, dem Beispiel folgen.

wu fa in diesem Zusammenhang (Malerei) mit „Nicht-Methode“ zu übersetzen halte ich für…hm…naja…

Die

Substantivische (und damit kosmologisch-metaphysische
Bedeutung:

Das hat aber schon in der Antike zu erheblichen Streitigkeiten
im Taoismus geführt. Im den Zeilen 5 und 6 des Kap. 1 kommt
das besonders zum Tragen: So haben bereits Wang An Shi (11.
Jhdt), Su Tse (12. Jhdt) und Si Ma Guang (im Sung) hinter wu
bzw. you ein Trennungszeichen gesetzt und generell wu
substativisch interpretiert, was meist eben zu der
Genitiv-Konstruktion führt. Das hat dann im 20. Jhdt die
Peking-Schule übernommen.

1942 hat Wulff das übernommen und Geldsetzer hat sich mit
seiner Übersetzung an Wulff orientiert.

Na dann les dir mal das Kapitel 1 von Geldsetzer im Vergleich mit beispielsweise Yutang durch und vergleich das mal mit den Schriftzeichen, ich finde, da ist klar wer inhaltlich das Rennen macht (natürlich Geldsetzer :smile:)

und nur durch das erste Kapitel in der Übersetzung von Geldsetzer gibt es meiner Meinung nach ein Verständins für die sich doch irgendwie gegenseitig ausschließenden Kapitel …(*snip* und von unten hochhol:smile:.

(1): Darum auch entstehen Sein und Nichts miteinander
(2): Therefore: Being and non-being in ter dependent in Growth.

(halte ich beides für „schief“)

und jetzt kommts (taaataaa). Leider kann ich diese netten Schriftzeichen nicht malen, aber jetzt kommt aus Kapitel 40:
有生 yu 無 (you sheng yu wu)

天下萬物生於有
有生於無
tien di wan wu sheng yu you
you sheng yu wu

(1) (Das sein ist Ursprung allen Dingen)…doch lässt das Nichts das Sein entspringen.
(2) (The things of the world dome from Being)…and Being (comes) from Non-being.

kannst du mir obiges mal im Zusammenhang mit Kapitel 2 erläutern ?

Die korrektere Übersetzung wäre (mit „yu“="in, bei, von her,
aus):
„Himmel (und) Erde (und) alle (= 10000) Dinge werden aus Sein
hervorgebracht,
Sein wird aus Nichts hervorgebracht“

Das stimmt dem Satz aus mit Kap 2 (und vor allem mit Kap 1.5+6
!) doch vollkommen überein.

Ja, klar, aber wie kann es gleichzeitig heissen:
(1) Sein wird aus Nichts hervorgebracht , und
(2) Sein und Nichts (non-being) entstehen miteinander

??

Dies erklärt sich meiner Meinung nach NUR aus der Übersetzung des ersten Kapitels von Gelsetzer:

Ich zitiere: „Nichts“ ist der Name für den Anfang von Himmel und Erde. „Sein“ ist der Name für die Mutter aller Dinge. Darum will ich über das immerwährende Nichts aus diesem (Anfang) her sein Geheimnis erkunden, und ich will über das beständige Sein aus diesem (Muttersein) her seine Grenzen erkunden. jetzt treten sie gepaart zusammen auf, aber unter verschiedenen Benennungen. Gemeinsam heißen sie „Ursprung“. Das Ursprüngliche hat aber wiederum einen Ursprung. Das aber ist das Tor zu allem Geheimnisvollen."

JA, das passt sag ich.
Und jetzt les dir mal die Übersetzung des ersten Kapitels von Yutang durch (ich erspar mir hier das zitieren *grusel*).

Aber bereits Ho Shang Gung im 2. Jhdt und der Konfuzianer Wang
Bi im 3. Jhdt haben sich in ihren Kommentaren an die damals
längs terminologisch gewordene Form „wu = ohne“ gehalten (bis
auf die Formen, in denen wu eindeutig „das Nichts“ heißt. Da
waren diese Ausdrücke längst durch Kuan Yin, Dschuang Zi, Lie
Zi und viele andere bedeutende Lehrmeister des T. zu
Grundbegriffen geworden…

Nun, keiner der Herren hat wu oder you ins Deutsche übersetzt, davon gehe ich mal aus. Ausserdem wirst du dir selbst untreu. wu fa müsste dann nämlich „ohne Methode“ heissen. Ich finde die Genitivkonstruktionen überhaupt nicht verwerfenswert.

Im Endeffekt geht es doch darum, was inhaltlich das Gemeinte am Besten rüberbringt. Manchmal offenbart sich der Inhalt dadurch, in dem man linguistisch sehr genau arbeitet, manchmal muss man aber auch übersetzerische Freiheiten zulassen, um den Inhalt zu transportieren. Hier das richtige Maß zu finden (und zu entscheiden, wann was angebracht ist) ist doch grade die Kunst, die sich nur durch ein gutes Verständnis des Daoismus meistern läßt (Genau das war ja auch dein Ansinnen an heraklin in deinem Ausgangsposting und genau das ist auch MEIN Ansinnen an dich, nämlich inhaltlich zu argumentieren, und nicht ausschließlich linguistisch.

Ja eben, aber nicht als „Wirkung des Nichts“ (was ja eh ein
metaphysischer Knuddelkitt sondergleichen ist), sondern als
„(handeln) ohne-handeln“. Du kommst doch an 2500 Jahre Tao und
1400 Jahre Chan/Zen nicht ohne Gewaltanwendung vorbei :smile:))
(ebensowenig wie ein Geldsetzer).

Und du wirst nicht daran vorbei kommen, dich mit den Nichts auseinanderzusetzen, wenn du dich mit dem Daoismus oder gar dem Zen beschäftigen willst *freundlich lächel*.

Die sind nur rein grammatikalisch möglich. Und das auch nur,
wenn man einen einzelnen Ausdruck nimmt. Aber der Dao De Jing
hat 81 Kapitel :smile: die wollen im Kontext verstanden sein. Und
außerdem hinder ich doch niemanden, mit der Dialektik von Sein
und Nichts Sandkastenspiele ohne Sinn und Verstand zu machen,
wie z.B. „Das Sein am Nichts“ *schallendlach*.

有無相生 (you wu xiang sheng)
Du schreibst:frowning:„Sein (und) Nichts bringen einander hervor“)

Richtig: Das ist nämlich die Dialektik dabei. Das ist das
großartige, daß Lao Zi das erkannt hat, während in
Griechenland sind die Parmenides- und die Heraklit-Leute (die
es auch erkannt hatten) gegenseitig für bekloppt hielten.

Ja, Bravo :smile: *applaus*
Und dass du „Das Sein am Nichts“ noch für bekloppt hältst, naja, daran arbeiten wir ja grade *fiesgrins*

Liebe Grüsse
Marion *schweiss von Stirn wisch*

wu fa
Hi

Jedenfalls ist das ein Kontext, aus dem sich Lin Yutangs „Ohne-Form“ für „wu you“ durchaus rechtfertigen läßt…

da kann ich dir nicht folgen, nicht mal nach deiner Interpretation von wu you.

brauchst du auch nicht, denn ich schrieb ja nur „durchaus rechtfertgen“, weil es auf dem Denken des Dschuang Zi aufbaut. Ich selbst übersetze es anders. Und - damit das Mißverständnis ausgeräumt wird: ich bin kein Fan von Lin Yutang :smile: Ich meinte lediglich, daß für jemand, der keine Möglichkeit hat, sich jahrzehntelang ins ancient chinese einzuarbeiten, mit ihm ganz gut bedient ist.

Hier vergisst du meiner Meinung nach etwas wesentliches,
nämlich das 無 das Pendant zu 有 ist. wu bedeutet
für sich alleine genommen nämlich schon das Gegenteil von
haben, nur gibt es dafür im Deutschen leider kein Wort, also
behilft man sich im Deutsch mit „nicht haben“…

Ich habe es nicht vergessen, sondern gerade darauf hingewiesen. wu heißt keineswegs „nicht haben“, sondern „ohne“ und (nach Mathews) „apart from“.

Egal welche Interpretation des Wortes you du zulassen würdest, du müsstest in jedem Fall wu als sein Pendant ebenfalls zulassen.

Menno - was hab ich nicht „zugelassen“? Ich hab doch nun alle Varianten der Nebeneinandersetzung und des terminologischen (!) Gebrauchs von you und wu aufgelistet.

無有 wu you das „Ohne-Haben“ (im Chan/Zen das
Aufgeben des Haftens an Dingen und am Besitz und am
begrifflichen Eindeutigkeitswahn, der dazu führt, Widersprüche
nicht aushalten zu können usw.)

Nein, hier sehe ich einen Denkfehler.

Soso, siehst Du einen Denkfehler. Du, ich hab oben schlicht das wu you kurzgefaßt wiedergegeben, wie es im Taoismus und dann besonders im Chan als zentraler Begriff der Lehre verwendet wird. Aber ich kann Dich nicht hindern, den Zen seit Hui Neng als Denkfehler zu sehen…:smile: Meister Hakuin und der Bi Yan Lu würden Dir darin sicher sogar Recht geben *lach*

Jetzt kommt das Problem dazu, daß man die Nebeneinandersetzung
wu you auch (rein grammatikalisch) als Genitiv lesen kann.
Dann käme so ein kompletter begrifflicher Unsinn wie „Sein des
Nichts“ heraus, oder „das Nichts am Sein“ usw.

Für dich mag das begrifflicher Unsinn sein.

Nicht nur für mich…

Ich finde das völlig verständlich und zwar verständlich im Sinne von inhaltlich ensprechend der Lehre des Daoismus verständlich.

Aber Daoismus ist aber kein begrifflicher Unsinn.

Ich will ja nun nich meckern, aber versuch doch wenigstens mal, das Konzept von … Sein am Nichts, Nichts am Sein etc. zu erfassen.

An Unsinn gibt es nichts zu erfassen…

Menno, ich wünschte ich könnte mich besser ausdrücken, so kann ich nur hoffen, dass dir ein Licht aufgeht…

Die Hoffnung wird kaum erfüllbar sein, daß mir da ein Licht aufgeht. Mit Der S-N-Dialektik bin ich erst seit mehreren Jahrzehnten auf gutem Fuß, im Daoismus, im Chan, im Heraklit, Parmenides und Platon (speziell in seinem „Parmenides“), dann in der Deutschen Mystik Eckhart bis Böhme, und endlich Hegel, der die Dialektik dieser Begriffe als solche formuliert hat. Allerdings ist die S-N-Dialektik vom Schwierigkeitsgrad 6 (wie bei Platon sichtbar) und es braucht ne Menge Fingerübungen vorher. Nicht die bekömmlichste Kost für diese Party hier. Und schließlich hab ich ja nicht ohne Grund erzählt, daß im Daoismus selbst ebenfalls seit 1400 Jahren darum gefightet wird.

無法 wu fa die „Nicht-Methode“, die in der
taoistischen Malerei und dann in der Zen-Malerei (vorzüglich
bei Shi Tao im 17. Jhdt) zum terminus technicus wurde.

(ja, aber wohl kaum auf Deutsch, oder ? :smile:)

Menno - Texte bestehen nicht aus einem einzelnen Wort, und insbesondere nicht Texte, deren Inhalt es ist, gerade diesen Grundbegriff zu behandeln.

Sag mal Metapher, was ist deine Quelle ???
fa heisst nicht nur „Methode“, es heisst vor allen Dingen
Gesetz, Vorbild, Norm, zum Vorbild Nehmen, dem Beispiel
folgen.

Schau mal beim Mathews Nr.1761 (a) nach !!

Also in der chin. Malerei heißt fa „Methode“, „Verfahren“ (der Strichführung, des Tuscheanrührens, der Bildkomposition, der Pigmentwahl). Was hindert Dich eigentlich, sowas einfach mal zu glauben, auch wenn Du selbst damit nicht vertraut bist?

Meine Quelle hierfür ist natürlich das Hua Pu des Shih-Tao (1630-1717). Näheres - nicht chinesisch - kannst du dazu auch vor allem in dem Klassiker „Zen and the Fine Arts“ von Hisamatsu erfahren.

wu fa in diesem Zusammenhang (Malerei) mit „Nicht-Methode“ zu übersetzen halte ich für…hm…naja…

Tja, das sind nun mal die „geheimnisse“ die man so im Daoismus findet… und wie sie ihre Ideen formulieren, das sollte man schon ihnen selbst überlassen… Oder willst du die chin. Geschichte neu schreiben?

Das Hua Pu ist eine Schrift über die Methode des Pinselauftrags und der Bildkomposition. Shih-Tao war ein daoistischer Mönch, der dann zum Chan gewechselt ist und im hohen Alter wieder zu den Daoisten zurückkehrte. Er hat eine Strichtechnik entwickelt, i hua"oneness of brushstrokes", die nur mit einer bestimmten (geistigen) Haltung möglich ist, die in dem Buch beschrieben ist und die er eben von dem daoistischen wu wei ableitet. Für die hatte er als Programm liao fa"Befreiung von Methode", und die Methode selbst nannte er eben „ohne-Methode“ wu fa. Er ist damit zum bekanntesten Maler dieser Periode geworden… Beschreiben kann ich es nicht, macht auch keinen Sinn. Ich hab 2 Jahre gebraucht, um mich durch den Text zu wühlen, bis dann 78 eine englische Übersetzung erschien (Coleman)…

Außerdem hatte Shih-Tao mit dem Hua Pu die bisher einzige adäquate ästhetische Theorie jener Malerei verfaßt, die in den 40er Jahren weltweit enstand, die in USA „action painting“ hieß, in D „Tachismus“, und für die Michel Tapié in Paris den bis heute bestehenden Namen „l’art informel“ fand, der eben dieselbe paradoxe Ausdrucksweise verwendet. Fast alle Richtungen des Informel beziehen sich auf Shih-Tao, besonders natürlich die Chinesen, von denen der Franzose Zao Wu Ki heute der bekannteste ist. Aber auch Bezier, Tobey, Matthieu, Michaux („ecriture automatique“) haben über den japanischen Zen aus dem Hua Po gelernt. Und wu fa bzw. i hua ist eh für das ganze Informel charakteristisch.

1942 hat Wulff das übernommen und Geldsetzer hat sich mit
seiner Übersetzung an Wulff orientiert.

Na dann les dir mal das Kapitel 1 von Geldsetzer im Vergleich
mit beispielsweise Yutang durch und vergleich das mal mit den
Schriftzeichen, ich finde, da ist klar wer inhaltlich das
Rennen macht (natürlich Geldsetzer :smile:)

Ich kenne die Texte, Marion, und den Lao Zi kann ich wirklich (fast) auswendig, deshalb schreib ich doch hier darüber :smile:

Wie gesagt, Wulff, an dem sich G. orientiert, hat nach der Richtung interpretiert, die in China bereits im 11. Jhdt alternative Lesarten versuchte. Sie haben in Kap 1 Z. 5 und 6 zwischen wu und ming bzw. you und ming eine Interpunktion angesetzt, um diese Lesart zu fixieren. Die ist dann von der Peking-Universität übernommen worden.

天下萬物生於有
有生於無
tien di wan wu sheng yu you
you sheng yu wu

Die korrektere Übersetzung wäre …
„Himmel (und) Erde (und) alle (= 10000) Dinge werden aus Sein hervorgebracht,
Sein wird aus Nichts hervorgebracht“

Ja, klar, aber wie kann es gleichzeitig heissen:
(1) Sein wird aus Nichts hervorgebracht, und
(2) Sein und Nichts (non-being) entstehen miteinander

(2) ist eben - wie gesagt - „schief“. S und N entstehen nicht mit einander, sondern „bringen sich gegenseitig hervor“. Darin ist „S wird aus N hervorgebracht“ enthalten. Die Umkehrung „N wird aus S hervorbegracht“ braucht im Kap. 40 nicht noch extra benannt zu werden, weil eh der Kreislauf schon vorausgesetzt ist.

Ich zitiere: „Nichts“ ist der Name für den Anfang von Himmel und Erde. „Sein“ ist der Name für die Mutter aller Dinge.

Also, zum x-ten mal: das kommt heraus, wenn man wu in 5 und you in 6 durch Interpunktion absetzt. Die originale Dao-Schule tut das nicht und liest wu ming „ohne Namen“ und you ming „mit Namen“. So die übliche Wiedergabe bei dieser Lesart. ming ist aber eher und besser durch „Begriff“ wiederzugeben… aber das geht mir jetzt zu weit…

JA, das passt sag ich.
Und jetzt les dir mal die Übersetzung des ersten Kapitels von
Yutang durch (ich erspar mir hier das zitieren *grusel*).

Das ist mir für die unendlichen Probleme einer Wiedergabe in einer eurpäischen Sprache etwas zu salopp gesagt von dir. Ich hab damals mhere Monate aufgewendet, um mich durch jede Zeile des Textes durchzukämpfen. Klarer wurde es dann erst, nachdem ich den Kuan Yin mit dazunahm.

L.Y. ist im Ggs. zu Geldsetzer wenigsten grammatikalisch richtig. Aber inhaltlich kann ich zu beidem nur „Unsinn“ sagen. Das kommt halt dabei raus, wenn die Übersetzer meinen, genau das, was die alte Sprache hier gezielt dunkel ausdrückt, vermischt mit ganz viel daoistischer Magie überdies, mit dem üblichen Verfahren „das muß das und das heißen, weil ich es mir nicht anders vorstellen kann“ wiedergeben zu müssen… das verkauft sich besser, weil jeder, der sich das mal am Samstag Abend als erbauliche sog. „Weisheits“-Lektüre reinzieht, sich dann ebenfalls irgendwas dazuphantasieren kann - und daher zu „verstehen“ meint. Sorry, aber ich kann es nicht anders sagen.

Aber bereits Ho Shang Gung im 2. Jhdt und der Konfuzianer Wang
Bi im 3. Jhdt haben sich in ihren Kommentaren an die damals
längs terminologisch gewordene Form „wu = ohne“ gehalten (bis
auf die Formen, in denen wu eindeutig „das Nichts“ heißt. Da
waren diese Ausdrücke längst durch Kuan Yin, Dschuang Zi, Lie
Zi und viele andere bedeutende Lehrmeister des T. zu
Grundbegriffen geworden…

Nun, keiner der Herren hat wu oder you ins Deutsche übersetzt,
davon gehe ich mal aus. Ausserdem wirst du dir selbst untreu.
wu fa müsste dann nämlich „ohne Methode“ heissen.

Menno, Marion, „Ohne-Methode“ und „Nicht-Methode“ dürfte in europäischen Sprachen synonym sein, nicht wahr. Suzuki gibt in seinem Kommentar zum Liu-Tzu Tan-Ching „wu hsin“ bzw. „wu nien“ auch als „no-mind“ wieder. Das ist völlig in Ordnung, weil die Inhalte dieser Schriften von Hui-Neng ja ausschließlich darüber handeln, wie diese Begriffe zu verstehen sind. Da ist es dann mit jedem Versuch Essig, mit dem Genitiv „… des Nichts“ zu dilettieren.

das ist auch MEIN Ansinnen an dich, nämlich inhaltlich zu argumentieren, und nicht ausschließlich linguistisch.

Von wem sind diese Bücher verfaßt worden? Doch wohl von denen, die die Lehrmeister dieser Schulen waren. Und die ganze Geschichte dieser Schulen bestand in der Interpretation dieser Sxhriften… Dadurch sind die Schulen ja erst entstanden. Das ist in indischen und griechischen und hebräischen und europäischen Kulturen nicht anders gewesen.

Außerdem muß man sich einmal klarmachen, daß die Sprachen geduldig sind: sie lassen grammatikalisch richtigen, aber „inhaltlichen“ Blödsinn zu. Es sind sprachliche Audrücke möglich, die keinem möglichen Gedanken entsprechen. Nicht alles, was sich mysteriös (und dadurch für viele attraktiv) anhört, ist auch wirklich Gedanke.

Außerdem war das Thema dieser Unterhaltung ja von vornherein ein „sprachliches“.

Und du wirst nicht daran vorbei kommen, dich mit den Nichts
auseinanderzusetzen, wenn du dich mit dem Daoismus oder gar
dem Zen beschäftigen willst *freundlich lächel*.

Sei gnädig und lass mir noch was Zeit - ich tus erst seit 40 Jahren :smile:)

Liebe Grüße
Metapher

„Philosophie hat sich davor zu hüten, erbaulich sein zu wollen“ (Hegel)

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Hallo :smile:

[„wu you“]

Ich selbst übersetze es anders.

wie denn ? *gespennat lausch*

Und - damit das Mißverständnis

ausgeräumt wird: ich bin kein Fan von Lin Yutang :smile: Ich
meinte lediglich, daß für jemand, der keine Möglichkeit hat,
sich jahrzehntelang ins ancient chinese einzuarbeiten, mit ihm
ganz gut bedient ist.

echt ? solche Leute gibts ?
neee…im Ernst, ich sagte ja schon unten an Thomas, dass ich Lin Yutang ja gar nicht so grottenschlecht finde, ich finde nur Geldsetzer besser und ich wette, Geldsetzer hat die übersetzung von Yutang gekannt.

Hier vergisst du meiner Meinung nach etwas wesentliches,
nämlich das ? das Pendant zu ? ist. wu bedeutet
für sich alleine genommen nämlich schon das Gegenteil von
haben, nur gibt es dafür im Deutschen leider kein Wort, also
behilft man sich im Deutsch mit „nicht haben“…

Ich habe es nicht vergessen, sondern gerade darauf
hingewiesen. wu heißt keineswegs „nicht haben“, sondern „ohne“
und (nach Mathews) „apart from“.

„ohne“ als Pendant zu „haben“ ?? („apart from“ ist m.E. grauslich) Soweit ich weiss, wäre das Pendant zu „ohne“ —> „mit“. Also ich befürchte, du musst entweder von „haben“ Abschied nehmen, oder von „ohne“ beides gleichzeitig geht meiner Meinung nicht, weil es nicht die entsprechenden Pendants sind…you get me now ?

Und in diesem Licht (der Pendants) beleuchtet, erscheint wu you meiner Meinung nach auch ganz anders, auch wenn du das nur für you wu gelten lassen möchtest. Im klassischen Chinesisch werden asyndetische Koordinationen (und darum handelt es sich hier imho) nach dem Ton angeordnet. in diesem fall (nach der vermutlich klassisch-chinesischen Lautung) greift die erste Regel: Ebenton vor Schiefton. (Ja ich weiss, nach modernem Chinesisch sind die Töne anders). Also wu und you als asyndetische Koordination „IMMER“ wu you.

Das wird auch immer brav eingehalten, bis auf EINE Stelle, nämlich der in Kapitel 2, die inhaltlich meiner Meinung nach mit Kapitel 40 kollidiert. Spannend, oder ? :smile:

?? wu you das „Ohne-Haben“ (im Chan/Zen das
Aufgeben des Haftens an Dingen und am Besitz und am
begrifflichen Eindeutigkeitswahn, der dazu führt, Widersprüche
nicht aushalten zu können usw.)

Nein, hier sehe ich einen Denkfehler.

Soso, siehst Du einen Denkfehler. Du, ich hab oben schlicht
das wu you kurzgefaßt wiedergegeben, wie es im Taoismus und
dann besonders im Chan als zentraler Begriff der Lehre
verwendet wird. Aber ich kann Dich nicht hindern, den Zen seit
Hui Neng als Denkfehler zu sehen…:smile: Meister Hakuin und der
Bi Yan Lu würden Dir darin sicher sogar Recht geben *lach*

*hihi* naja, schön wärs. Aber ich mein natürlich, dass ich einen Denkfehler in der Übersetzung sehe und nicht im Taoismus oder gar im Zen (Denken ist eh eine Illusion *gg*).

[ "Sein des

Nichts" heraus, oder „das Nichts am Sein“ ].

Ich will ja nun nich meckern, aber versuch doch wenigstens mal, das Konzept von … Sein am Nichts, Nichts am Sein etc. zu erfassen.

An Unsinn gibt es nichts zu erfassen…

*argh* METAPHER !! *rüttel*
Aber ok. Unsinn ist solange Unsinn, bis sich jemandem der Sinn erschließt und Sprache (Begriffe) ist ja hier nur das Vehikel, um den Sinn zu erschließen. Zur Not würde ich als Vehikel sogar eine Schlag mit dem Rohstock (auf den Tisch *g*) gelten lassen. Wieso du dieser speziellen Begrifflichkeit nicht folgen kannst, ist mir ein Rätsel.

Und selbst wenn… du wirst mir doch wohl zumindest zustimmen, dass „Ohne Haben“ als Subjekt in einem Satz ziemlich Banane klingt, also was bietest du denn da als Übersetzungsmöglichkeit an ?

Die Hoffnung wird kaum erfüllbar sein, daß mir da ein Licht
aufgeht. Mit Der S-N-Dialektik bin ich erst seit mehreren
Jahrzehnten auf gutem Fuß, im Daoismus, im Chan, im Heraklit,
Parmenides und Platon (speziell in seinem „Parmenides“), dann
in der Deutschen Mystik Eckhart bis Böhme, und endlich Hegel,
der die Dialektik dieser Begriffe als solche formuliert hat.
Allerdings ist die S-N-Dialektik vom Schwierigkeitsgrad 6 (wie
bei Platon sichtbar) und es braucht ne Menge Fingerübungen
vorher. Nicht die bekömmlichste Kost für diese Party hier. Und
schließlich hab ich ja nicht ohne Grund erzählt, daß im
Daoismus selbst ebenfalls seit 1400 Jahren darum gefightet
wird.

Ja bravo Metapher, dann solltest du doch eigentlich keine Schwierigkeiten haben, dem Sinn der Begrifflichkeit von Geldsetzer zu folgen, ich meine, wenn ich das schon kann, wo ich doch längst nicht so ne Leuchte bin… :smile:)

[wu fa die „Nicht-Methode“]

Sag mal Metapher, was ist deine Quelle ???
fa heisst nicht nur „Methode“, es heisst vor allen Dingen
Gesetz, Vorbild, Norm, zum Vorbild Nehmen, dem Beispiel
folgen.

Schau mal beim Mathews Nr.1761 (a) nach !!

leihst du mir deine Ausgabe ? :smile:)

Also in der chin. Malerei heißt fa „Methode“, „Verfahren“ (der
Strichführung, des Tuscheanrührens, der Bildkomposition, der
Pigmentwahl). Was hindert Dich eigentlich, sowas einfach mal
zu glauben, auch wenn Du selbst damit nicht vertraut bist?

Vielleicht die Tatsache, dass wir hier nicht im Religionsbrett sind ? :smile:

Meine Quelle hierfür ist natürlich das Hua Pu des Shih-Tao
(1630-1717). Näheres - nicht chinesisch - kannst du dazu auch
vor allem in dem Klassiker „Zen and the Fine Arts“ von
Hisamatsu erfahren.

ok, schick mir ne Kopie des Hua Pu und wir reden weiter :smile:

Tja, das sind nun mal die „geheimnisse“ die man so im Daoismus
findet… und wie sie ihre Ideen formulieren, das sollte man
schon ihnen selbst überlassen… Oder willst du die chin.
Geschichte neu schreiben?

Nö, aber die „Mystifizierung“ gehört meiner Meinung nach der Vergangenheit an. Mir erscheint es als ein Relikt aus der Zeit, als man annahm, je mysteriöser etwas klang, desto inhaltsschwerer müsse es auch sein.

Das Hua Pu ist eine Schrift über die Methode des
Pinselauftrags und der Bildkomposition. Shih-Tao war ein
daoistischer Mönch, der dann zum Chan gewechselt ist und im
hohen Alter wieder zu den Daoisten zurückkehrte. Er hat eine
Strichtechnik entwickelt, i hua"oneness of
brushstrokes", die nur mit einer bestimmten (geistigen)
Haltung möglich ist, die in dem Buch beschrieben ist und die
er eben von dem daoistischen wu wei ableitet. Für die
hatte er als Programm liao fa"Befreiung von Methode",
und die Methode selbst nannte er eben „ohne-Methode“ wu
fa
. Er ist damit zum bekanntesten Maler dieser Periode
geworden… Beschreiben kann ich es nicht, macht auch keinen
Sinn. Ich hab 2 Jahre gebraucht, um mich durch den Text zu
wühlen, bis dann 78 eine englische Übersetzung erschien
(Coleman)…

her damit…
ähm…ich meine…ich würde mich sehr freuen… :smile:

Ja, klar, aber wie kann es gleichzeitig heissen:
(1) Sein wird aus Nichts hervorgebracht, und
(2) Sein und Nichts (non-being) entstehen miteinander

(2) ist eben - wie gesagt - „schief“. S und N entstehen nicht
mit einander, sondern „bringen sich gegenseitig hervor“.
Darin ist „S wird aus N hervorgebracht“ enthalten. Die
Umkehrung „N wird aus S hervorbegracht“ braucht im Kap. 40
nicht noch extra benannt zu werden, weil eh der Kreislauf
schon vorausgesetzt ist.

ok, akzeptiert, aber warum muss dann "Sein wird aus Nichts hervorgebracht nochmal extra benannt werden ?. Warum bleibt man nicht konsequent bei (2) ?

Also, zum x-ten mal: das kommt heraus, wenn man wu in 5 und
you in 6 durch Interpunktion absetzt. Die originale Dao-Schule
tut das nicht und liest wu ming „ohne Namen“ und you ming „mit
Namen“. So die übliche Wiedergabe bei dieser Lesart. ming ist
aber eher und besser durch „Begriff“ wiederzugeben… aber
das geht mir jetzt zu weit…

nene, schon ok, ich bin bei dir :smile:

JA, das passt sag ich.
Und jetzt les dir mal die Übersetzung des ersten Kapitels von
Yutang durch (ich erspar mir hier das zitieren *grusel*).

Das ist mir für die unendlichen Probleme einer Wiedergabe in
einer eurpäischen Sprache etwas zu salopp gesagt von dir. Ich
hab damals mhere Monate aufgewendet, um mich durch jede Zeile
des Textes durchzukämpfen. Klarer wurde es dann erst, nachdem
ich den Kuan Yin mit dazunahm.

Was aber nichts daran ändert, dass die Übersetzung des ersten Kapitels von Yutang trotzdem zum Gruseln ist :smile:

L.Y. ist im Ggs. zu Geldsetzer wenigsten grammatikalisch
richtig. Aber inhaltlich kann ich zu beidem nur „Unsinn“
sagen. Das kommt halt dabei raus, wenn die Übersetzer meinen,
genau das, was die alte Sprache hier gezielt dunkel ausdrückt,
vermischt mit ganz viel daoistischer Magie überdies, mit dem
üblichen Verfahren „das muß das und das heißen, weil ich es
mir nicht anders vorstellen kann“ wiedergeben zu müssen… das
verkauft sich besser, weil jeder, der sich das mal am Samstag
Abend als erbauliche sog. „Weisheits“-Lektüre reinzieht, sich
dann ebenfalls irgendwas dazuphantasieren kann - und
daher zu „verstehen“ meint. Sorry, aber ich kann es
nicht anders sagen.

Warum sorry, hast du doch sehr gut gesagt. Endlich sind wir mal einer Meinung…zumindest in Bezug auf L.Y. *lach*

Nun, keiner der Herren hat wu oder you ins Deutsche übersetzt,
davon gehe ich mal aus. Ausserdem wirst du dir selbst untreu.
wu fa müsste dann nämlich „ohne Methode“ heissen.

Menno, Marion, „Ohne-Methode“ und „Nicht-Methode“ dürfte in
europäischen Sprachen synonym sein, nicht wahr. Suzuki gibt in
seinem Kommentar zum Liu-Tzu Tan-Ching „wu hsin“ bzw. „wu
nien“ auch als „no-mind“ wieder. Das ist völlig in Ordnung,
weil die Inhalte dieser Schriften von Hui-Neng ja
ausschließlich darüber handeln, wie diese Begriffe zu
verstehen sind. Da ist es dann mit jedem Versuch Essig, mit
dem Genitiv „… des Nichts“ zu dilettieren.

äh…

das ist auch MEIN Ansinnen an dich, nämlich inhaltlich zu argumentieren, und nicht ausschließlich linguistisch.

Von wem sind diese Bücher verfaßt worden? Doch wohl von denen,
die die Lehrmeister dieser Schulen waren. Und die ganze
Geschichte dieser Schulen bestand in der Interpretation dieser
Sxhriften… Dadurch sind die Schulen ja erst entstanden. Das
ist in indischen und griechischen und hebräischen und
europäischen Kulturen nicht anders gewesen.

Außerdem muß man sich einmal klarmachen, daß die Sprachen
geduldig sind: sie lassen grammatikalisch richtigen, aber
„inhaltlichen“ Blödsinn zu. Es sind sprachliche Audrücke
möglich, die keinem möglichen Gedanken entsprechen.
Nicht alles, was sich mysteriös (und dadurch für viele
attraktiv) anhört, ist auch wirklich Gedanke.

Außerdem war das Thema dieser Unterhaltung ja von vornherein
ein „sprachliches“.

Nein, nicht wirklich. Zwischen mit Sprache rumschludern und übersetzerischer Freiheit, um den Sinn besser zu transportieren, ist IMHO doch ein gewaltiger Unterschied. Ich denke, da sind wir uns doch eh einig.

Und du wirst nicht daran vorbei kommen, dich mit den Nichts

auseinanderzusetzen, wenn du dich mit dem Daoismus oder gar
dem Zen beschäftigen willst *freundlich lächel*.

Sei gnädig und lass mir noch was Zeit - ich tus erst seit 40
Jahren :smile:)

*ein paar Lockenwickler für deinen langen Bart rüberreich*
Klemm dir ja nichts ein :smile:

*bussi*
Marion

Weg-Weiser
Hi pendragon

wer hätte gedacht, als wir diesen Dialog anfingen, daß wir über eine Denkweise (bzw. über eines der ältesten „fundamentalen“ = grundlegenden Lehrbücher) sprachen, die angesichts der aktuellen internationalen Hilflosigkeit (politisch und psychologisch) mitten hinein in einen unendlichen Vorrat an „Weg“-Weisern für besonnenes politisches Handeln führt…

Aber es gehört wohl zur unendlichen Ironie der Politikgeschichte, daß der Lao Zi niemals die Oberfläche aktueller Zeitgeschichte erreichte.

Die Ereignisse der letzten Woche ließen auch bei mir wegen anderer Handlungsnotwendigkeiten wenig Spielraum zum antworten. Das betrifft auch unseren Austausch in Psychologie-Brett über Selbstbilder bzw. Persönlichkeit…

Vielleicht findet sich ja auch hier eine Möglichkeit, das Thema nochmal aktuell auferstehen zu lassen… Eine Antwort auf Dein letztes Posting will ich Dir jedenfalls nicht schuldig bleiben… nur vorläufig…

Auf bald

Liebe Grüße
Metapher