Diverse schwäbische ländliche Ausdrücke

Hallo!

Habe einen Bildband über unser schönes Sersheim während der letzten 100 Jahre in die Hand bekommen.
Hierin erzählt eine Sersheimerin aus ihrer Jugend; dürfte wohl vor dem 2. Weltkrieg gewesen sein.

Da kamen einige Ausdrücke vor, die wohl zumeist mit dem ländlichen/landwirstschaftlichen Leben zu tun haben, die ich noch nie gehört habe.

Könnt Ihr mein Schwäbisch aufpolieren?

  • Überzwerch (nicht als Adjektiv im Sinne von verquer, verkehrt, sondern als Hauptwort, muß wohl ein Teil vom Schwein oder Rind sein)

  • Haile

  • „den Schick durch die Zähne striezen“

  • „die Rufen vom Gesicht reißen“

Besten Dank schon mal!
Grüßle
Regina

P.S. Und wieder ein Fall, wo Fritz mit Sicherheit weiterhelfen könnte!
Wir wollen ihn wiederhaben!

Moin, Regina,

  • Überzwerch

der Zwerch ist ein Flurstück, das als Zwickel recht nutzlos eingeklemmt ist. Ich tippe auf einen Flurnamen.

  • „die Rufen vom Gesicht reißen“

Schorf, entweder von Schürfwunden oder von einem Bletzen (Herpes).

Gruß Ralf

Moin, Regina

und Ralf,

  • Überzwerch

der Zwerch ist ein Flurstück, das als Zwickel recht nutzlos
eingeklemmt ist. Ich tippe auf einen Flurnamen.

es ist auch der Name für ein Stück Rindfleisch:

http://www.scheu-weber.de/scm/index.jsp?uid=117 (Nr. 7) und

http://www.taz.de/pt/2001/02/03/a0212.1/text (16)

Und für s’Haile geben sie auf http://bad-wildbad.info/schwaben.htm „kleine Hacke“ an.

Mit Kontext könnte man vielleicht noch mehr herausfinden…

Gruß
Kreszenz

2 Like

Salve Regina,

ich heiße zwar nicht Fritz, bin aber auch ein alter Schwabe und versuche mein
Bestes:

Habe einen Bildband über unser schönes Sersheim während der
letzten 100 Jahre in die Hand bekommen.
Hierin erzählt eine Sersheimerin aus ihrer Jugend; dürfte wohl
vor dem 2. Weltkrieg gewesen sein.

Damit kann ich nicht ganz dienen: Mein Vater kam im Januar '48 aus der
Gefangenschaft zurück, im Oktober '48 konnte ich daher erst geboren werden (bin
also die Inkarnation der Wiedersehensfreude, was mich sehr stolz macht!)

Da kamen einige Ausdrücke vor, die wohl zumeist mit dem
ländlichen/landwirstschaftlichen Leben zu tun haben, die ich
noch nie gehört habe.

Könnt Ihr mein Schwäbisch aufpolieren?

ich denke schon!

  • Überzwerch (nicht als Adjektiv im Sinne von verquer,
    verkehrt, sondern als Hauptwort, muß wohl ein Teil vom Schwein
    oder Rind sein)

Das ist Siedfleisch von oberhalb des Zwerchfells. Das Adjektiv leitet sich von
dort ab, weil dieses Fleisch viele „Knurfeln“, Sehnen, „Gezadder“ usw. enthält.

  • Haile

Gartahaile, eigentlich „Häule“, eine kleine Haue bzw. Hacke.

  • „den Schick durch die Zähne striezen“

In Österreich noch als „Tschik“ lebendig, der dort heute die Zigarette meint.
Früher war der Tschik eigentlich der Pfriem, ein Stück Kautabak. Die Tabakkauer
spritzten von Zeit zu Zeit einen Strahl ihrer bräunlich gefärbten Spucke durch
die Zahnlücken oder Spalten zwischen den Zähnen. Unangenehm, wie die blöde
Spuckerei unserer Fußballprofis.

  • „die Rufen vom Gesicht reißen“

Rufamichl war ein Neckname für ein Kind, das Rufen im Gesicht hatte, Schorfe von
irgendwas – entweder Wunden oder Pickel oder Ausschlag. Das Necken kam sicherlich
von letzterem, weil man sich vor Kindern mit ansteckenden Ausschlägen fernhielt.
Zudem hatten undisziplierte Kinder, die sich Schorf zu früh abpopelten, ständig
Schorf im gesicht und wurden schon deshalb geneckt.

Ich hoffe, ich konnte etwas Licht ins Dunkel Deiner schwäbischen Vorgeschichte
bringen! Und ich finde es toll, dass es heute noch solche Veröffentlichungen gibt
und dass sie auch gelesen werden!

Grüße aus der Diaspora
Bolo

Servus Bolo,
nur eine ganz kleine Beckmesserei:
ein Pfriem ist eine Ahle – die willst Du nicht zwischen den Zähnen haben.
Du meintest den Priem - den willst Du wahrscheinlich auch nicht … :wink:

Kai

Hallo, Kreszenz!

es ist auch der Name für ein Stück Rindfleisch:

http://www.scheu-weber.de/scm/index.jsp?uid=117 (Nr. 7) und

Ja, genau das isses!

Und für s’Haile geben sie auf
http://bad-wildbad.info/schwaben.htm „kleine Hacke“ an.

Mit Kontext könnte man vielleicht noch mehr herausfinden…

Ja, schon klar, ich hab auch den Kontext nochmal quergelesen, aber das Wort nicht mehr gefunden; aber da es ums ländliche Alltagsleben geht, könnte die kleine Hacke schon passen.

Besten Dank und Grüßle
Regina

Hallo, Bolo!

Du bist ja spitze, alle meine Fragen in einem Aufwasch, quasi mit links, beantwortet.

Tja, an meiner Unkenntnis dieser Ausdrücke merkt man halt doch, daß ich erstens nur Halbschwäbin bin und zweitens meine ersten Lebensjahre in der Stadt verbracht habe; als ich dann endlich Landei wurde, waren diese Worte und Dinge auch auf dem Land nicht mehr so gebräuchlich.

Grüßle
Regina

Hai Kai,

nur eine ganz kleine Beckmesserei:

Fehler sollte man korrigieren, bevor sie sich verbreiten!

ein Pfriem ist eine Ahle – die willst Du nicht zwischen
den Zähnen haben.
Du meintest den Priem - den willst Du wahrscheinlich auch
nicht … :wink:

Du hast vollkommen Recht! Mir ist der Pfriem nur deshalb rausgerutscht, weil man
bei uns in der Gegend auch zum Priem Pfriem sagt – keine Ahnung, warum …

Ciao
Bolo

Hallo Regina,

Du bist ja spitze, alle meine Fragen in einem Aufwasch, quasi
mit links, beantwortet.

Ha no, entweder weiß man’s oder man weiß es nicht …

Tja, an meiner Unkenntnis dieser Ausdrücke merkt man halt
doch, daß ich erstens nur Halbschwäbin bin und zweitens meine
ersten Lebensjahre in der Stadt verbracht habe; als ich dann
endlich Landei wurde, waren diese Worte und Dinge auch auf dem
Land nicht mehr so gebräuchlich.

Nu, zum einen bin ich halt auch ein paar Lenze älter, zum anderen zwar auch in
der Stadt aufgewachsen, aber durch Naturnähe (hinter dem Haus waren Wiese und
Wald, vor dem Haus war ein als Nutzgarten bestelltes Stück Land) weiß ich, was
ein Gartahaile ist. Da meine Mutter Metzgerstochter war, war ich auch in solchen
Dingen geschult. Und weil ich besonders gerne den Erzählungen aus früheren Zeiten
(„Mamma, vrzehl mr wiedr ebbas von frier, wo du no a Mädle warsch ond d’
Großmuddr no dei Mamma“) meiner Mutter, meines Vaters und meiner Großeltern
lauschte, weiß ich auch über den Priem Bescheid, obwohl zu meiner Zeit niemand
mehr priemte. Und Rufen – ja, Rufen hatte ich selber genug …

Gruß
Bolo