Thymos, gemeint als Empörung, Zorn, Wut, soll Aggressionen wecken in der politischen Philosophie für die AfD. Was hat das mit der Debatte zu tun, über Rationalität und Irrationalität und Nietzsche?
Damit man sich von den verwendeten Begriffe auch einmal distanziert bzw. die Begriffe „Rationalität und Irrationalität“ nicht nur klischeehaft im politischen Kampf gebraucht, kann man mal darüber reflektieren, wie man Rationalität und Irrationalität auch mal ohne die politische Sprache verstehen kann.
Was wäre über Rationalität und Irrationalität nach Nietzsche zu sagen? Ich versuche, das Phänomen der politischen Kämpfe so zu formulieren, dass ihm kein Philosoph, egal welcher Art, widersprechen kann, so hoffe ich. Einschließlich der Relativisten und Skeptikern, die man mit bloßer Logik nicht überzeugt.
Bevor ich zum Kern meiner Argumentation komme, will ich auf einen Begriff in der politischen Philosophie des Aristoteles hinweisen: Zoon politikon. Darunter verstehe ich, dass jeder Mensch ein Politiker in eigener Sache ist, wenn er seine Bedürfnisse innerhalb einer sozialen Gemeinschaft zu befriedigen sucht. Hierin, so behaupte ich, ist ein Professor, der was über Erkenntnistheorie lehrt, zwar in der sozial besseren Position als andere, aber in ihrer existenziellen Rationalität wollen alle Menschen dasselbe, auch wenn ihre Sprache ganz verschiedene Sprachstile und Strategien aufweist: alle wollen überleben.
Und da kaum ein Mensch alleine überleben könnte in einer Welt, deren gesellschaftliche Grundlage die Kommunikation heute mehr denn je zuvor ist, gibt es unterschiedliche Interessen, mit einer unterschiedlich benutzten Sprache. Die „ultrarechte“ Sprache der AfD wird ja deshalb von politisch Andersdenkenden so massiv bekämpft, weil sie eine andere (anti-demokratische?) Gesinnung ausdrückt, wie sie nach der Aufklärung sich bis heute im „alten Europa“ durchsetzen konnte. Aber doch auch nur, weil die Amis mit in den Krieg eingriffen.
Sprache ist die Oberfläche der Politik, welche die Absicht verfolgt, die „Instinkte“ (Nietzsche) des Überlebens und des gesellschaftlichen Einflusses zu verfolgen, wobei die Therapie nach der australischen Philosophin Vanessa Lemm, Professorin für Philosophie an der Universität von Sydney, darin liegt (als Nietzsche-Interpretin), sich selbst als animalisches Wesen zu erkennen, das die Rationalität der Macht benötigt, um zu überleben.
Zitate nach der australischen Gegenwartsphilosophin Vanessa Lemm:
„Für Nietzsche hängt die Zukunft der Menschheit in entscheidender Weise von der Fähigkeit des Menschen ab, sich selbst noch einmal mit dem Traumleben des Tieres zu verbinden, da nur letzteres dem Menschen die Freiheit und Kreativität der Interpretation zurückgeben kann, die ihm im Zivilisations- und Sozialisationsprozess abhanden gekommen ist. In diesem Sinne ist Nietzsches Ansatz mit demjenigen Freuds vergleichbar, da beide nicht nur bestreiten, dass die Vernünftigkeit (Rationalität) im Zentrum des psychischen Lebens liegt, sondern auch im Traumzustand die Auflösung von Zivilisation und Bewusstsein sehen und darüber hinaus diese Auflösung als wesentlich für die zukünftige Steigerung des menschlichen Lebens und der menschlichen Kultur betrachten.“ (Vanessa Lemm verweist auf Freuds Werk „Das Unbehagen in der Kultur“ - mein Zitat bezieht sich auf das Werk „Nietzsches Philosophie des Tieres - Kultur, Politik und die Animalität des Menschen“, Zürich 2012).
Ich widerspreche dieser Nietzsche-Interpretation von Vanessa Lemm, denn ich bin überzeugt, dass die Zeit nie zurück fließt, sondern immer nur vorwärts fließt. Evolution geht also meines Erachtens nicht zum Tier zurück, sondern in der Realität vorwärts zum „Übermensch“. Diese kulturelle Zukunftsvision nach Nietzsche ist aber mit der AfD ganz sicher nicht zu verwirklichen.
Hingegen bin ich immer letztlich mein eigener Politiker, der in seinem eigenem Interesse handelt, unabhängig von dem üblichen Politik-Hickhack.
Existo