Die Wünsche sollten sich nicht erfüllen

Hallo!

Ich weiß es nicht warum, aber das Verb passt nicht in diesem Kontext:

Was ist „sollten“ in diesem Satz

»Ein wunderschönes neues
Zuhause«, schrieb eine. »Kraft für den Neuanfang
«, jemand anderes. Und: »Dass du dich
ganz schnell zu Hause fühlst.«
Die Wünsche sollten sich nicht erfüllen.
Konjunktiv II Präteritum ?
Wenn das Konjunktiv II Präteritum sein sollte, passt es von der Bedeutung her nicht in diesem Satz .

Oder ist das Konj. I Präsens = Konj. I der Gegenwart und weil die Formen gleich sind, schaltet man auf Konjunktiv II Präteritum?

Grüße

Hallo,

Präteritum, siehe Duden:

Gruß
Kreszenz

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Hallo Kreszentia,

ich verstehe das nicht ganz. Ist „sollten“ in diesem Satz Präteritum und hat gar nicht mit dem Konjunktiv zu tun? Ich habe diese Verwendung von „sollten“ nie gesehen. Das ist das erste Mal, dass ich damit konfrontiert bin.

Grüße

steht eigentlich da:

drückt etwas (von einem früheren Zeitpunkt aus gesehen) in der Zukunft Liegendes durch eine Form der Vergangenheit aus

Siehe auch https://www.dwds.de/wb/sollen#d-1-55.:

bezeichnet die Zukunft in der Vergangenheit; abgeblasst
Grammatik: im Präteritum

Gruß
Kreszenz

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Man muss sich das ‚prophetisch‘ vorstellen. Hier wird ein Blick in die Zukunft gewährt, von der die handelnden Personen noch nichts wissen. Und in der Regel bedeutet es, dass etwas Negatives geschehen wird.

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Das ist auch keine übliche Redewendung der Alltagssprache, sondern schon eine eher pathetische, leicht schwülstige Ausdrucksweise, mit der ein Autor z.B. einer historischen Dokumentation seinen Wissensvorsprung aus einer heutigen Perspektive in Bezug auf „die Dummen damals mit ihren falschen Erwartungen“ recht überheblich herausstellt. Und dies, obwohl er keineswegs in der damaligen Situation das bessere Wissen und die bessere Vorstellung hatte, sondern lediglich aufgrund des Zeitablaufs jetzt weiß, wie die Geschichte dann wirklich ausgegangen ist (was jeder andere heute auch problemlos wissen kann)

Hallo @Wiz,
das ist in der Tat keine Alltagssprache, aber ein normaler Gebrauch in der geschriebenen Sprache. Mit Überheblichkeit hat das gar nichts zu tun. Man kann selbstverständlich etwa folgendes formulieren:

Er betrat den grünen Hügel von Cerin Amroth. Dort betrachtete er lange die Blumen, Elenor und Niphredil, während seine Gedanken in der Vergangenheit wandelten. Schließlich riß er sich los und schritt von dannen. Er sollte diesen Ort Zeit seines Lebens nicht mehr betreten.

Liebe Grüße
vom Namenlosen

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Hallo!

Ist das nicht etwas wie Futur II?

Grüße

Hallo @Nadja,
da gibt es einen kleinen Unterschied.

Das Futur II beschreibt eine Handlung, die aus der Sicht des Sprechers erst in der Zukunft abgeschlossen sein wird. Hingegen der hier besprochene Gebrauch von sollte beschreibt eine Handlung, die aus der Sicht des Sprechers in dessen Gegenwart bereits abgeschlossen ist. Für die Personen der beschriebenen Handlung wird aber in der Tat inhaltlich ein Futur II ausgedrückt.

In meinem Beispiel lebt der Erzähler in einer späteren Zeit. Er könnte also auch formulieren:
„Er verließ Galadriel und den grünen Hügel von Cerin Amroth und kehrte nie mehr dorthin zurück.“

Galadriel hingegen könnte in die Zukunft blicken und im Futur formulieren: „Du gehst und wirst nicht mehr wiederkehren.“

Sie könnte auch im Futur II formulieren: „Wenn ich diese Welt verlasse, wirst du nicht wieder hierher zurückgekehrt sein.“ Oder mit Blick auf den zukünftigen Erzähler: „Wenn deine Lebensgeschichte aufgeschrieben wird, dann wirst du nicht wieder in Cerin Amroth gewesen sein.“

Liebe Grüße
vom Namenlosen

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Die Überheblichkeit bezog sich auf das Beispiel mit der historischen Dokumentation. In der Literatur ist es je nach zeitlichem und kulturellem Setting eines Werkes und Stil des Autors individuell zu betrachten, ob eine solche Formulierung dazu passend wirkt oder nicht, und was dies ggf. über das Selbstverständnis des Erzählers aussagt.

Da Du Tolkien schon ansprichst, ist das natürlich ein Paradebeispiel für den allwissenden Welterschaffer, der den Herrn der Ringe ja eher als Folgeprodukt eines zuvor minutiös konstruierten Settings aus hypothetischen zeitlicher Ereignisabfolgen, Familiengeschichten, Landschaften, … geschrieben hat, und sich einerseits sehr in dieser Schöpferrolle gefällt, wie ein Modellbahner, der eine riesige Anlage mit allem von Küsten- bis Berglandschaft vollgestellt hat. Andererseits es aber vielleicht auch besser dabei belassen hätte, weil ihm das Schreiben an sich und jenseits der perfekten Einordnung seiner Geschichte in diese Modellbahn-Anlage jetzt nicht so wirklich lag, und dabei - der kommerzielle Erfolg sei ihm unbelassen - genau die Schwülstigkeit produziert hat, die nicht viel mit großer Literatur zu tun hat, aber genau auf Dinge wie den von mir beschriebenen Pathos entsprechender Formulierungen setzt.

Tolkien-Fans werden dies selbstverständlich anders sehen :wink:

Diesem Gebrauch des „sollen“ liegt ja auch eine nicht alltägliche Vorstellung zu Grunde, dass es eine Art höhere Macht gibt, die dafür sorgt, dass Wünsche oder Pläne nicht in Erfüllung gehen.

Nenne sie Gott, Allah, Schicksal oder „die Vorsehung“.

Ich hatte gehofft, dass ich das Auto gewinne - aber dieser Wunsch sollte sich nicht erfüllen.
(Schicksal / Gott / Vorsehung haben gesagt „Nein, du nicht!“)

Du wirst auch manchmal „wollen“ in einem ähnlich merkwürdigen Zusammenhang sehen:
„Ich habe es eine halbe Stunde lang versucht - aber diese blöde Schraube wollte nicht in das Gewinde passen!“ - „Tja, es sollte halt nicht klappen.“
Natürlich hat weder die Schraube einen eigenen Willen noch hat jemand das Vorhaben konterkariert.

Konterkarieren? - Schönes Wort: https://www.duden.de/rechtschreibung/konterkarieren
Es dürfte aber von vielen jüngeren Leuten nicht verstanden werden, sondern bestenfalls aus dem Zusammenhang heraus richtig gedeutet werden.

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Die Wünsche sollten sich nicht erfüllen.

Ok. Daß es Präteritum ist, hat @Kreszentia ja bereits mit umfangreichem Beispielmaterial gezeigt. Zu verdeutlichen wäre nur noch: Es ist Indikativ Präteritum (nicht Konjunktiv Präteritum).

Es sollte dich nicht wundern, wie viele unterschiedliche und komplexe Zeitverhältnisse bzw. Modalitäten mit Hilfe der 6 Modalverben (insbesondere zusammen mit den 3 Hilfsverben) sprachlich dargestellt und kommuniziert werden können. Schau dir bei Gelegenheit die 11 Modalitäten allein von „sollen“ auf der DWDS-Seite an, die Kreszentia dir verlinkte. Oder auch → hier

In diesem Fall ist es die sog. „Zukunft der Vergangenheit“, die mit den Formen des Indikativ Präteritum von „sollen“ gebildet werden kann.

Und diese Tempusform ist übrigens keineswegs eine „Redewendung“, wie a.a.O. im Thread gemeint wurde, und sie ist weder schwülstig, noch pathetisch, noch überheblich. Sie findet sich ganz selbstverständlich sowohl in Geschichtsschreibung, als auch in Erzählung und Roman. Dort ist es nämlich logisch und selbstverständlich, daß Erzähler (und der Autor ja sowieso) zu einem fokussierten Zeitpunkt der Vergangenheit dessen zukünftige Entwicllung kennt.

Der Machtbereich der Achämeniden hatte unter Darius seine größte Ausdehnung, und das sollte bis Alexander so bleiben.

Und es hat auch durchaus in der Alltagssprache seinen Platz:
Er war damals im Zweifel. Aber es sollte sich als die beste Entscheidung seines Lebens erweisen.
Die Oma erzählt von der Hochzeit ihrer Enkelin:
Sie war so glücklich an diesem Tag. Sollte halt nicht so bleiben: Zwei Jahre später war sie geschieden.

Mit dieser Vermutung liegst du völlig richtig. Es gibt mit dem Präteritum „sollte“ die Möglichkeit, neben dem Futur I der Vergangenheit (Beispiele oben) auch ein Futur II der Vergangenheit zu bilden. Hier mal, um den Unterschied zu zeigen:

Ihr Wunsch sollte sich bald erfüllen. (Futur I)
Ihr Wunsch sollte sich bald erfüllt haben. (Futur II)
Es sollte seine beste Entscheidung sein. (Futur I)
Es sollte seine beste Entscheidung gewesen sein. (Futur II)

.Ebenso:
Er hatte bis zu diesem Tag Erfolg mit seinen Betrügereien gehabt, aber das sollte auch das letzte Mal gewesen sein.
Das Paket sollte eigentlich spätestens eine Woche später angekommen sein.

In vielen Fällen kann man übrigens, obwohl das „sollte“ im Falle einer Zukunft der Vergangenheit immer Indikativ ist, das „sollte“ durch „würde“ ersetzen (welches ja Konjunktiv II des Hilfsverbs „werden“ ist):

Also statt
Ihr Wunsch sollte bald in Erfüllung gehen.
Ihr Wunsch würde bald in Erfüllung gehen.

Gruß
Metapher

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