Doktorarbeit - wie anfangen?

Liebe/-r Experte/-in,

ich möchte eine Doktorarbeit schreiben und hätte gern eine Einschätzung, ob ich realistische Chancen habe, damit „durchzukommen“.

Meinen Magister habe ich Ende 2003 gemacht. Note 2,1, das ist nicht gerade toll. Als Thema möchte ich mein Prüfungsthema aus dem Nebenfach (Altamerikanistik) weiterentwickeln, dort habe ich mit Note 1,1 abgeschlossen. Ich möchte hier im Netz noch nicht konkret sagen, um was es geht, nur ganz allgemein (Reiseberichte).

Das Thema steht also fest, muss aber noch eingegrenzt und der Forschungsstand aktualisiert werden. Vorarbeit und einiges Quellenmaterial ist da. Ich glaube, dass sich eine innovative Fragestellung formulieren lässt, da die Quellen wenig erschlossen sind.

Problem ist, dass ich in den letzten 5 Jahren beruflich völlig andere Sachen gemacht habe und aus dem ganzen akademischen Betrieb ziemlich „raus“ bin. Ich habe praktisch kein Netzwerk auf diesem Gebiet, kaum selbst publiziert und keine „Klinke geputzt“, nur noch einen zuverlässigen Kontakt in Costa Rica, ein Prof, der das Vorhaben in jedem Fall unterstützen würde, aber eben leider sehr weit weg ist. In Deutschland und Österreich gibt es 2-3 Profs mit ähnlichen Interessenschwerpunkten, habe aber noch keinen direkt angesprochen.

Zum Praktischen: Bin zur Zeit arbeitslos und kann mich mit Alg1 und diversen Nebeneinkommen ganz gut über Wasser halten. Neben Gelegenheitsjobs, Haushalt und Kind bleiben mir 20-30 Stunden pro Woche für die Arbeit. Bei der Selbstmotivation und -organisation sehe ich persönlich keine Probleme. Ich sehe momentan wenig Möglichkeiten zu einer wissenschaftlichen Stelle in Berlin, verspreche mir auch nicht die paradiesischen Jobchancen mit einem Dr.-Titel. Mir geht es mehr um das Thema, das ich seit vielen Jahren lieb habe und möglichst produktiv „an den Mann bringen“ möchte.

Meine Frage: sehen Sie Chancen, das Projekt zu realisieren und haben Sie ggf. Tipps, wie die Formalien zum Beginn des Vorhabens geschafft werden können?

In jedem Falle schon einmal vielen Dank, dass Sie bis hierhin mitgelesen haben. Über Antwort würde ich mich wirklich sehr freuen.

Viele Grüße aus Berlin,

Irene Reinhold

Liebe Frau Reinhold,

zunächst: es ist doch toll, wenn Sie schon ein interessantes Thema und auch einen Anfang haben! Eine realistische Einschätzung ist ehrlich gesagt schwierig, da soviele Punkte bei der Diss eine Rolle spielen.
Beim Lesen ist mir zunächst eingefallen, dass ich mich an Ihrer Stelle um ein Stipendium bewerben würde. Soweit wie ich das gerade verfolgen kann, gibt es relativ viele Stipendien für Doktoranden (allerdings habe ich nur einen groben Überblick über die Psychologie). Für ein Stipendium müßten sie sicherlich zunächst einen deutschen Professor haben, der sich prinzipiell bereit erklärt, sie zu betreuen. Inwiefern auch Ihr Prof in Costa Rica zählen würde, ist wahrscheinlich vom Stipendiengeber abhängig. Nachteil wäre hier, es wird sicherlich einige Zeit dauern, bis solche Stipendien freigegeben werden. Stipendien sind auch immer steuerfrei, so dass sie davon Krankenkasse, evtl. private Rentenverrsicherung etc. selbst tragen müßten. Ich denke, es ist sinnvoll, zunächst die drei Professoren anzuschreiben und ihnen das Thema so zu präsentieren, wie sie es mir geschrieben haben. Bitten sie einfach, um einen Gesprächstermin, wenn die Profs Interesse haben. Und erwähnen Sie auf jeden Fall den internationalen Kontakt!
Ich denke, wenn Sie jetzt schon so ein wenig eingearbeitet sind, und als Studentin haben Sie ja auch schon einmal wissenschaftlich gearbeitet, dann kommt man da nach einer Zeit auch wieder rein! Das Problem ist dann tatsächlich, auch wirklich über einen längeren Zeitraum dabei zu bleiben und motiviert zu bleiben :smile:.
Ich hoffe, ich konnte ein wenig weiter helfen. Sollten Sie noch Fragen haben, dann melden Sie sich einfach!

Herzliche Grüße
Melli93

Liebe Melli93,

vielen Dank für die, wie ich sie verstehe, ermutigende Antwort. Ja, ich habe auch schon an ein Stipendium gedacht und eine Freundin will mir auch eine Liste über mögliche Geldgeber zukommen lassen. Danke für den Hinweis über Kranken- und Rentenversicherung, das hatte ich beim Thema Stipendium noch nicht bedacht :frowning: Außerdem habe ich noch ein bisschen Angst vor der eigenen Courage und vor abfälligen Reaktionen von vielbeschäftigten Professoren (ein dickes Fell sollte ich bestimmt mitbringen, das sehe ich bei anderen im Bekanntenkreis, deren Vorträge regelmäßig in der Luft zerrissen werden).

Seit ein paar Tagen sitze ich wieder regelmäßig in „meiner“ Fachbibliothek und es ist wie eine Rückkehr ins Wohnzimmer :smile: ich fühl mich dort richtig wohl! Ich denke, ich versuche einfach, in den nächsten Wochen ein paar sinnvolle Forschungsansätze zu Papier zu bringen und damit hausieren zu gehen, um einen Doktorvater zu finden. Verlieren kann ich eigentlich nichts, ich bin ja sowieso arbeitslos…

Noch einmal herzlichen Dank und Grüße!

Irene Reinhold

Sehr geehrte Frau Reinhold,

in Ihrem Fachgebiet kenn ich mich zwar nicht aus, denke aber, dass Ihr Vorhaben durchaus realisierbar ist. In das Forschungsgeschehen kommt man auch nach einer Pause gut wieder rein und es gibt ja auch genügend Literatur für jedes Fachgebiet. Evtl. gibt es ja in Ihrem Bereich Frauenförderprogramme zur wissenschaftlichen Weiterqualifizierung, hier ist mitunter das eine oder andere Stipendium zu holen.
Was man unbedingt als allererstes angehen sollte, ist das Finden eines Doktorelternteils, ohne Betreuung ist es extrem schwierig überhaupt erst anzufangen. Als ersten Schritt würde ich Ihnen daher raten, entsprechende Kontakt aufzunehmen und Ihre Ideen kurz und schlüssig in einem ersten Gespräch darzustellen.

Ich hoffe, das hilft schon mal weiter,

viele Grüße,

Birgit Feldmann

Danke Frau Feldmann, das ist ja ein schöner Rückenwind für das Projekt. Momentan gebe ich mir ein paar Wochen Zeit zur intensiven Recherche nach dem aktuellen Forschungsstand und versuche dabei auch Profs zu finden, die mich eventuell als Doktorkind „adoptieren“ könnten und dann vielleicht auch ein Vitamin B zu einem Stipendium haben. Ich denke schon, dass ich gerade am Anfang ziemlich viel Überzeugungsarbeit leisten muss, mangels überzeugender Zeugnisse und Publikationen. Wer darf eigentlich Doktorvater oder -mutter sein? Habilitierte? C4-Profs? In jedem Falle herzlichen Dank für die Motivation und beste Grüße nach Hagen!

Irene Reinhold

Hallo Frau Reinhold,

genau so würde ich jetzt auch vorgehen. Doktoreltern können auch habilitierte Personen sein.

Liebe Grüße und alles Gute,

Birgit Feldmann