DIe Marquise von O... --> Schopenhauer

Hallo!

Ich plane gerade meine Präsentation über die Marquise von O… von Heinrich von Kleist. In der Erzählung geht es um eine junge verwitwete Frau, die Marquise, die plötzlich merkt, dass sie schwanger ist, ohne dass sie sich bewusst ist, mit jemandem geschlafen zu haben. Es stellt sich dann heraus, dass ein Offizier, der sie im Krieg vor Soldaten gerettet hat, mit ihr geschlafen hat, während sie wohl ohnmächtig war. Allerdings gibt es im Text immer wieder Hinweise darauf, dass die Marquise mehr mitbekommen hat, als sie sich eingestehen will, weil es ja nicht schicklich ist, mit einem Mann zu schlafen, mit dem man nicht verheiratet ist. Kleist selbst hat gesagt, sie hielt sich nur die Augen zu.
Meine Frage:
Ein Zitat von Schopenhauer lautet ja:
was dem Herzen widerstrebt lässt der Kopf nicht ein

Passt das zu der Situation? Ich bin mir irgendwie unsicher… Widerstrebt es denn ihrem Herzen anzuerkennen, dass sie sich doch noch nach männlicher Liebe sehnt, und deshalb die „Vergewaltigung“ zugelassen hat? Oder ist es nicht eher ihr Kopf, ihr Anstand, der ihr das sagt? Und die Verdrängungsmechanismen, dass sie ihr eigenes Verhalten nicht wahrhaben will, findet das im Kopf statt („lässt der KOPF nicht ein“). Passiert das nicht eher in der Bauchgegend??

Liebe Grüße und danke für eure Antworten!
LC

Hallo LC,

da hatte nun Schopenhauer Recht mit seinem Aphorismus.

Ich würde an deiner Stelle die Novelle noch mal genauer lesen und noch mal und noch mal - dann geht dir evtl. ein Licht auf.

Es hat auch alles nichts mit Konventionen zu tun - damals hielt man sich genauso wenig an Konventionen wie heute - da schlief jeder mit dem er wollte, gerade als verheiratete Frau war das weniger problematisch.

Es geht hier auch nicht um Verdrängung - kleiner Tipp von mir - sondern um Rache.

Do.

Du verwirrst mich… Nun habe ich zehn Bücher in der Uni zum Thema Verdrängung bei Kleists Marquise von O… gelesen, und Du sagst mir jetzt, dass das alles Quatsch sei :smiley:

Tut mir leid, ich glaube von selbst komme ich auf keine geistreichere Idee als die werten Herren Literaturprofessoren…
magst Du mir vielleicht ein wenig auf die Sprünge helfen…? Ich glaube nämlich, Dein Ansatz könnte recht spannend sein.

Liebe Grüße!

LC

Du verwirrst mich… Nun habe ich zehn Bücher in der Uni zum
Thema Verdrängung bei Kleists Marquise von O… gelesen, und
Du sagst mir jetzt, dass das alles Quatsch sei :smiley:

Damit hast du dich ja bereits festgelegt. Aber die Verdrängung liegt ja eher auf Seiten des damaligen Publikums, die der Sache nicht ins Gesicht sehen wollten, die Kleist thematisiert hatte - Begehren, Gewalt, Liebe, Sicherheit - und die Polarität des Geschlechter.

Tut mir leid, ich glaube von selbst komme ich auf keine
geistreichere Idee als die werten Herren
Literaturprofessoren…
magst Du mir vielleicht ein wenig auf die Sprünge helfen…?
Ich glaube nämlich, Dein Ansatz könnte recht spannend sein.

Ich weiß jetzt nicht welche Professoren du da so im Blick hast - aber diese liefern ja lediglich einen Hintergrund zur Diskussion. Zunächst muss man seiner Intuition bezüglich der Novelle selbst nachgehen und die ist ja auch immer zeitbedingt gefärbt - diese Einschätzung. Und dann lesen Männer und Frauen das auch unterschiedlich.
Also: welche Wirkung hat die Novelle auf dich? Und dann fragt man, ob und wie das mit der Lehrmeinung zusammenpasst und wo die Abweichungen sind, was dann alles sauber begründet werden muss.

Hier habe ich was im Netz gefunden, das recht differenziert ist:
http://www.kleist.org/textarchiv/Skrotzki,DitmarKlei…

Aber es ging ja um das Schopenhauer Zitat - ich modifiziere das mal: wenn das Herz blind ist, dann kann der Kopf auch nicht sehen/erkennen (wollen)- . Das Problem ist dann, dass man das bei sich selbst verdrängte nicht selbst entdecken kann, sondern es muss gespiegelt werden durch den anderen.

Ich hoffe dir geholfen zu haben.

Do.

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Auf mich wirkt die Novelle leider so, dass ich der Marquise glaube, dass sie nichts mitbekommen hat… Mir scheint das logisch, wieso sollte sie sonst die Annonce in die Zeitung setzen, doch wohl nicht nur, um gut dazustehen. Und sie scheint mir auch aufrichtig überrascht, als der Graf dann auftaucht und sich herausstellt, dass er der Vater ihres Kindes ist.
Andererseits stimmt es schon, dass die zwei eigenartig miteinander umgehen, als er sie auf dem Landgut besucht und sie sagt sie „will nichts wissen“… Doch es scheint mir übertrieben zu behaupten, sie hätte sich bewusst für eine Liaison mit dem Grafen entschieden. Und ich glaube auch nicht, dass wenn das der Fall wäre, dass der Graf dann solch ein unsicheres, verschämtes Auftreten an den Tag legen würde… Außerdem wäre es doch dann eine dreiste Irreführung Kleists, wenn er schon gleich in der Einleitung als unumtößliches Faktum angibt, dass die Marquise ohne ihr Wissen in andere Umstände kam.

Ich finde einfach keine Antwort darauf… die Bücher sagen mehrheitlich, dass die Marquise „wissentlich empfangen“ habe, wie sie es auch selbst der Hebamme gesteht, aber ich denke, dass könnte auch nur ein Mittel sein, damit diese sie nicht für verrückt hält…

Vielleicht weiß ja einer von euch, oder Du DO, mehr über das Bewusstsein der Marquise… ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass sie so scheinheilig handeln sollte…

Im Übrigen habe ich mit deinem Link schon gearbeitet :smile: Aber danke, er ist wirklich gut und sehr tiefgehend.

LC

Auf mich wirkt die Novelle leider so, dass ich der Marquise
glaube, dass sie nichts mitbekommen hat…

Das solltest du aus dem Text nachweisen.

Mir scheint das logisch, wieso sollte sie sonst die Annonce in die Zeitung
setzen, doch wohl nicht nur, um gut dazustehen.

Um den Vater des Kindes zu finden - entweder den richtigen oder einen, der ihr Kind als Vater annimmt. Sie schreibt ja -

daß sie, ohne ihr Wissen, in andre Umstände gekommen sei, daß der Vater zu dem :Kinde, das sie gebären würde, sich melden solle; und daß sie, aus :Familienrücksichten, entschlossen wäre, ihn zu heiraten.

Sie weiß also, dass es jemanden gibt, der auch wissen muss, was vorgefallen war. Und zwar unabhängig davon, ob sie bei Sinnen war oder nicht. Der Mann jedenfalls kann sie nur bewusst geschwängert haben :smile:
Und da ist das schon äußerst ungewöhnlich, dass sie so eine Anzeige aufgibt.

Dann erzählt Kleist was sich so zugetragen hatte und wie sie von einer Vergewaltung gerettet worden ist, (ihr Held)

Der Marquise schien er ein Engel des Himmels zu sein.
… bot dann der Dame, unter einer verbindlichen, französischen Anrede den :Arm, und führte sie, die von allen solchen Auftritten sprachlos war, in den :anderen, von der Flamme noch nicht ergriffenen, Flügel des Palastes, wo sie :auch völlig bewußtlos niedersank. Hier – traf er, da bald darauf ihre :erschrockenen Frauen erschienen, Anstalten, einen Arzt zu rufen; versicherte, :indem er sich den Hut aufsetzte, daß sie sich bald erholen würde; und kehrte in :den Kampf zurück.

Da ist zwischen dem Hier ein bedeutsamer Gedankenstrich - außerdem versicherte er, dass sie sich bald erholen würde - och ja? Klar, sie wird ja nicht platt wie eine Flunder da gelegen haben :smile:)

Und sie
scheint mir auch aufrichtig überrascht, als der Graf dann
auftaucht und sich herausstellt, dass er der Vater ihres
Kindes ist.

Ja, das waren wohl alle - überrascht, weil sie ja dachten, er sei tot. Und außerdem hatte der Vater der Marquise eine sehr hohe Meinung von dem Grafen und naja - und dann so was. Aber er wollte es ja wieder gut machen. Dann aber fing die Marquise an rum zu zicken, weil sie ihren Preis hoch treiben wollte. Jetzt wusste sie ja, dass der Graf sie heiraten wollte.

Andererseits stimmt es schon, dass die zwei eigenartig
miteinander umgehen, als er sie auf dem Landgut besucht und
sie sagt sie „will nichts wissen“… Doch es scheint mir
übertrieben zu behaupten, sie hätte sich bewusst für eine
Liaison mit dem Grafen entschieden. Und ich glaube auch nicht,
dass wenn das der Fall wäre, dass der Graf dann solch ein
unsicheres, verschämtes Auftreten an den Tag legen würde…

Die Marquise hat sich nicht bewusst in ihren Retter verknallt, das ist passiert. Wie eben auch der Geschlechtsakt aus dem Augenblick heraus - ein one-„night“-stand sozusagen. Und nun stellt sich heraus, dass er sie liebt und sie ihn liebt und da zickt sie eben rum.

Außerdem wäre es doch dann eine dreiste Irreführung Kleists,
wenn er schon gleich in der Einleitung als unumtößliches
Faktum angibt, dass die Marquise ohne ihr Wissen in andere
Umstände kam.

Die Marquise behauptet in der Anzeige, in der sie den Vater des Kindes sucht, sie wüsste nicht wer es sei - das ist die ganze „Bewusstlosigkeit“ - natürlich weiß sie wer es ist - aber der soll ja tot sein, und so sucht sie ihn mit der Anzeige, vielleicht glaubt sie nicht, dass er tot ist. Ich müsste da noch mal diesen Gedanken nachlesen.
Soll ich dir die Arbeit schreiben? Und auch gleich die Aufklärung dazu?

Ich finde einfach keine Antwort darauf… die Bücher sagen
mehrheitlich, dass die Marquise „wissentlich empfangen“ habe,
wie sie es auch selbst der Hebamme gesteht, aber ich denke,
dass könnte auch nur ein Mittel sein, damit diese sie nicht
für verrückt hält…

Tja.

Vielleicht weiß ja einer von euch, oder Du DO, mehr über das
Bewusstsein der Marquise… ich kann mir einfach nicht
vorstellen, dass sie so scheinheilig handeln sollte…

Wieso scheinheilig? Sie war doch ganz rational und berechnend, ja gerissen.

Im Übrigen habe ich mit deinem Link schon gearbeitet :smile: Aber
danke, er ist wirklich gut und sehr tiefgehend.

Ich habe hier noch einen link, indem die Vaterproblematik diskutiert wird - was auch in der Novelle thematisiert wird.

http://genderini.files.wordpress.com/2009/01/marquis…

Ich finde im übrigen Kleist absolut klasse. Das ist auch der einzige Grund für meine Beiträge hier.

Viel Erfolg.

Do.