Die Tendenz - Heinrich Heine

Hallo,
ich habe heute meine Abiturklausur geschrieben. Es kam das Gedicht „Die Tendenz“ von Heinrich Heine vor. Dieses sollten wir analysieren. Ich habe es als Aufruf an die deutschen Dichter betrachtet, gegen die bestehenden Verhältnisse zu rebellieren.
Jetzt habe ich gerade in einer Interpretation gelesen, dass das ganze Gedicht ironisch aufzufassen ist. Das es sich also gegen die Dichter des Vormärz richtet.
Was würdet ihr dazu sagen? Und wie falsch ist mein Ansatz? Ich würde beide Ansätze akzeptieren! Aber ich denke, dass mein Ansatz vom Lehrer eher erwünscht ist. Denn wir haben Heine vorher nicht unter dem ironischen Aspekt betrachtet. Das wäre dann ja eine gemeine Falle, zumal in der Aufgabenstellung keine Hinweise auf eine Mögliche Zweideutigkeit gegeben waren. Was meint ihr dazu?
Hier nochmal der Text

"Die Tendenz

Deutscher Sänger! sing und preise
Deutsche Freiheit, daß dein Lied
Unsrer Seelen sich bemeistre
Und zu Taten uns begeistre,
In Marseillerhymnenweise.

Girre nicht mehr wie ein Werther,
Welcher nur für Lotten glüht -
Was die Glocke hat geschlagen,
Sollst du deinem Volke sagen,
Rede Dolche, rede Schwerter!

Sei nicht mehr die weiche Flöte,
Das idyllische Gemüt -
Sei des Vaterlands Posaune,
Sei Kanone, sei Kartaune,
Blase, schmettre, donnre, töte!

Blase, schmettre, donnre täglich,
Bis der letzte Dränger flieht -
Singe nur in dieser Richtung,
Aber halte deine Dichtung
Nur so allgemein als möglich."

Vielen Dank,
Fred

vorher nicht unter dem ironischen Aspekt betrachtet. Das wäre
dann ja eine gemeine Falle, zumal in der Aufgabenstellung
keine Hinweise auf eine Mögliche Zweideutigkeit gegeben waren.
Was meint ihr dazu?

Hallo, Fred
Man hätte halt das Gedicht erst mal zu Ende lesen müssen.
Auch klar, dass das in einer solchen Klausur nicht leicht fällt.

Nach all dem „vaterländischen Gedröhn“ im Gedicht, das aus den jeweils letzten Verszeilen klingt:

In Marseillerhymnenweise.
Rede Dolche, rede Schwerter!
Blase, schmettre, donnre, töte!

„zerplatzt die Bombe“ in den letzten beiden Zeilen:

Aber halte deine Dichtung
Nur so allgemein als möglich.

Aber eben nicht mit einem Knall, wie zu erwarten, sondern eher mit einem kläglichen „Pffffft!“

Es „als Aufruf an die deutschen Dichter“ zu betrachten, „gegen die bestehenden Verhältnisse zu rebellieren“ ist ja nicht ganz daneben, aber: „halte deine Dichtung nur so allgemein als möglich“ richtet sich gegen die allgegenwärtige Zensur in der damaligen Zeit.

Gruß
Eckard

hi,

ich habe heute meine Abiturklausur geschrieben. Es kam das
Gedicht „Die Tendenz“ von Heinrich Heine vor. Dieses sollten
wir analysieren. Ich habe es als Aufruf an die deutschen
Dichter betrachtet, gegen die bestehenden Verhältnisse zu
rebellieren.

natürlich; da hast du schon recht.

Jetzt habe ich gerade in einer Interpretation gelesen, dass
das ganze Gedicht ironisch aufzufassen ist. Das es sich also
gegen die Dichter des Vormärz richtet.

das ist auch richtig.

Was würdet ihr dazu sagen? Und wie falsch ist mein Ansatz? Ich
würde beide Ansätze akzeptieren! Aber ich denke, dass mein
Ansatz vom Lehrer eher erwünscht ist. Denn wir haben Heine
vorher nicht unter dem ironischen Aspekt betrachtet. Das wäre
dann ja eine gemeine Falle, zumal in der Aufgabenstellung
keine Hinweise auf eine Mögliche Zweideutigkeit gegeben waren.
Was meint ihr dazu?

selbstverständlich ruft heine unverhohlen zur rebellion auf, aber er gibt ihr keine wirkliche chance, denn er hält diese dichter, die er anspricht, für viel zu abgehoben, um ihnen eine wirkung zuzutrauen. und insofern macht er sich sehr ironisch über diese dichter lustig, die in ihren „gesängen“ zwar laut tönen, aber letztlich doch unverbindlich und harmlos bleiben.

das wär natürlich in der interpretation schon noch ein wichtiger gedanke. obwohl: falsch liegst du nicht ganz, aber wie sagte schon mein vor-poster: fertiglesen wär nicht schlecht.

hth
m.

Schöne Ergänzung dazu
[An einen politischen Dichter]

Du singst wie einst Tyrtäus sang,
Von Heldenmut beseelet,
Doch hast du schlecht dein Publikum
Und deine Zeit gewählet.
Beifällig horchen sie dir zwar,
Und loben schier begeistert:
Wie edel dein Gedankenflug,
Wie du die Form bemeistert.

Sie pflegen auch beim Glase Wein
Ein Vivat dir zu bringen,
Und manchen Schlachtgesang von dir
Lautbrüllend nachzusingen.

Der Knecht singt gern ein Freiheitslied
Des Abends in der Schenke:
Das fördert die Verdauungskraft
Und würzet die Getränke.

http://www.heinegedichte.de/heine_34.html

ist eine schöne Ergänzung dazu.

Bernhard