Hi zusammen.
Die teilweise misogyne Atmosphäre im vorausgehenden Thread lässt es sinnvoll erscheinen, das Thema ´Unterdrückung der Frau´ in einem neuen Thread direkt zur Diskussion zu stellen. Zur Illustration der Problematik folgt ein fragmentarischer historischer Überblick. Mich würde auch die Meinung des Users A. dazu interessieren, den ich bis zum Beweis des Gegenteils für einen Maskulinisten halte. Anlässe für diese Einschätzung hat er ausreichend geliefert.
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Der früheste textliche Beleg für Frauenunterdrückung stammt aus der Gesetzesreform des sumerischen Königs Urukagina von Lagasch (Mitte des 24. Jh. vuZ). Darin wird dem Ehemann rechtlich zugestanden, seiner Frau, sollte sie etwas sagen, das ihm nicht passt, die Zähne einzuschlagen:
Wenn eine Frau ihre Stimme gegen einen Mann erhebt, soll ihr Mund mit gebrannten Ziegeln zerschlagen werden.
Bedingung: Der Grund für die Empörung des Mannes muss in den Stein eingeritzt werden.
Die soziale Stellung der Frau in der griechischen Antike entsprach dem patriarchalischen Denken der Griechen, die in dieser Hinsicht die altorientalischen Völker, vor allem die relativ Gender-egalitär orientierten Ägypter, noch toppten. Die typisch griechischen Amazonensagen hatten keine historische Basis, sondern dienten vermutlich dazu, Frauen, die nicht unter männlichem Diktat stehen, als natürliche Bedrohung für die Männer hinzustellen.
Drei soziale Schichten sind zu unterscheiden, die in folgendem Zitat (aus der Schriftensammlung „Pseudo-Demosthenes“, 59) zum Ausdruck kommen:
Hetären haben wir um des Vergnügens willen, Nebenfrauen zur täglichen Pflege unseres Körpers, die Ehefrauen aber, damit sie legitime Kinder hervorbringen und getreue Wächter unseres Hauswesens sind.
Die griechische Ehefrau besaß keine Bürgerrechte (keine Teilnahme an Versammlungen, kein Wahlrecht, keine Ämter - außer der begrenzten Möglichkeit, Priesterin zu werden -, kein Eigentum) und war dem Willen des Ehemanns und Hausvorstandes, ihres Herrn (griech. kyrios), völlig ausgeliefert. Außer für festliche Anlässe durfte sie nicht in die Öffentlichkeit gehen, musste ihre Beine bis zum Fuß bedeckt halten, wurde schlechter ausgebildet als Männer und galt aus männlicher Sicht grundsätzlich als geistig und moralisch niedrigstehend.
Im römischen Reich galt die Frau gleichfalls als minderwertig. Als Argumente wurden geltend gemacht: 1) die Unbeständigkeit ihres Charakters (levitas animi), 2) die Schwäche ihres Geschlechts (infirmitas sexus) und 3) die Kraftlosigkeit ihres Verstandes (imbecillitas mentis). Da sie durch die Schwäche ihres Körpers weder für den Krieg noch für das Regieren gut sei, könne ihr wahrer Platz nur im Haushalt sein.
Der ´pater familas´, das männliche Oberhaupt der Familie, hatte die ´patrias potestas´(= väterliche Macht) inne. Darunter fiel auch die ´vitae necisque potestas´, die Macht über Leben und Tod der Familienangehörigen (Frau, Kinder, Sklaven). Um spontanen Willkürentscheidungen gegen ein Familienmitglied vorzubeugen, galt die Regel, dass der pater familias sich zuvor mit der übrigen Familie sowie seinen Freunde berät.
Stimmen aus dem katholischen Mittelalter:
Wenn du eine Frau siehst, denke, es sei der Teufel! Sie ist eine Art Hölle!
Papst Pius II. (1405-1464)
Der wesentliche Wert der Frau liegt in ihrer Gebärfähigkeit und in ihrem hauswirtschaftlichen Nutzen.
Theologe Thomas von Aquin (1225-1275)
Ein männlicher Fötus wird nach 40 Tagen, ein weiblicher nach 80 Tagen ein Mensch. Mädchen entstehen durch schadhaften Samen oder feuchte Winde.
Thomas von Aquin, der die Frau für einen missratenen Mann hielt
Die Frau muss das Haupt verhüllen, weil sie nicht das Ebenbild Gottes ist.
Ambrosius, Kirchenlehrer (339-397)
Im 19. Jahrhundert schreibt der Rechthistoriker Otto Gierke, in: Kirchhoff, S. 25ff:
Also weibliche Rechtsanwälte und Notare? Oder weibliche Richter? Oderweibliche Staatsanwälte? Oder weibliche Verwaltungsbeamte? Mit jedem Schritt vorwärts beträte man hier die abschüssige Bahn, auf der es keinen Halt mehr gibt, bis die Austilgung der Unterschiede der Geschlechter im öffentlichen Recht erreicht ist. (…) Unsere Zeit ist ernst. Das deutsche Volk hat anderes zu thun, als gewagte Versuche mit Frauenstudium anzustellen. Sorgen wir vor allem, daß unsere Männer Männer bleiben! Es war stets ein Zeichen des Verfalles, wenn die Männlichkeit den Männern abhanden kam und ihre Zuflucht zu den Frauen nahm!
Der Mediziner und Politiker Rudolf von Virchow verfasst im gleichen Jahrhundert eine rührende Hymne auf die weibliche Schönheit:
(aus ´Das Weib und die Zelle´)
Das Weib ist eben nur Weib durch seine Generationsdrüse, alle Eigentümlichkeiten seines Körpers und Geistes oder seiner Ernährung undNerventätigkeit: die süße Zartheit und Rundung der Glieder bei der eigentümlichen Ausbildung des Beckens, die Entwicklung der Brüste bei dem Stehenbleiben der Stimmorgane, jener schöne Schmuck der Kopfhaare bei dem kaum merklichen weichen Flaum der übrigen Haut, und dann wiederum diese Tiefe des Gefühls, diese Wahrheit der unmittelbaren Anschauung, diese Safntmut, Hingebung, Treue - kurz alles, was wir an dem wahren Weibe Weibliches bewundern und verehren, ist nur eine Dependenz der Eierstöcke.
Weitere frauenverachtende Zitate berühmter Männer:
Das Weibchen ist gleichsam ein verstümmeltes Männchen und der Monatsfluss Samen, der aber nicht rein ist; denn es fehlt ihm nur noch eines, das Prinzip der Seele.
(Aristoteles)
Der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Gemeinde ist.
(Paulus)
Die Frau ist von schwachem Verstande und leicht dazu geneigt, der Leidenschaft und dem Zorn zu gehorchen.
(Avicenna)
Die Frau ist ein menschliches Wesen, das sich anzieht, schwatzt und sich auszieht.
(Voltaire)
Die Frauen sind silberne Schalen, in die wir goldene Äpfel legen.
(Goethe)
Frauen können wohl gebildet sein, aber für die höheren Wissenschaften, wie Philosophie und für gewisse Produktionen der Kunst, die ein Allgemeines fordern, sind sie nicht gemacht.
(Hegel)
Die Frau liebt im allgemeinen die Künste nicht, versteht sich auf keine einzige, und an Genie fehlt es ihr ganz und gar.
(Rousseau)
Alles am Weibe ist ein Rätsel, und alles am Weibe hat eine Lösung: Sie heißt Schwangerschaft.
(Nietzsche)
Ich denke, aus dem Thema ergeben sich eine Vielzahl von Fragen, z.B.:
Wie konnte es dazu kommen? Wie fundiert sind die Behauptungen der männlichen Unterdrücker über das (vermeintliche) Wesen der Frau (Beispiele habe ich im Kontext der Griechen, Römer, Katholiken und Gelehrten des 19. Jh. genannt)? Sind die von den Männern behaupteten ´negativen´ Eigenschaften der Frau (als repräsentativ nehme ich die drei von den Römern genannten Eigenschaften) vielleicht gar nicht die Ursache der Unterdrückung, sondern ihr Resultat? Hat das globale Patriarchat eine Gesellschaftsform geschaffen, die eine vollständige Emanzipation der Frau dauerhaft verhindert, da Politik und Wirtschaft nach Prinzipien funktionieren, die von Männern vor langer Zeit auf sich zugeschnitten und gewaltsam durchgesetzt wurden? Gibt es typisch männliche und typische weibliche Eigenschaften (geistiger bzw. psychologischer Art)? Ergeben sich Herrschaftsstrukturen aus einer ´natürlichen´ Anlage des Mannes? Oder sind auch Männer nur Marionetten ihnen per Sozialisation auferlegter Verhaltens- und Denkmuster, die in früher Zeit von ´starken Männern´ (Treitschke lässt grüßen) zum Zweck ihres persönlichen Machtgewinns entwickelt und der Allgemeinheit als ´normal´ und notwendig verkauft wurden? Was können Frauen tun, um sich aus ihrer ´Unterlegenheitsposition´ zu befreien (die meisten Männer sind auch heute noch Frauenverachter, während die meisten Frauen unbewusst auch heute noch die Rolle zu erfüllen trachten, die ihnen das Patriarchat auferlegt)? Stimmt Nietzsches Wort:
Das Glück des Mannes heißt: Ich will; das Glück des Weibes heißt: Er will.
auch heute noch? Eine soziologische Studie hat ergeben, dass über 80 Prozent aller zwischenfraulichen Gespräche sich um Männer drehen, dagegen nur 10 Prozent aller zwischenmännlichen Gespräche um Frauen. Das scheint für Nietzsches Behauptung zu sprechen. Wer im Alltag Gespräche in seiner Umgebung mithört, wird den Befund der Studie problemlos bestätigen. Stimmen also die Behauptungen vieler Feministinnen (seit dem 19. Jahrhundert), dass die (meisten) Frauen sich dadurch, dass sie das männliche Prinzip in das Zentrum ihres Denkens und Fühlens stellen, selbst unterdrücken? Ist die ökonomische und juristische Gleichstellung der Frau eine hinreichende Bedingung für ihre Emanzipiertheit oder nur eine notwendige (ich setze die Kenntnis des Unterschieds voraus)?
Weitere Fragen könnten die spezifisch christliche Frauenphobie betreffen. Was hat zu der christlichen Dämonisierung des Weiblichen geführt, die im Mittelalter und der frühen Neuzeit Zehntausenden von unschuldigen Frauen Folter und qualvollen Tod einbrachte? Wie ist Luthers unfassbare Frauenverachtung zu erklären:
Weiber, die aber fruchtbar sind, sind gesünder, reinlicher und lustiger, ob sie sich aber auch müde und zuletzt tot tragen, das schadt nicht, lass nur tot tragen, sie sind darum da.
(Luther in: Vom ehelichen Leben / das ´tragen´ bezieht sich auf Schwangerschaft, ´tot tragen´ = Sterben bei der Geburt des Kindes)
Einige der genannten Fragen erfordern für eine Beantwortung natürlich gewisse Kenntnisse der sozialen Frühgeschichte und der Religionsgeschichte, was aber zum Thema gehört, da sich ein Problem nicht durchschauen lässt, wenn man seine Ursachen nicht erforscht.
Chan
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