Diskussion über Punkte bei Leistungsnachweisen

Hallo,

es geht, wie so häufig, um eine Diskussion über die Punkteanzahl bei Leistungsnachweisen.

Fall 1: Bei einem Leistungsnachweis sollte in 5 Schritten eine Formel umgestellt werden. Der Schüler setzt grundsätzlich keine Einheiten ein, vergisst beim ersten Umstellen ein ² und addiert folglich im Anschluss cm mit cm². Somit erhält er schlussendlich ein von den Zahlen her falsches Ergebnis, dem er die Einheit cm anhängt. Wie viele von 5 Punkten sollte der Schüler eurer Meinung nach für diese Leistung erhalten?

Fall 2: Ein Schüler soll für 2 Punkte die Kraft berechnen, die ein 20 µm dicker Faden aushalten kann, wenn dieser eine Zugfestigkeit von … MPa hat. Da der Schüler nicht µm sondern mm oder gar cm in die Formel einsetzt, kann sein Faden rein rechnerisch rund 10000 kN Kraft aushalten. Dafür möchte er einen „Folgefehler-Punkt“ haben, den ihm der Lehrer mit Hinweis auf „solche Festigkeiten gibt es in der Technik grundsätzlich nicht“ verwehrt. Wie würdet ihr den Fall beurteilen? Folgefehler bei absolut undenkbaren Ergebnissen: Ja oder Nein?

Danke
Slides-Only

Hallo,

… den ihm der Lehrer mit
Hinweis auf „solche Festigkeiten gibt es in der Technik
grundsätzlich nicht“ verwehrt.

Das ist m.E. eine wacklige Begründung. Der Schüler sollte eine Rechnung durchführen. Eine Plausibilitätsprüfung oder gar die Kenntnis des in der Technik machbaren, war nicht seine Aufgabe (oder war dies vorgegeben?)

Gruß
Werner

Hallo Werner,
vielleicht hätte ich erwähnen sollen, dass es sich bei den „Schülern“ um Studenten der Maschinenbautechnik handelt. Dann wirst Du die Angelegenheit sicher anders bewerten.
Grüße
Slides-Only

auf femden Territorium
Hallo,
ich stecke in dieser Materie wirlich überhaupt nicht drin, darum kann ich die Dimension der Abweichung nicht ermessen, aber im Prinzip wäre zu fragen was genau die Aufgabe des Studenten war. Das ist ja eine Leistungskontrolle. Welche Leistung wurd hier geprüft, Mathematik oder Materialkunde?

Wenn es sich etwa um Mathematik ging, und dann dort Beispiele verwendet werden, ohne dass sichergestellt ist, dass die Studenten die Materie dieser Beispiele hatten, dann wäre ein solches Vorgehen sogar in höchstem Maße unfair.

Der Student wird hier vielleicht für sich reklamieren, dass er einen Lese-/Übertragungsfehler aus der Aufgabenstellung gemacht hat und dann in gutem Glauben mit den vorgegebenen Werten weiter gerechnet hat. Für unrealistische Ausgangswerte fühlte er sich nicht verantwortlich.
Oder sind alle Rechnungen, die im Studium ausgeführt werden, durch und durch realistisch?

Wenn die Aufgabe war, einen bestimmten Rechenweg zu demonstrieren, dann hat er dies anscheinend gemacht und es wäre, zu fragen für welchen Teil der Aufgabe (den er nicht erfüllt hätte) ein weiterer Abzug vorgenommen würde.

Ich weiss auch, dass damit argumentiert wird, dass selbst kleine Flüchtigkeiten, wie etwa ein verschobenes Komma oder wie hier eine falsch geschriebene Einheit im wirklichen Leben zu katastrophalen Konsequenzen führen.
Im Grunde liegt hier aber eine Nachlässigkeit des Aufgabenstellers vor (entschuldige wenn ich dich damit treffen sollte), wenn Plausibilität kein bekanntes Kriterium der Aufgabe ist.

Sollte die Plausibilität von Ergebnissen aber bekanntermaßen immer gegeben sein, dann liegt hier mehr als ein Folgefehler vor.

Gruß
Werner

Hallo,

OK, mit der Info, dass es sich um Studenten handelt. Als Dozent verhalte ich mich anders als in der Schule, von meinen Wirtschaftsingenieuren erwarte ich etwas anderes als von pubertären 8. Klässlern.

Fall 1: Bei einem Leistungsnachweis sollte in 5 Schritten
eine Formel umgestellt werden. Der Schüler setzt grundsätzlich
keine Einheiten ein,

Abzug -1

vergisst beim ersten Umstellen ein ² und

schwerer Rechenfehler, noch einer weg.

addiert folglich im Anschluss cm mit cm².

falsche Dimension nicht erkannt, noch einer weg.

Somit erhält er
schlussendlich ein von den Zahlen her falsches Ergebnis, dem
er die Einheit cm anhängt.

unsinniges Ergebnis nicht erkannt, einer weg.

Wie viele von 5 Punkten sollte der
Schüler eurer Meinung nach für diese Leistung erhalten?

Bei mir maximal einen Punkt, wenn der Ansatz OK ist, falls der Ansatz trivial ist, dann dafür, dass der Weg einigermaßen richtig ist.

Fall 2: Ein Schüler soll für 2 Punkte die Kraft berechnen,
die ein 20 µm dicker Faden aushalten kann, wenn dieser eine
Zugfestigkeit von … MPa hat. Da der Schüler nicht µm sondern
mm oder gar cm in die Formel einsetzt, kann sein Faden rein

Falsche Einheit: -1

rechnerisch rund 10000 kN Kraft aushalten. Dafür möchte er
einen „Folgefehler-Punkt“ haben, den ihm der Lehrer mit
Hinweis auf „solche Festigkeiten gibt es in der Technik
grundsätzlich nicht“ verwehrt. Wie würdet ihr den Fall
beurteilen? Folgefehler bei absolut undenkbaren Ergebnissen:

Nein!
Wenn einer Ingenieur werden will und dieses falsche Ergebnis nicht erkennt, und dann noch rumzickt, dann hat er ein Problem.
Wahrscheinlich war er mit dieser Methode in der Schule erfolgreich, … .

Gruß

Salve!

Bei einem Leistungsnachweis sollte in 5 Schritten eine Formel umgestellt werden.

Der Schüler setzt grundsätzlich keine Einheiten ein

Schwierig zu beurteilen. Wurde den Schülern mitgeteilt, daß Einheiten immer mitzunehmen sind und bei Verstoß Punkte abgezogen werden??

Es gibt schlaue Schüler, die aus halb geniehaften Ideen heraus phantastische Lösungswege entwerfen und trotz fehlender Einheiten die Übersicht bewahren und zum Schluß was Richtiges rausbekommen.
Es gibt auch normale oder leistungsschwache Schüler, die hin und wieder mit Bombenideen glänzen.

Preisfrage: Sollten Schüler a) generell hart bestraft werden, weil formalistische Gesichtspunkte ignoriert wurden? Oder sollte b) eher symbolisch und differenziert abgezogen werden, weil der Ansatz = Idee = Beweis für Begreifen-Anwendenkönnen-Durchdenken höher wiegt, so daß am Ende trotz des leichten Minus immer noch 96% der Punkte stehen?

Während meiner Schulzeit erfolgte die Zensierung meistens nach Methode b). Die entsprechende Zensur hieß noch 1. (1+, 1-, 2+ etc. gab es in der DDR nicht.)

Schüler, die jedoch die Übersicht verlieren und denen die Einheiten geholfen hätten, bekommen den Punkteabzug (hoffentlich) sowieso für fehlerhafte Rechenwege und falsche Lösungen aufgebrummt.

Ein bissiger Kommentar des Lehrers unter die Leistungskontrolle, daß einem der Unsinn nicht passiert wäre, hätte man die Einheiten mitgenommen, hilft da viel mehr.

Artverwandte Probleme sehe ich in den Universitäten. Ich muß hin und wieder Klausuren entwerfen und bewerten und konsultiere des öfteren die Machwerke meines Vorgängers. Ich bin da immer wieder erschüttert, wie dort eine aggressive, unbarmherzige Ich-zeige-den-minderwertigen-Studenten-wo-der-Hammer-hängt-Zensierung betrieben wurde. Sowas ist größtmöglicher Unfug. Auch in der Universität, d.h. in der Hoch schule , sollte der Student lernen können, lernen dürfen. Humboldtsches intellektuelles Spielen braucht Raum, braucht Gelegenheiten, braucht Freiheiten und es muß bewußt Möglichkeiten zu Fehlern geben. 0 Punkte beziehungsweise extreme Strafen für kleinste formale Fehler und 100% der Punkte nur für perfekte, korrekte Rechnungen widerspricht konzeptionell dem Wesen der Universität, untergräbt den ideellen und ökonomischen Zweck von Bildung und zerstört sukzessive Kreativität, Motivation und Streben der Studenten.

Die Universität ist die Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden und kein obrigkeitsstaatliche Anstalt, wo Untermenschen Studenten beherrscht statt belehrt werden.

vergisst beim ersten Umstellen ein ²

-1/2

und addiert folglich im Anschluss cm mit cm².

-1

ein von den Zahlen her falsches Ergebnis, dem er die Einheit cm anhängt

Ohne konkrete Informationen schwierig zu entscheiden. Liegt die Lösung weit abseits der Piste?

falsches Ergebnis generell -1

Die Probe beziehungsweise die Prüfung auf Plausibilität gehört schon zu den Pflichten der Schüler in der 1. Klasse. Streng geahndet werden muß die Dreistigkeit von Schülern, unlogische Ergebnisse rotzfrech doppelt unterstreichen. Hier muß der größte Punktabzug erfolgen und umgekehrt sollten Schüler bescheiden belohnt werden, wenn sie ihre Fehler zum Schluß erkennen. Ich empfehle z.B. den Studenten immer, wenigstens hinzuschreiben, daß sie ein falsches Ergebnis entdecken konnten, warum das Ergebnis falsch ist und wie sie ggf. verfahren würden, wenn sie die Zeit zum Wiederholen der Rechnung hätten.
Ich versuche, diese Plausibilitätskontrollen wohlwollend und großzügig zu belohnen, sofern der Professor es zuläßt. Mir ist ein Student, der seinen Kladderadatsch durchdenkt, analysiert und methodisch korrigiert zehnmal lieber als die formalistischen Auswendiglerner und Kochrezepte-Auskotzer, die oftmals noch die dümmsten Ergebnisse stehenlassen.

Im richtigen Leben später geht keine einzige Berechnung ungeprüft irgendwohin, gleich überhaupt nicht, wenn ein Berufseinsteiger gerechnet hat. :wink: Und mehrheitlich arbeitet man im Kollektiv Team, wo Altingenieure und andere gestandene Kollegen mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Ein Schüler soll für 2 Punkte die Kraft berechnen

Wenn es keine reine Reproduktion von Fakten ist, niemals Aufgaben mit knapper Punktzahl zusammenfummeln, weil die Flexibilität in der Bewertung deutlich sinkt.

1 Punkt oder 2 Punkte gibt es für Aufgaben wie bspw. „Notieren Sie eine Gleichung, die die Geschlossenheit der Feldlinien der magnetischen Flußdichte ausdrückt.“

Darüber hinaus versuche ich selbst für relativ einfache Rechnungen um die 4 oder 5 Punkte zu geben, so daß ich a) geistiges Schaffen (Idee, Ansatz, initiale Umformungen, zielführend-methodisches Vorgehen), b) formalen Rechenweg, c) Ergebnis und d) Probe ohne Konflikte zuordnen kann. Ich bin kein Lehrer und es bereitet mir große Schwierigkeiten, die verschiedenen Aspekte der Zensierung gegeneinander abzuwiegen, wenn die Punktezahl minimal ist.

20 µm dicker Faden […] eine Zugfestigkeit von MPa hat
Da der Schüler nicht µm sondern mm oder gar cm in die Formel einsetzt

-1/2 oder -1

oder:

Anfangs fehlerhaft abgeschriebene Zahlen und andere Flüchtigkeitsfehlern sollten bei folgerichtiger Lösung noch 50% der zu erreichenden Punkte geben.

Wir empfanden diese Faustregel in der Schule immer als fair.

Der unvermeidliche, initiale Punktabzug und der durch den überflüssigen Flüchtigkeitsfehler hervorgerufene Ärger, den sich der Schüler selber macht, reichen zu.

„solche Festigkeiten gibt es in der Technik grundsätzlich nicht“

Siehe oben. Klar unlogische Lösungen und die Dreistigkeit, einem ein X für ein U vormachen zu wollen, sollten schwer bestraft werden.

Dummerweise vermittelt die Schule heutzutage keinen ordentlichen Lebensbezug, d.h. mehr und mehr Schüler haben keine Beziehung zu den Dinglichkeiten oder zu ihrer Umwelt. Wenn ich kein Gefühl für die Einheiten bekomme, kann ich schlecht nachvollziehen, daß meine berechnete Masse von 10000 Tonnen für eine kleine Dschunke grober Unfug ist.
Wie will ich dann ohne vernünftig ausgeprägten gesunden Menschenverstand solche Einschätzungen vornehmen?!?!

Von dieser Seite her ist es den Schülern nicht krummzunehmen,
denn für die Schwäche des gegliederten Schulsystems können sie nichts.

Trotzdem: Folgefehler gibt es für den Rechenweg, nicht für Ergebnisse.

reinerlein

off Topic
Hallo,
nur eine Randbemerkung:

Wie will ich dann ohne vernünftig ausgeprägten gesunden
Menschenverstand solche Einschätzungen vornehmen?!?!

Von dieser Seite her ist es den Schülern nicht krummzunehmen,
denn für die Schwäche des gegliederten Schulsystems können
sie nichts.

Tatsächlich bin ich kein Verfechter des heiligen dreigliedrigen Schulsystems, aber einer Diagnose die diesem alle auftretenden Missstände zuschiebt kann ich nicht zustimmen. Die allenthalben beobachtbaren zunehmenden Schwierigkeiten können schon rein logisch nicht in dem gegliederten Schulsystem liegen, denn schließlich ist die Zunahme von Problemen ja auch in Relation zu einem vorherigen, zum Teil noch stärker gegliederten System festzustellen.

Wenn also Menschen aus der ehemaligen DDR feststellen, das ihnen bekannte frühere, weniger gegliederte Schulsystem hätte bessere Ergebnisse gebracht, dann können Menschen aus der ehemaligen BRD das gleiche in Bezug auf ihr früheres stärker gegliedertes Schulsystem sagen.

Die wahren Ursachen liegen offensichtlich nicht hier.

Gruß
Werner

PS: Genau so halte ich den ewigen Ruf nach einer Bundeseinheitlichen Bildungspolitik als Mittel der Qualitätssteigerung für Unsinn.
Nichts hält jetzt die Bundesländer davon ab jeweils ein hervorragendes System zu haben und nichts hielte dann eine Bundesbildungspolitik davon ab, einheitlich schlecht zu sein.

Guten Morgen!

Während meiner Schulzeit erfolgte die Zensierung meistens
nach Methode b). Die entsprechende Zensur hieß noch 1. (1+,
1-, 2+ etc. gab es in der DDR nicht.)

Das macht doch absolut keinen Unterschied. Hier heißt das auchh offiziell „noch sehr gut“, aber draufgeschrieben wird halt 1-. geht schneller…

Schüler, die jedoch die Übersicht verlieren und denen die
Einheiten geholfen hätten, bekommen den Punkteabzug
(hoffentlich) sowieso für fehlerhafte Rechenwege und falsche
Lösungen aufgebrummt.

Ein bissiger Kommentar des Lehrers unter die
Leistungskontrolle, daß einem der Unsinn nicht passiert wäre,
hätte man die Einheiten mitgenommen, hilft da viel mehr.

Dem stimme ich allerdings zu. DAS merkt man sich.

Die Universität ist die Gemeinschaft der Lehrenden und
Lernenden und kein obrigkeitsstaatliche Anstalt, wo
Untermenschen Studenten beherrscht statt belehrt werden.

Das Untermenschentum scheint vor allem in technischen Studiengängen und im Bachelor vorzuherrschen. In meinem Studiengang ist die Durchfallquote mit der Einführung des Bachelors exponentiell angestiegen.

Die Probe beziehungsweise die Prüfung auf Plausibilität
gehört schon zu den Pflichten der Schüler in der 1. Klasse.
Streng geahndet werden muß die Dreistigkeit von Schülern,
unlogische Ergebnisse rotzfrech doppelt unterstreichen. Hier
muß der größte Punktabzug erfolgen und umgekehrt sollten
Schüler bescheiden belohnt werden, wenn sie ihre Fehler zum
Schluß erkennen. Ich empfehle z.B. den Studenten immer,
wenigstens hinzuschreiben, daß sie ein falsches Ergebnis
entdecken konnten, warum das Ergebnis falsch ist und wie sie
ggf. verfahren würden, wenn sie die Zeit zum Wiederholen der
Rechnung hätten.

Naja, wir mussten alle Ergebnisse immer doppelt unterstreichen, und wenn man schon froh ist, dass man in der zeit überhaupt mit allen Rechenaufgaben durchkommt, dann kann man halt nicht uach noch analysieren, wo man sich verrechnet hat. Viele Lehrer verlieren heute völlig das Zeitmaß, eine meiner Nachhilfeschülerinnen hatte neulich eine Schulaufgabe in Englisch von 6 A4-Seiten plus 2,5 Seiten Lesetext, die in 60 Minuten bearbeitet werden sollte. Ich bin ziemlich sicher, dass ich nur sehr knapp durchgekommen wäre.

Ein Schüler soll für 2 Punkte die Kraft berechnen

Wenn es keine reine Reproduktion von Fakten ist, niemals
Aufgaben mit knapper Punktzahl zusammenfummeln, weil die
Flexibilität in der Bewertung deutlich sinkt.

1 Punkt oder 2 Punkte gibt es für Aufgaben wie bspw.
„Notieren Sie eine Gleichung, die die Geschlossenheit der
Feldlinien der magnetischen Flußdichte ausdrückt.“

Darüber hinaus versuche ich selbst für relativ einfache
Rechnungen um die 4 oder 5 Punkte zu geben, so daß ich a)
geistiges Schaffen (Idee, Ansatz, initiale Umformungen,
zielführend-methodisches Vorgehen), b) formalen Rechenweg, c)
Ergebnis und d) Probe ohne Konflikte zuordnen kann. Ich bin
kein Lehrer und es bereitet mir große Schwierigkeiten, die
verschiedenen Aspekte der Zensierung gegeneinander abzuwiegen,
wenn die Punktezahl minimal ist.

Bei 2 Punkten hättest du für a, b, c und d jeweils 0,5 Punkte vergeben.

20 µm dicker Faden […] eine Zugfestigkeit von MPa hat
Da der Schüler nicht µm sondern mm oder gar cm in die Formel einsetzt

Siehe oben. Klar unlogische Lösungen und die Dreistigkeit,
einem ein X für ein U vormachen zu wollen, sollten schwer
bestraft werden.

Das muss absolut keine Dreistigkeit sein. Mir hat als Schüler kein Lehrer vermittelt, was denn nun ein µm genau ist. Ich hatte dazu absolut keinen Bezug, für mich war mm das kleinste, was es gab, und dann sprach in der Physik plötzlich jemand von einer Einheit, von der ich nie im Leben etwas gehört hatte und es hat auch nie jemand im Entferntesten daran gedacht, uns zu erklären, wie viel denn ein µm in Relation zu einem mm ist. Das Problem ist, dass es für einen Physiklehrer so elementar und klar zu sein scheint, dass er einfach vergisst, das mal zu erwähnen. Mir hat irgendwann mein Vater demonstriert, was der Unterschied zwischen einem µm und einem mm ist. Der ist aber Ingenieur, nicht Lehrer.

Dummerweise vermittelt die Schule heutzutage keinen
ordentlichen Lebensbezug, d.h. mehr und mehr Schüler haben
keine Beziehung zu den Dinglichkeiten oder zu ihrer Umwelt.
Wenn ich kein Gefühl für die Einheiten bekomme, kann ich
schlecht nachvollziehen, daß meine berechnete Masse von 10000
Tonnen für eine kleine Dschunke grober Unfug ist.

Aber das hat nichts mit einem fehlenden Lebensbezug zu tun sondern schlicht und einfach mit dem fehlenden Verständnis dafür, dass Schüler Grundlagen vielleicht doch nicht kennen.

Wie will ich dann ohne vernünftig ausgeprägten gesunden
Menschenverstand solche Einschätzungen vornehmen?!?!

Von dieser Seite her ist es den Schülern nicht krummzunehmen,

denn für die Schwäche des gegliederten Schulsystems können
sie nichts.

Ich wage hier anzufügen, dass die am stärksten gegliederten Systeme in Deutschland (Sachsen, Bayern, BaWü) es auch am Besten verstehen, ihren Schülern naturwissenschaftliche Grundbildung zu vermitteln.

LG, Sarah

Aw: leichter Widerspruch
Guten Abend.

Tatsächlich bin ich kein Verfechter des heiligen dreigliedrigen Schulsystems, aber einer Diagnose die diesem alle auftretenden Missstände zuschiebt kann ich nicht zustimmen. Die allenthalben beobachtbaren zunehmenden Schwierigkeiten können schon rein logisch nicht in dem gegliederten Schulsystem liegen, denn schließlich ist die Zunahme von Problemen ja auch in Relation zu einem vorherigen, zum Teil noch stärker gegliederten System festzustellen.

Ich verstehe Dein Argument, möchte Deine Aufmerksamkeit aber auf die Ideologie lenken.

Das gegliederte Schulsystem separiert Kinder nach der rechtskonservativen Begabungstheorie handwerkende Hauptschüler - kaufmännische Realschüler - belesene Gymnasiasten. Bereits aus diesem fehlgeleiteten Ansatz entspringt zwangsläufig eine ganze Latte systemimmanenter Probleme, die nicht gelöst werden können, ohne die Mehrgliedrigkeit aufzugeben.

Ein Problem ist die von Schulform zu Schulform abnehmende Lebensbezogenheit; je höher die Schulform, desto größer der Graben zwischen Schule und Leben, Schule und Beruf, Arbeiten und Lernen. Und dieser Zustand ist politisch gewollt.

„Meine“ Schule hingegen propagierte die „Lebensverbundenheit“ und die Überwindung der künstlich geschaffenen Gegensätze des Bildungssystems der Ständegesellscahft. So wurde oft von der „Verbindung von Beruf und Schule“, der „Verbindung von produktiver Arbeit und geistigem Lernen“, der „Verbindung von Schule und Leben“ und der „polytechnischen Erziehung“ gesprochen. (Teilziele der Allgemeinbildung)

Die Einheitsschule machte hierbei keine Unterschiede in bezug auf die familiäre Herkunft. Intelligenzkinder mußten die gleichen Anforderungen im polytechnischen Unterricht bewältigen wie Arbeiterkinder im Lese- und Sprachunterricht. Die unterschiedliche Sozialisation wurde dadurch neutralisiert; der Lebensbezug diffundierte facettenreich in die Schule hinein - die Kinder waren schon im Säuglingsalter (Kinderkrippe) umgeben davon, so daß wirklich jeder die notwendigen Beziehungen zur Umwelt aufbauen konnte bzw. mußte. Kinder ohne ein Minimum physikalischer Vorstellungskraft gab es einfach nicht.

Das gegliederte Schulsystem hingegen weicht dem Leben aus, indem die Trennung in Hauptschule, Realschule und Gymnasium den Charakter des Lernens definiert. Eine völlig unsinnige Trennung, die nicht nur nicht notwendig ist, sondern auch Erstsemesterstudenten in Ingenieurstudiengängen produziert, die noch nie im Leben ordentlich Werkzeuge benutzt oder mit dem Lötkolben hantiert haben. Um den schönen Satz zu bemühen: Früher hat es das nicht gegeben.

Das Problem mit den reizübefluteten, entrückten Kindern ist daher durchaus eine dem System innewohnende Erscheinung, die bisher einfach nocht nicht im großen Stil hervorgetreten ist, von der Schulstruktur aber kräftig befeuert wird.

Viele Grüße

reinerlein

Hallo,

meine Ausführungen nahmen aber auf etwas anderes Bezug.
Die Überlegenheit eines ungegliederten Schulsystems lässt sich nicht mit der Feststellung von gegenwärtigen Verschlechterungen begründen, denn diese bestehen ja, wie gesagt, auch in Bezug auf frühere Verhältnisse im gegliederten System und es ist riene Spekulation, dass bei fortbestehen der POS die Probleme heute nicht auch gegeben wären.

Deine Überlegungen mögen richtig sein, nur finden sie keine Basis in
deinem zuerst vorgebrachten Argument bzw. deiner Kritik.

Ohne die Wirklichkeit der DDR-Schule aus eigenem Erleben zu kennen, erkenne ich in deiner Schilderung doch eine kontrafaktische Idealisierung.

Zum einen war der Zugang zu den höheren DDR-Schulen keineswegs so frei. Die Plätze waren politisch gewollt niedrig bemessen. Auch intellektuell interessierte Kinder wurden nach Plan und ideologie in praktisch orientierte Bildungsgänge gedrängt (auf andere Weise etwas, das du dem Dreigliedrigen System vorwifst). Zunehmend fanden sich in den Oberschulen doch Intelligenzkinder und auf der anderen Seite wurden befähigte Schüler aus politischen Grunden ausgeschlossen.

Auch kenne ich Schilderungen nach denen der schulische Lebensbezug oft schlicht in zusätzlicher Produktionstätigkeit bestand - ohne pädagogische Einbindung. Also im Grunde ein schulisch verordneter Nebenjob. Etwas das auch westliche Oberschüler aus anderen Gründen durchaus kannten.

Idee und Wirklichkeit klafften also auch dort auseinander. Vor allem stört mich aber deine ideologisierende Wortwahl.
Die Vorteile eines weniger gegliederten Systems (denn ungegliedert war auch das DDR-System nicht) wird nicht dadurch deutlicher, dass dem dreigliedrigen System ein geheimer Plan zur Konservierung einer angeblichen Ständegesellschaft unterstellt wird.

Gruß
Werner

Hallo!

Das gegliederte Schulsystem separiert Kinder nach der
rechtskonservativen Begabungstheorie handwerkende Hauptschüler

  • kaufmännische Realschüler - belesene Gymnasiasten. Bereits
    aus diesem fehlgeleiteten Ansatz entspringt zwangsläufig eine
    ganze Latte systemimmanenter Probleme, die nicht gelöst werden
    können, ohne die Mehrgliedrigkeit aufzugeben.

Darum geht es doch schon lange nicht mehr. Hier laufen sehr viele ehemalige Haupt- und Realschüler an der Uni rum, viele haben das Abitur ohne Schulzeitverlängerung gegenüber den Gymnasiasten geschafft. Es geht inzwischen schon lange darum, dem Kind das zu geben, was es in dem Moment braucht. Übergangsmöglichkeiten auf die nächsthöhere Schule gibt es, die werden nur selten genutzt, außer der Schnittstelle Hauptschule M/FOS und Realschule/FOS. Ich bin jedenfalls froh, dass wir kein französisches System haben, in dem einfach mal keiner was lernt.

Kinder ohne ein Minimum physikalischer Vorstellungskraft gab
es einfach nicht.

Das kann ich mir absolut nicht vorstellen. Mein Vater ist wie gesagt Ingenieur und hat immer und immer wieder versucht, mich für Physik zu begeistern. Verstanden, worum es dabei geht, habe ich nie. Außer Gewichtskraft und Flaschenzug. Aber wie das vonstatten geht, das verstehe ich auch nur, weil ich es intellektuell nachvollziehen kann, nicht weil ich mir vorstellen kann, wie das funktioniert. Und andererseits kenne ich jede Menge Leute aus absoluten Nichtakademikerfamilien, die eine ganze Menge physikalische Vorstellungskraft haben.

Eine völlig unsinnige
Trennung, die nicht nur nicht notwendig ist, sondern auch
Erstsemesterstudenten in Ingenieurstudiengängen produziert,
die noch nie im Leben ordentlich Werkzeuge benutzt oder mit
dem Lötkolben hantiert haben. Um den schönen Satz zu bemühen:
Früher hat es das nicht gegeben.

Also ich kenne ja einige Leute, die irgendwas ingenieurmäßiges studieren, und in jedem dieser Studiengänge war ein entsprechendes Vorpraktikum Pflicht.

Das Problem mit den reizübefluteten, entrückten Kindern ist
daher durchaus eine dem System innewohnende Erscheinung, die
bisher einfach nocht nicht im großen Stil hervorgetreten ist,
von der Schulstruktur aber kräftig befeuert wird.

Ich wusste gar nicht, dass die Schule dafür zuständig ist, dass Kinder ständig Playstation und Nintendo DS spielen…

LG, Sarah