Die Stimme als Persönlichkeitsfaktor

Welche Bedeutung hat die Stimme eines Menschen für seine Wirkung auf andere Menschen? Es gibt dazu eine Reihe von Untersuchungen mit interessanten Befunden. Um für die Frage zu sensibilisieren, gibt es keinen besseren Einstieg als das Thema ´Synchronstimmen im Film´, also zunächst ein paar Takte dazu.

(wem der Film-Teil zu lang ist, der/die kann gleich zum psychologischen Teil ganz unten unter den drei Kreuzchen skippen)

Die deutsche Filmsynchronisation gilt in Fachkreisen und meiner Meinung nach völlig zu Recht als die beste der Welt. Zu den bekanntesten männlichen Sprechern zählen Manfred Lehmann (u.a. Bruce Willis, Gerard Depardieu, Kurt Russell), Tobias Meister (u.a. Brad Pitt, Kiefer Sutherland, Jack Black), Thomas Danneberg (u.a. Arnold Schwarzenegger, Sylvester Stallone, John Travolta), David Nathan (u.a. Johnny Depp, Christian Bale), Dietmar Wunder (u.a. Daniel Craig, Adam Sandler), Benjamin Völz (u.a. Keanu Reeves, Charlie Sheen), Hubertus Bengsch (u.a. Richard Gere, William Petersen) und Martin Keßler (u.a. Vin Diesel, Nicholas Cage). Aus irgendwelchen Gründen sind weibliche Synchronstimmen nicht so charakteristisch wie männliche, weshalb nur wenige herausragende Beispiele genannt werden können, vor allem Claudia Urbschat-Mingues (u.a. Angelina Jolie, Rachel Weisz), Petra Barthel (u.a. Nicole Kidman, Uma Thurman, Bridget Fonda) und Franziska Pigulla (u.a. Demi Moore, Gillian Anderson).

Ein Vergleich mit den Originalstimmen der Schauspieler zeigt in vielen Fällen gravierende Unterschiede in Ausdruck und Stimmhöhe. Ein besonders auffälliges Beispiel ist die sensible und relativ hohe Stimme von Tobias Meister im Kontrast zu den kraftvoll-tiefen Stimmen der von ihm synchronisierten Schauspieler Brad Pitt und Kiefer Sutherland, wie sie für amerikanischer Männer typisch sind. Auch bei den anderen oben erwähnten Sprechern weichen Original- und Synchronstimmen mehr oder weniger erheblich ab, vor allem im Ausdruck. Der Vergleich zeigt außerdem, dass die verschiedenen Stimmen eine Auswirkung auf die Ausstrahlung der Filmfigur haben, d.h. die Persönlichkeit der Figur erhält durch die Synchronisation eine Facette, die sie mit der Originalstimme nicht hat. Oder andersherum: Eine interessante Facette der synchronisierten Figur geht verloren, wenn die Originalstimme zu hören ist.

Nicht weniger auffällige Kontraste ergeben sich, wenn ein- und derselbe Schauspieler mit verschiedenen Sprecher synchronisiert wird, was zu deutlichen Veränderungen seiner filmischen Ausstrahlung führt. Ein gutes Beispiel ist Tony Shalhoub mit unterschiedlichen Stimmen in ´13 Geister´ und in der ´Monk-Serie, wo ihn Bodo Wolf synchronisiert, der aus den Jigsaw in ´Saw´ spricht („Ich möchte ein Spiel spielen“).

Ein besonders interessantes Beispiel bietet der Wirbel um die Johnny-Depp-Synchronisation in ´Pirates of the Caribbean 4´. Der Depp-Synchronsprecher der ersten 3 Filme ist Marcus Off (auch Simon Baker in ´The Mentalist´), der vor dem Dreh zum vierten Teil den Produzenten ´Disney´ auf das Zehnfache (180.000 Dollar) der ursprünglich vereinbaren Gage (18.000 Dollar) verklagte mit der Begründung, der kommerzielle Erfolg der Filmreihe sei viel größer als erwartet und rechtfertige eine Gagenerhöhung an Anbetracht des wichtigen künstlerischen Beitrags, der er als Depp/Sparrow-Sprecher geleistet hat. ´Disney´ weigerte sich trotz der 62 Millionen Dollar, die es allein auf dem deutschen Kinomarkt mit ´Pirates 4´ gemacht hatte (weltweit über 800 Mio), auf Offs Forderung einzugehen mit der absurden Begründung, eine Synchronstimme habe keinen künstlerischen Wert und sei noch unwichtiger als die Stimme eines Nachrichtensprechers. Ein Gericht gab Off dann doch Recht, aber nur wegen des Filmerfolgs auf dem DVD-Sektor. Als Teil 4 wegen des sich hinziehenden Prozesses mit einem anderen Synchronsprecher, David Nathan (Depps Standardsprecher), synchronisiert wurde, liefen die Fans der Filmreihe online Sturm und forderten Marcus Off zurück, was juristisch aber nicht möglich war. Was die Fans ärgerte, war die ihren Ohren mangelnde Eignung von Nathans Stimme, den ironischen Charakter von Jack Sparrow so überzeugend zu vermitteln wie Offs feine Stimme.

Hieraus ersieht man, wie wichtig eine (Synchron-)Stimme für die Persönlichkeitsausstrahlung ist.

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Der Film-Teil des Posts ist etwas lang geworden, steht aber aus genannten Gründen im engsten Zusammenhang mit dem Thema.

Die eingangs angesprochenen psychologischen Untersuchungen haben folgendes ergeben:

  • Die Untersuchungen von Sozialpsychologe Albert Mehrabian erbrachten 1972, dass von den drei Faktoren Wort, Stimme und Gesichtsausdruck das Wort für die Einschätzung einer Person am unwichtigsten ist, d.h. was einer sagt, ist (laut den Befunden: erheblich) unwichtiger als wie er es sagt.

  • 1998 kommt die Zeitschrift GEO zu dem Ergebnis, dass die Stimme einer Person A für einen ´gebildeten´ Menschen B an den Gesamtfaktoren für die Beurteilung einen Anteil von 40 Prozent hat und damit auf Platz 2 hinter dem Auftreten (Gesicht und Kleidung) einnimmt. Auch hier zählt das Wort praktisch kaum. Für über 50jährige fällt die Stimme für die Persönlichkeitsbeurteilung sogar zu 56 Prozent ins Gewicht.

  • Der Sprachforscher Prof. Hartwig Eckert bringt es in ´Menschen und ihre Stimmen´ auf die Formel: „Nicht was wir sagen, sondern wie wir es sagen, ist für die zwischenmenschliche Beziehung von allergrößter Bedeutung“.

Nun ja, Kommunikation besteht zu höchstens 10% aus den sprachlichen Anteilen und zu mehr als 90% aus den nichtsprachlichen Anteilen. Die Stimme hat da als paraverbaler Ausdrucksfaktor eine essentielle Bedeutung, weil sie ein vielfältiges Gestaltungsrepertoire aus Lautstärke, Satzmelodie, Atmung, Aussprache, Schwingungen usw. nutzt.

Auch ist es kein Zufall, dass „Stimme“ und „Stimmung“ denselben Wortstamm haben, denn die Stimmung der Person wird sich immer in der Stimme widerspiegeln, selbst wenn das Gegenüber nicht in der Lage ist, das zu hören oder zu interpretieren.

Viele dieser Aspekt des paraverbalen Ausdrucks sind den meisten Menschen nicht bewusst, sie können aber oft gefühlsmäßig sagen, wie sie etwas Gesagtes einschätzen würden. Die meisten Menschen spüren bspw. sehr genau, wann sie belogen werden - und inzwischen ist auch wissenschaftlich nachweisbar, dass und wie sich bspw. die Atmung ändert, wenn jemand lügt. Menschen spüren das, ohne es benennen zu können.
Und so gibt es in Bezug auf die Stimme so unglaublich viele feine Aspekte des Ausdrucks, dass es Wunder wäre, wenn man seine Persönlichkeit nicht auch und gerade in der Stimme ausdrücken könnte.

Intuitiv wird ein Mensch über seine Stimme dahingehend eingeschätzt, wie überzeugt er selbst von dem Gesagten ist, wie weit er selbst zu dem steht, was er sagt und welche Persönlichkeit er überhaupt darstellt.

Ich denke, dass die Körpersprache als nonverbales Kommunikationsmittel in gleicher Weise und Ausprägung die Persönlichkeit eines Menschen widerspiegelt. Wer feine Sinne hat, wird daraus viel ablesen können.

Gruß, Diva

neben oder vielleicht noch vor den genannten Christian Brückner und Jürgen Thormann, der u. a. Michael Caine seine Stimme verliehen hat.

Ja, Christian Brückner sollte hier wirklich nicht vergessen werden!