Hi
Hallo Kate,
danke!
Gerade habe ich die Etymologie des Wortes mal nachgeschaut…
„Drache“ heißt ja nichts anderes als „Schlange“, aber es heißt
auch „der starr Blickende“ (laut Wikipedia)… wieso das denn?
Da fragst du besser einen klassischen Philologen.
Ich dachte, dass „Unterwelt“ auch immer mit dem Reich der
Toten zusammen hängt, also in der Unterwelt auch die Toten
sind?
Oh nein, die Bezeichnung von Totenreichen (im Versuch den neutralsten Begriff zu wählen) ist sehr kompliziert.
In aller frühster Zeit wurden Totenreiche auf der selben Ebene, aber weit weg oder irgendwie „entrückt“ vorgestellt. In Indien war das Reich Yamas im Süden. In China im Norden. Bei den Germanen ebenfalls im Norden oder am Grund von Gewässern (google mal die Etymologie von „Seele“). Manche fanden ihre Ahnen in den Sternen oder auf dem Mond (in Indien etwa regneten sie von dort aus wieder auf die Erde herab).
Dann gab es Vorstellungen von Schattenreichen, die irgendwo dazwischen stehen. Das sind Orte hinter Bergen, in Höhlen, oder auf einer anderen Ebene (manchmal unter der Erde) dort existieren die Toten vor sich hin. Aber sie tun nicht viel, es gibt keine Unterscheidung in Gut und Böse und ihre Existenz ist meist eher traurig und karg. Scheol ist da ein Beispiel für, aber auch die von Ereschkigal beherrschte Welt bei den Sumerern, auch der Hades in der frühen griechischen Antike.
Die Totenreiche verließen unsere Ebene und wurden zum „Jenseits“. Das gilt nicht für alle Kulturen auf der Welt. Das Reich der Königinmutter des Westens z.B. ist kein „Jenseits“ weil es praktisch auf der Erde existiert, aber nur für wenige zugänglich sei.
Und einige Kulturen verschoben dieses Jenseits unter die Erde, so entstanden die Unterwelten. Und die Trennung in Gut und Böse geschah auch erst später im Zusammenhang damit. Die Inder hatten in der vedischen Zeit hier und da schon Vorstellungen von Gut und Böse nach dem Tod, so wurde man z.B. von allen Tieren, die man gegessen hatte, gequält. Aber das war nicht generell verbreitet und galt auch nicht für eine „Unterwelt“.
Ich arbeite gerade an der Entwicklung von Drachenköniggöttern
und Wassergöttern in China, falls du da nähere Fragen hast.
Eine vielleicht ganz naive: Wieso hat sich der Drachenkult in
China so ausdifferenziert?
Weil er mit so vielem assoziiert wurde. Es ist schwer zu sagen, warum es ausgerechnet der Drache war. Warum ist es anderswo der Adler? Der Coyote? Der Bär?
Drachen wurden dem Wasser zugeordnet und das findet sich vielerorts, also wurden sie nicht nur mit Seen und Flüssen, sondern auch mit dem Himmel (Regen) und den Bergen (Quellen) verbunden.
Drachen wurden in den Sternbildern gesehen und die Chinesen hatten schon früh einen Sternenkult (die meisten chinesischen Völksgötter haben entsprechende Sternkonstellationen).
Die den Drachen zugeordneten Bilder erschienen im Frühling im Osten, daher ist der Drachen dem Osten zugeordnet und dem Frühling - der fruchtbaren Regen und längere, wärmere Tage brachte.
Auch die Sonne wurde mit ihm verbunden, Osten eben.
All das sind sehr positive Besetzungen, und was positiv ist wird gerne erhalten. Mit diesem Ballast wurde er zum Wächter der Kultur, und Wächtergestalten halten sich tendenziell auch eher lange. Die genaue Zuordnung basiert auf dem _sifang_ System. Das würde hier aber den Platz sprengen, google dich schlau
Der Drache erschien schon in der chinesischen Bronzezeit bevor irgendwelche anderen Symbolismen erfunden worden waren. Die frühste Erwähnung des Wortes für Drachen ist in den Orakelknochen (13.-10. Jh. v. Chr.). Sie zeigen ein Wesen das schlangenartig ist, manchmal mit zwei Füßen, einem großen Auge (seitlich), einer hochgewandten Schnauze und einem Horn in der Stirn. Drachen waren wohl einfach damals schon Wesen der Fantasie, inspiriert von dem, was die Menschen in ihrer Umgebung fanden. Wie gesagt, gerade in der Shang-Dynastie war China noch eher sumpfig.
Drachen waren zu der Zeit auch nicht speziell heilig, ihre Bilder finden sich auf sehr profanen Gegenständen. Diese Urform des Drachen starb am Ende der Östlichen Zhou aus und die Drachenform veränderte sich, wahrscheinlich beeinflusst von Nomaden aus dem Westen (wir sprechen hier vom asiatischen Westen!!! weder von Europäern noch von Mayas!)
In Han Quellen sieht man, dass nur die _Form_ Schlangenartig ist. Der Drache wird z.B. einmal beschrieben mit „die Hörner eines Hirsches, Schnauze eines Kamels, Augen wie ein Dämon, Körper einer Schlange, Bauch einer Krabbe, Schuppen eines Karpfen, Krallen wie ein Habicht, Beine wie ein Tiger, Ohren wie ein Ochse“.
Wenn du ein wenig googlest stellst du fest, dass das Hirsch-Geweih Drachendesign noch immer verbreitet und beliebt ist.
Die Darstellungen der antiken Drachen wurden ab dann nur noch für Ritualgegenstände verwendet, der Collagen-Drache für alles Mögliche. Anwendungen gibt es viele aber mehr Erklärungen als die Assoziationen konnte ich für die Erfindung des Drachen auch nicht finden. Macht in meinen Augen aber schonmal mehr Sinn als die erstaunliche Verbreitung im westlichen Raum.
Statt Drachen, die außer in China kaum was mit Schlangen zu
tun haben, solltest du dich lieber dem LINDWURM zu wenden.
Der Lindwurm ist wohl spezifisch ein Wesen aus der nordischen
Mythologie? Ich würde das so interpretieren, dass der (dort)
ein Symbol für die Urkräfte ist, für das Leben? Der Schatz
(Nibelungensage) wäre m.E. auch diese Lebenskraft, eigentlich
die Natur, die Leben gibt und nimmt… der „heilige Gral“
könnte übrigens was Ähnliches bezeichnen?
Nein, nein, nein. Der Lindwurm ist überhaupt nicht spezifisch nordisch, sonst wäre er in Deutschland nicht so verbreitet (Hint: Deutschland war nicht, ist nicht, und wird nicht nordisch). Es gibt ihn sowohl im Nordischen als auch im Altgermanischen. Also nicht spezifisch.
Mit Urkräften hat er auch nichts zu tun. Es handelt sich mehr um ein Abstraktes Ungeheuer und wenn überhaupt, würde ich es als einen Ausdruck der menschlichen Angst (vor tiefen Brunnen, Höhlen, fremden Wesen, seltsam aussehenden Kadavern normaler Tiere) interpretieren. Fafnir ist zwar ein Lindwurm im Nibellungenlied, wurde das aber erst als er auf seinem Schatz aus Gold lag, er wurde also durch _Gier_ in ein _Ungeheuer_ verwandelt. Kein gutes Beispiel für die Natur eines Lindwurms also, aber wozu sie wurde:
Im gesamten deutschsprachigen (und teilw. englischsprachigen) Raum ist der Lindwurm gottlos. Er wird in den Legenden und Erzählungen die natürlich über Jahrhunderte christlich geprägt sind, zum Symbol des Bösen.
Er ist dabei nicht das abrundtief Böse, wie Teufelsgestalten etwa. Er ist eher geistlos und einfach eine gottlose Kreatur. Sie werden oft nur dann gefangen, wenn jemand nicht zur Kirche geht - das heißt, sie turnen herum, während gute fromme Wesen dem Gottesdienst lauschen (wie Vögel z.B.)
Und das ist seine Identität geworden. Während es unklar ist, ob ein Lindwurm vor der Christianisierung irgendeine Art von Identität hatte, er konnte ja auf alles hindeuten, was lang und schmal war.
Ich habe keine Ahnung wie du jetzt auf den heiligen Gral kommst.
lg
Kate