Hallo Mike,
Hallo Franz
vorab:
Der Sinn meiner Auflistung der vielen Feminismen war
der, darauf hinzuweisen, dass ich solche Sätze wie „DER
FEMINISMUS hat …“ grundsätzlich ziemlich argwöhnisch
betrachte, weil er eine Einheit suggeriert, die m.E.
schlichtweg nicht vorhanden ist;
Das ist nicht falsch. Darauf wollte ich sogar hinaus. Nur macht der Begriff dann keinen Sinn, ausser dass die Frauen angeblich ganz durchgehend das Maul weiter aufreissen sollen, ungeachtet dessen, was sie zu sagen haben.
zum zweiten wollte ich damit andeuten, dass gewiss viele der
„Kritikpunkte“, die Du in Deinen Postings angebracht hast,
auch in Schriften zu finden sind, die im Regal „Feminismus“
stehen;
gerade der feministische Diskurs hat ein sehr hohes Maß an
Binnen-Kritik hervorgebracht (schlichtweg deshalb, weil er in
seiner theoretischen Haltung hochgradig pluralistisch ist);
das gilt es bei einer so frontalen Außen-Kritik wie der Deinen
zu berücksichtigen.
Das habe ich nicht bestritten. Danke für den Hinweis, mir geht es um die Wurzel des Baumes „Feminismus“ und nicht um die einzelnen Bücher.
Da Du so ausführlich geantwortet hast, will ich die
verwendeten Begriffe nun auch klarstellen, vielleicht
interessiert es Dich - oder irgendjemand anderen, mich auf
jeden Fall, und das reicht mir auch schon.
Es interessiert mich schon, aber wird kaum unwidersprochen bleiben.
Mal im Klartext: Von welchem Feminismus sprichst du
eigentlich?
Eigentlich ein Widerspruch
per se. Ich könnte auch sagen, wenn ich erkläre, warum ich
mehr Lohn will, sei das eine Wissenschaft. Nur würde man’s mir
nicht abkaufen. Und ich verstehe nicht, warum man den
Feminismus als Wissenschaft duldet.
Das ist eigentlich eher Wissenschaftstheorie als Gender
Studies, können wir gerne im Brett „Philosophie“ mal
aufgreifen;
Wissenschaftstheorie gehört oft auch in das Brett der betroffenen Wissenschaft oder Parawissenschaft (s. z. B. Astrologie-Brett), beide Bretter können fallweise richtig sein.
kurz: feministische Wissenschaft „fordert“ nicht nur, sondern
analysiert an erster Stelle (wie jede andere
Wissenschaft auch):
Frauen&Bildung, Frauen&Arbeitsmarkt, Frauen&Wissenschaft,
Frauen&Geschichtsschreibung, Frauen&:stuck_out_tongue_winking_eye:olitik, und 1000 andere
Themen.
Selbstverständlich. Leider ist er als „Wissenschaft“ zugelassen.
Dem die Wissenschaftlichkeit abzusprechen finde ich famos,
aber vielleicht missverstehe ich Dich ja auch;
dass man natürlich über die Stellen, an denen feministische
Wissenschaft (wie jede andere Sozialwissenschaft auch!) in
Aktivismus übergeht, diskutieren kann, ist klar.
Es geht darum, dass diese „Wissenschaft“ heute leider im Sattel sitzt.
Dass der Aktivismus auch heute oft dahinter steht, kommt noch hinzu.
erster Welle, zweiter Welle, dritter Welle, Post-Feminismus?
Es ist wie mit einem neuen Regierungschef, wenn er an die
Macht kommt. Am Anfang ist er kaum besser als sein Vorgänger,
dann wird er routiniert. Auch wenn er von der falschen Partei
ist, kann er etwas Gutes lernen. Aber man sollte ihn besser
früher als später abwählen.
diese „Wellen“ sind feststehende Ausdrücke und kennzeichnen
bestimmte Epochen des Feminismus bzw. sozio-historische
Zeitabschnitte;
insofern ist Dein Regierungs-Gleichnis wohl eher ein
Missverständnis
nein, hier ist kein Missverständnis
- Welle: bis in die 20er des 20. Jhdts.
- Welle: 50er, v.a. 60er/70er
- Welle: ab 80er
Postfeminismus: ab 80er (mit anderen Akzentuierung als die 3.
Welle des F.)
Eben, immer wieder weiter entwickelt, selbstverständlich in Wellen. Daher auch nicht immer gleich, oft etwas routinierter geworden. Mein Beispiel vom Regierungschef der falschen Partei passt.
ausführlicher:
amerikanischem, französischem, Dritte-Welt-Feminismus?
dabei geht es nicht um Erdteile und Internationalismus,
sondern um bestimmte theoretische Grundhaltungen, die
natürlich auch kulturell vermittelt sind, die aber bei weitem
nicht auf die jeweiligen namensgebenden Ländern beschränkt
sind
Richtig, macht die Sosse aber um kein Haar besser.
Der „christliche“ ist nicht nötig und auch nicht ausgefeilt,
das mag Deine Meinung sein, dennoch gibt es ihn natürlich.
Jawohl, es ist meine Meinung, obwohl es ihn gibt.
der rechts-konservative existiert streng genommen nicht,
http://www.faz.net/s/RubFC06D389EE764…
Habe ich gelesen, bestätigt genau meine Meinung. Es gibt ihn nicht.
eigentlich dachte ich dabei aber vor allem an die in den USA
überaus erfolgreiche anti-Pornographie-Bewegung, bei der sich
Feministinnen wie MacKinnon oder Dworkin mit der New Right
verbündeten:
z.B.
http://www.lrp-cofi.org/PR/pornPR27.html
die Prüden paktieren mit den Prüden. Man hat schnell den Feminismus auch noch konservativ genannt, um ihn salonfähig zu machen.
Hm, klingt mir eher nach „unheiliger Allianz“ als nach Identifikation. Nein, den rechts-konservativen Feminismus als Begriff können wir in aller Ruhe vergessen.
http://www.theatlantic.com/doc/prem/1…
Ja genau, man beschreitet auch den umgekehrten Weg und erklärt alt-konservative Bewegungen als feministisch. Auch das ist der gleiche Trick und gehört in den gleichen Papierkorb.
der
liberale macht keinen Sinn
http://en.wikipedia.org/wiki/Liberal_…
Ist mir durchaus klar, ich bleibe bei meiner Haltung, dass er eigentlich nicht nötig ist. Wenn die Frauen selbstbewusster werden sollen, falls das überhaupt organisierbar ist, dann wird dieser Weg kaum etwas nützen, es sei denn, man verwechselt „selbstbewusster werden“ mit gruppiertem Egoismus.
der ökologische ist eine
Begriffsverwirrung,
http://en.wikipedia.org/wiki/Ecofeminism
Einigen wir uns auf „feststehende Begriffsverwirrung“ oder lieber auf „linke Ideologie“ unter dem Mäntelchen von „Feminismus“ mit diesem wiederum unter dem Mäntelchen „Ökologie“, gepaart mit grüner Schwärmerei unter dem Label „zurück zur Natur“?
der anarchistische hat keine
Daseinsberechtigung
ja gut, meinetwegen, aber es gibt ihn halt trotzdem.
Aber seine Bücher führen wohl kaum weiter. Ich gebe zu, auch den Anarchismus und ebenso den radikalen Ökologismus unter der Überschrift „zurück zur Natur“ halte ich für unpraktikable Konzepte, darum fällt es mir leichter, die entsprechenden Feminismen abzuhaken, als wenn ich selber radikaler Ökologist oder Anarchist wäre.
Aber diese Bewegungen sind - im Unterschied zum Feminismus - nicht darauf ausgerichtet, die Geschlechter unnötig zu entzweien.
(Reihenfolge bewusst verändert - Du errätst warum)
ich rate: vermutlich nach persönlicher Billigung …
Persönlich ist gut. Mehr noch hatte ich an historisch-kulturelle Relevanz der beglückten Strömungen gedacht, aber persönlich - das ist wirklich auch gut und stimmt genau. -
Wenn der
universalistische
einer Türkin
vorschreiben will, ihren Mann am Kopftuch zu erhängen
…, dann erkennt man genau das Niveau gewisser „wissenschaftlicher“ Prominenz. Deine Erklärung der Begriffe ist völlig richtig. Denk aber auch daran, dass dann der partikuläre, will sagen der kulturalistisch streng unterscheidende, in der Diskussion zunächst antwortende Feminismus, beim Weiterdenken keiner mehr ist.
Feminismus pro oder Feminismus kontra Reproduktionsmedizin?
Haben bei Lichte betrachtet mit dem Feminismus so wenig
historisch wie begrifflich überhaupt etwas zu tun.
Feminists have long been divided on the issues
raised by reproductive technologies.
So so, es gibt also Leute, die über die Probleme nachdenken wie andere auch, und sie nennen sich „Feministen“. Habe ich das etwa je bestritten? Nein. Trotzdem ist die Debatte über Repro-Medizin bzw. IVF eine eigenständige Debatte und keine Gender-Debatte.
Feminismus pro oder Feminismus kontra Abtreibung?
Zudem handelt es sich um eine politische,
nicht im strengen Sinn wissenschaftliche Debatte.
Ich dachte, wir reden hier von „Feminismus“, nicht bloß von
„feministischer Wissenschaft“???
Gut, reden wir auch von Aktivismus und feministischer Bewegung ausserhalb der Wissenschaft. Dann fällt nämlich die Betrachtung noch dreimal nüchterner aus. Dass die Abtreibungsdebatte in erster Linie politisch ist, wenngleich sie ohne wissenschaftliche Hinweise kaum auskommt, scheint wohl selbstverständlich. Dann belege mir doch, ob die vorgebrachten Argumente durch das Etikett „Feminismus“ überhaupt je einen Schritt vorwärts geführt haben.
mit „sexueller Selbstbestimmung“ meinte ich eigentlich was
anderes, nämlich z.B. die Tatsache, dass man von 10
Feministinnen 12 Meinungen zu weiblicher Homosexualität,
weiblichen sadomasochistischen Praktiken, und ähnlichem
erhält; dass also sowas ein wichtiges Themengebiet des
Feminismus ist;
Dann wäre also der Feminismus eine Bewegung (oder fallweise „Wissenschaft“), welche Themen wie „sexuelle Selbstbestimmung“ fördert und favorisiert. Sogar daran habe ich meine Zweifel.
Man kann diese Themen auch sonst fördern und nach Gutdünken favorisieren. Also ist das Etikett „Feminismus“ einmal mehr unnötig, hohl, ein leerer Begriff, um „die Frauen“ generell von „den Männern“ abzugrenzen und die Geschlechter gegeneinander aufzubringen.
„Noch 1966 entschied der Bundesgerichtshof zum Thema
“Vergewaltigung in der Ehe”: “ Die Ehe fordert von der Frau in
der Ehe eine Gewährung des Beischlafs und verbietet es,
Gleichgültigkeit oder Widerwillen zur Schau zu tragen .”“
Der Grund für die Entscheidung war nicht die Billigung der Tat. Die Ehe fordert auch Achtung der Frau von Seiten des Mannes. Die Frage, um die es ging, war, wie weit der Staat die Sache zu verfolgen habe.
Weder die geschuldete Achtung durch den Mann noch deren Verletzung waren einklagbar oder vor Gericht verhandelbar.
„Vergewaltigung in der Ehe wurde erst 1996 unter Strafe
gestellt“
Und gleich als Offizialdelikt, d. h. wenn einmal aufgedeckt, dann Sache des Staates.
Ich nenne das durchaus eine Erhöhung der „sexuellen
Selbstbestimmung“ in diesen 30 Jahren; muss ja deshalb nicht
jedermanns Geschmack sein.
Quod non.
Die Schwierigkeit bestand nicht darin, ob es gut sei, wenn man „den Frauen“ mehr Selbstbestimmung gönne, denn den wirklich Betroffenen Ehefrauen gönnte man nämlich diese Selbstbestimmung an sich sehr wohl.
Die Schwierigkeit bestand darin, ob man bestimmte Gewalttaten in die Verantwortung des Staates gebe oder nicht. Es war eben etwas im Spiel: die Idee, dass der Staat das Leben ohnehin nicht wirklich lenken kann, sondern dass es immer auch Mitverantwortung und Vernunft beim Volk selber braucht.
Also ein Streit etatistisch-liberal und kein Streit Männer-Frauen.
Der Etatismus musste sich deswegen durchsetzen, weil gewisse Leute mit ihrer Freiheit nicht (mehr) umgehen konnten.
Ich wollte damit eigentlich ebenfalls nur die Pluralität des
Feminismus aufzeigen
Du trägst das Verdienst, dass Du darauf hingewiesen hast, dass man weidlich darüber diskutieren kann. Dennoch ist meine Meinung bislang gemacht.
Aus meiner Sicht suchst Du Dir bei Deiner Kulturkritik der
obigen Postings (von der ich übrigens auch vieles teilen kann)
einfach den Pappkameraden „DER FEMINISMUS“ aus, ohne dass Du
ihn bis zu dem Punkt ernstnimmst und Dir aneignest (und gerade
seine Pluralität zur Kenntnis nimmst!), bis zu dem man jede
Sache ernst nehmen und kennen lernen muss
Kennenlernen gerne. Respektieren - nein. Pappkamerad: ja. Ich habe tatsächlich so einiges auf den Begriff „Feminismus“ projeziert, soweit es mir richtig schien, und hoffe, dass die eine oder andere Frau die sogenannte „Frauensolidarität“ da und dort mal sausen lässt. Leider sind einige Männerbündler auch nicht besser.
Der Sinn des Ganzen innerhalb des Threads besteht darin, dass die Männer die gleichen Fehler nicht nachmachen sollen. Eine schlaue Anschlussfrage wäre etwa: Haben nicht die Männer selber angefangen (Feminismus als blosse Reaktion)?
Gruss
Mike