Hallo!
Mich würde interessieren, weshalb die „Kopernikanische Revolution“, als ursprünglich bloßer Paradigmenwechesel (wenn überhaupt, den Heliozentrismus gab es ja bereits) in der Astronomie zur zentralen Metapher für erkenntnistheoretische Vorgänge wurde.
War denn tatsächlich Kant der erste, der (in der zweiten Vorrede zur Kritik der reinen Vernunft) die „Kopernikanische Revolution“ für erkenntnistheoretische Vorgänge benutzte, oder gab es Vorläufer, die schon vor Kant aus Kopernikus’ Schrift über die Revolution (der Himmelskreise; De Revolutionibus Orbium Coelestium) eine Revolutionsschrift machten?
Dann die Zuspitzung bei z.B. Freud (die Kopernikanische Revolution als eine der drei Kränkungen des Menschen) oder Kuhn (die Kopernikanische Revolution als allgemeines Muster einer jeden wissenschaftlichen Revolution) oder beim Husserl der 30er Jahre, von dem es ein Fragment gibt, das den Titel trägt: Umsturz der kopernikanischen Lehre: die Erde als Ur-Arche bewegt sich nicht, womit er auf maximal zugespitzte Weise verdeutlicht, dass der Begriff „Kopernikus“ in der Philosophie längst nicht mehr für Astronomisches steht, sondern für Erkenntnistheoretisches (und Anthropologisches) - und als solches auch widerlegt und bekämpft werden muss.
Wie kann man sich diese extreme Zuspitzung erklären?
Welche Rolle spielt für diese Metaphorisierung/Verschiebung des Revolutions- und des Kopernikusbegriffs von der Astronomie zur Erkenntnistheorie die parallel dazu verlaufende Metaphorisierung/Verschiebung des astronomischen Revolutionsbegriffs für politische Ereignisse?
Letzteres wird by the way beim russischen Linguisten Nikolay Yakovlevich Marr maximal zugespitzt als er die „Kopernikanische Revolution“ mit der Russischen Revolution verband (Sprache als Überbau der Ökonomie, welcher den ökonomischen und politischen Ereignissen nachhängt; die Proletarier brauchen eine neue szientifische Sprache ohne reaktionäre Wendungen wie „die Sonne geht im Osten auf“)
Vielen Dank für eure Anregungen
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