Die Linke /Silencing der Betroffenen/ Silencing? Gibt es so was?

Hallo!

habt ihr das englische Wort in diesem Zusammenhang gesehen oder gehört? Was der Anglizismus mit der Sprache anstellt?

Grüße

Doch anstatt im Gremium auf
Verständnis und den Willen zur
Aufklärung wie Veränderung
zu treffen, reagierte der Großteil
des Landesvorstands mit
Täter-Opfer-Umkehr sowie dem
Silencing der Betroffenen.«

Ja. Mir ist auch schon aufgefallen, dass gersde in linken Kreisen gerne mit Anglizismen um sich geworfen wird. Zumindest auf Twitter :stuck_out_tongue_winking_eye:

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Ich frage dann immer nach der genauen Übersetzung und wenn die geliefert wird, warum in Deutschland nicht das einfache Wort „Stillschweigen“ verwendet wird.

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Im vorliegenden Text

ist damit allerdings nicht Stillschweigen gemeint (da würden die Betroffenen von sich aus schweigen), sondern das Zum-Schweigen-Bringen.
Siehe auch https://dictionary.cambridge.org/de/worterbuch/englisch/silencing,

Gruß
Kreszenz

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Ich war bisher immer der Meinung, dass man auch jemanden zum Stillschweigen bringen kann.

Das zeigt sich auch in so (zugegebenermaßen) altertümlichen Formulierungen wie „schweig still“.

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Kann man; aber im gegebenen Kontext ergäbe der Satz

" … reagierte der Großteil des Landesvorstands mit Täter-Opfer-Umkehr sowie dem Stillschweigen der Betroffenen"

für mich keinen erkennbaren Sinn.

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Bingo - da hast Du Recht.

Wiedermal ein haarsträubender verbaler Missgriff eines Autors. Man könnte auch argwöhnen: Ein ignorant deplatzierter Fachbegriff. In der Kriminalpsychologie und in psychotherapeutischen Kontexten von (vor allem sexuellen) Übergriffen, besonders von Vergewaltigung, gibt es den Terminus „self-silencing“ (kurz auch einfach „silencing“). Damit ist gemeint, daß Vergewaltigungsopfer oft über das Erlebte schweigen: D.h. die Tat anderen gegenüber nicht zur Sprache bringen (also z.B. auch nicht Anzeige erstatten), aber insbesondere auch „sich selbst diesbezüglich zum Schweigen bringen“. Psychoanalytisch ausgedrückt fällt das unter den → Abwehrmechanismus „Verdrängung“.

Da man dem Ausdruck „der Betroffenen“ nicht ansehen kann, ob es ein Genitivus objektivus oder subjektivus sein soll, könnte man wohlwollend unterstellen, daß der Autor den subjektivus meinte. Dann hätte er aber schreiben müssen „Silencing seitens der Betroffenen“, um Missverständnisse zu vermeiden. Alternativ „Self-Silencing der Betroffenen“.

Sollte er aber tatsächlich den Gen. objektivus gemeint haben, also „das Zum-Schweigen-Bringen der Betroffenen“ (= „die Betroffenen mundtot machen“), dann wäre hier das Wort „Silencing“ ein geradezu unverschämter Missbrauch eines in diesem Kontext eindeutigen Fachterminus mit völlig entgegengesetztem Wortsinn.

Da er, der Autoir, den Ausdruck mit „sowie“ aber mit „Täter-Opfer-Umkehr“ paralleisiert, ist letzteres tatsöchlich anzunehmen. Shame on him! Vor allem, weil er seinen missverständlichen Ausdruck gerade in diesem überaus brisanten Kontext nicht bemerkte.

Gruß
Metapher

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Hallo!

Den ganzen Text habe ich unten kopiert. Ob das im Forum in Ordnung ist, den ganzen Text zu zitieren?

Anglizismen?

Grüße

#MeToo-Fall bei den
Linken in NRW
SEXISMUS Zwei Vorstandsmitglieder
der Linken in NRW
haben ihre Posten abgegeben,
nachdem sie Vorwürfe wegen
sexueller Übergriffe erhoben
hatten. In einer Erklärung, die
intern verschickt wurde, werfen
sie der Parteiführung Untätigkeit
vor: »Innerhalb des Landesvorstandes
kam es von Seiten
eines hochrangigen Mitglieds zu
Sexismus und Übergriffen.
Doch anstatt im Gremium auf
Verständnis und den Willen zur
Aufklärung wie Veränderung
zu treffen, reagierte der Großteil
des Landesvorstands mit
Täter-Opfer-Umkehr sowie dem
Silencing der Betroffenen.« In
einer weiteren Mail wird Vorstandsmitgliedern
vorgeworfen,
Falschbehauptungen zu der Betroffenen
zu verbreiten und den
mutmaßlichen Täter zu schützen:
»Seine Jungs waren natürlich
gleich zur Stelle, um ihn zu
decken.« In einer Antwort darauf
fordert die Vizevorsitzende
Ulrike Eifl er, den Fall unter der
Decke zu halten. Sie gehe davon
aus, die Mail der Zurückgetretenen
werde »keiner Strömung
und erst recht nicht der
Presse zugespielt«. Die Anwälte
des Beschuldigten wiesen die
Vorwürfe zurück: »Es gibt keine
#MeToo-Vorfälle bei der nordrhein-
westfälischen Linken.«
Die Expertenkommission der
Bundespartei soll den Fall jetzt
untersuchen. TIL

Ok, dann ist das kein Fauxpas des berichterstattenden Journalisten, Es ist ja der Text der zwei Vorstandsmitglieder, die den Vorwurf erheben. Angesichts des mutmaßlichen brisanten Sachverhaltes ist es jedoch nicht mißverständlich. Es hätte jedoch besser heißen müssen „sowie dem Mundtodmachen der betroffenen Person“.

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