Sorry, aber ich verstehe immer noch nicht wie eine Zelle aus
einem nackten DNS-Strang entsteht? Und wie schaffen es diese
nackten DNS-Stränge sich zu replizieren?
Das ist eine lange Geschichte. Zunächst zur Replikation:
Dazu müssen wir ein wenig in die chemische Reaktionskinetik eintauchen. Wenn zwei Stoffe zu einem Produkt reagieren wollen, dann müssen sie eine bestimmte Energiebarriere überwinden, die in der Theorie von Arrhenius Aktivierungsenergie genannt wird. Unter ansonsten gleichen Bedingungen läuft diejenige Reaktion am schnellsten ab, die die kleinste Aktivierungsenergie hat. Laufen sehr viele Reaktionen gleichzeitig mit ähnlichen geschwindigjkeiten ab, dann kann man eine Reaktion zur Hauptreaktion machen, indem sie durch Herabsetzung ihrer Aktivierungsenergie beschleunigt. Dies erreicht man, indem man einen Katalysator zusetzt.
Nun gibt es eine spezielle Klasse von chemischen Reaktionen, die sogenannte Autokatalyse, die durch die Anwesenheit eines Katalysators beschleunigt werden, der bei der Reaktion selbst entsteht. In einem Ausgangsgemisch, in dem verschiedene parallele Reaktionen möglich sind, wird sich die Autokatalyse, sobald sie einmal gestartet ist gegenüber allen anderen Reaktionswegen durchsetzen, weil sie sich durch die wachsende Konzentration des Autokatalysators ständig beschleunigt und allen anderen Reaktionen die Ausgangsstoffe entzieht. Interessant in unserem Fall ist die Tatsache, daß auch bestimmte RNA-Moleküle die Fähigkeit besitzen, ihre eigene Bildungsreaktion zu beschleunigen.
Mischt man also eine Suppe aus Nukleotiden zusammen und stellt diejenigen Bedingungen her, unter denen sie zu RNA-Molekülen reagieren, dann wird man am Ende nur noch derartige autokatalytische RNA-Moleküle in der Lösung finden, weil sie aus den in der Lösung herumschwirrenden Nucleotiden immer wieder neue Kopiene von sich herstellen und daher die Bildungsgeschwindigkeit viel größer ist als die Zerfallsgeschwindigkeit.
Derartige Versuche sind tatsächlich gemacht worden und die dabei immer wieder auftretenden Spezies von autokatalytischen RNS-Molekülen gelten als heißeste Kandidaten für den Beginn der Evolution.
Nun zur Bildung von Zellen:
Dieser Schritt ist der am wenigsten verstandene, was aber nicht bedeutet, daß man keine Idee hätte, wie er sich vollzogen haben könnte. Eine dieser Ideen geht davon aus, daß die sich zunächst ungeschützte RNA-Moleküle bildeten und daß im Laufe der chemischen Evolution zufällig eine autokatalytische RNA-Spezies entstanden, die eine Affinität zu Aminosäuren zeigt. Diese hätte sich mit einer Hülle aus Aminosäuren umgeben (welche von selbst zu Peptiden reagieren würden), wodurch sie besser geschützt worden wäre, als ihre ungeschützten Kollegen und damit bei gleicher Bildungsgeschwindigkeit langsamer zerfallen wäre. Damit hätte sie einen Vorteil gegenüber anderen RNA-Molekülen gehabt auf deren Kosten sie sich schneller „vermehrt“ (ich setze die Anführungszeichen, weil diese Vorgänge nach wie vor physikalisch-chemisch und niocht biologisch sind) hätte. Damit hätten wir bereits die erste primitive Urzelle.
Andere Theorien gehen davon aus, daß sich bereits die ersten autokatalytischen RNA-Moleküle in fertigen Membranen entwickelten. Für den Ursprung dieser Membranen gibt es viele Kandidaten. Es könnte sich um Mizellen handeln oder auch um semipermeable Oberflächen bestimmter Sulfide und kürzlich wurde siogar nachgewiesen, daß sich geeignete zellartige Strukturen auch unter Weltallbedingungen bilden und mit Meteoriten auf die Erde gelangen können.
Mitochondrien sind meines Wissens in erst wesentlich später in
Zellen eingewandert, man vermutet das Ergebnis eine perfekten
Symbiose zwischen Zellen und Bakterien.
Ohne Mitochondrien kann doch eine Zelle nicht funktionieren!
Es gibt genügend Zellen, die bestens ohne Mitochondrien auskommen. Die Versklavung von Mitochondrien ist sogar experimentell durchgeführt worden. Dazu hat man eine Mitochondrienfreie Amöbe genommen und ihr ein Lebewesen vorgesetzt, welches eng mit den Mitochondrien verwandt ist (ich glaube es war eine Bakterie). Anstatt das kleine Kraftwerk zu fressen, hat die Amöbe es absorbiert und beide bildeten eine Symbiose, in der die Amöbe den Brennstoff lieferte und das Mitochondrion die Energie. Die Verbindung war sogar so eng, daß beide Symbionten bereits nach wenigen Generationen nicht mehr allein lebensfähig waren.
Selbst bei den günstigsten Umständen, warme gemütliche Ursuppe
plus Baustoffe, würde die Anwesenheit von Sauerstoff in der
Atmosphäre die gerade entstandenen einfache simplen
Aminosäuren wieder chemisch trennen. Bei einem Mangel an
Sauerstoff jedoch würde die Strahlung aus dem All ungehindert
die Aminosäurenverbingen energetisch trennen. Was für ein
Teufelskreislauf…?!
Kein Teufelskreis. Das Leben enstand vermutlich an den Black-Smokern in der Teifsee, also bestens geschützt vor der Strahlung aus dem All und der erste Sauerstoff entstand erst viele hundert Millionen Jahre nach der Enstehung des Lebens. Tatsächlich hat diese Sauerstoffkatatstrophe die meisten Lebewesen ausgelöscht, aber das Leben war beretis soweit entwickelt, daß es einige wenige Lebensformen geschafft haben sich an die geänderten bedingungen anzupassen.
Da Du Programmierer bist, solltest Du Dich im Zusammenhang mit der Evolution ein wenig mit dem Spiel „Core War“ befassen. Dort geht es um Computerprogramme, die in einem simulierten Rechner „leben“ und die Aufgabe haben im Konkurrenzkampf um Ressourcen zu überleben. Anhand dieses Spiels kann man Präevolution und Evolution anschaulich erklären und in erträglichen Zeiträumen durchspielen.
Zur Simulation der Präevolution schreibt man einfach einen Zufallsgenerator, der zufällige Bitkombinationen in den Speicher wirft und versucht, diese als Programmcode auszuführen. Damit simuliert man die zufälligen chemischen Reaktionen in der Ursuppe.
Nach einiger Zeit werden die ersten lauffähigen Programme entstehen, welche den stabilen chemischen Verbindungen in der Ursuppe entsprechen. Einige dieser Programme werden sogar in der Lage sein, sich selbst zu reproduzieren. Das einfachste dieser Art besteht aus einem einzigen Befehl, der sich selbst in die darauffolgende Speicherposition kopiert (der Imp). Diese Programme entsprechen den autokatalytischen RNA-Molekülen.
Um die Mutation zu simulieren muß man dafür sorgen, daß der simulierte Prozessor Fehler bei der Abarbeitung der Kopierbefehle macht. Diese Fehler entsprechen den in der Natur unvermeidlichen Fehlern beim Aufbau großer Moleküle. Das wird dazu führen, daß die Programme nicht nur identische Kopien voneinander produzieren, sondern auch leicht veränderte Mutanten.
Die Entwicklung wird zwangsläufig zu reproduktionsfähigen Programmen führen, die trotz der Konkurrenz durch neu entstehende Zufallsprodukte und die immer wieder auftretenden Fehler bei der Reproduktion überlebensfähig sind und sich im Kampf um Speicherplatz und Rechenzeit sogar erfolgreich gegen Kampfprogramme durchsetzen, die von Menschen geschrieben wurden.