Drohung oder Warnung? - Gesetz und rel. Moral

Hallo,
im thread unter diesem wird die Warnung/Drohung vor der Hölle/Verdammnis mit dem Strafrecht gleichgesetzt.
Bezüglich der Strafandrohung ist das richtig, die muss sein, denn ohne Sanktionsandrohung funktioniert eine Vorschrift nicht.

Hinsichtlich der Gemeinschaft, für die die Regeln gelten, gibt es aber Unterschiede.
In eine staatliche Gemeinschaft wird der Mensch hineingeboren und unterliegt damit automatisch den Gesetzen des Staates. Es gilt auch nur für das Diesseits.

Bei der Glaubensgemeinschaft gibt es dagegen keinen Automatismus, sie muss sich ihre Anhängerschaft gewinnen. Es gibt keinen gesetzlichen Anspruch auf die Mitgliedschaft darin, von beiden Seiten nicht.
Und: die Strafandrohung gilt für das Jenseits.

Der Glauben ist keine Notwendigkeit wie die Staatszugehörigkeit.
Ich sage daher: säkulare und sakrale Sanktionen sind nicht vergleichbar.

Gruß
Castiglio

Hallo,

In eine staatliche Gemeinschaft wird der Mensch hineingeboren
und unterliegt damit automatisch den Gesetzen des Staates. Es
gilt auch nur für das Diesseits.
Bei der Glaubensgemeinschaft

nein, das siehst Du falsch. Im Altertum gab es diese Unterscheidung zwischen Staat und Religion nicht so wie heute. Damals war beides so miteinander verbunden, wie Du es Dir heute nicht mehr vorstellen kannst. Das weltliche Recht und das Staatsrecht hat sich aus der sakralen Sphäre entwickelt. So z.B. auch bei den Römern.

Im Judentum ist es besonders einleuchtend, weil Jude ist, dessen Mutter Jüdin ist. Da wurde und wird man in die Glaubensgemeinschaft hineingeboren. Das mosaische Gesetz ist (nach Vorstellung des Judentums und darauf aufbauender Religionen) von Gott gegeben und beinhaltet Regelungen, die ganz irdische Verhältnisse betreffen. Ähnlich im Islam. Siehe auch die Bestrebungen, im Islam vorherrschende Rechtsvorschriften zur Grundlage der Rechtsprechung zu machen (Scharia, islamischer Staat). Deshalb auch Strafandrohungen bei Überschreitung des von Gott abgeleiteten Gesetzes - im Diesseits und im Jenseits. Nicht nur Warnung (siehe Thread unten).

Ich sage daher: säkulare und sakrale Sanktionen sind nicht
vergleichbar.

Völlig anachronistische und daher falsche Vorstellung vom Zusammenspiel zwischen Staat und Religion im Altertum.

Beste Grüße

Oliver

Hallo Oliver,

Völlig anachronistische und daher falsche Vorstellung vom
Zusammenspiel zwischen Staat und Religion im Altertum.

vor 2-3.000 Jahren mag es so gewesen sein, dass die Trennung nicht vorhanden war.
Staatsreligion war gestern, gut so, denn daran zeigt sich der enge Bezug von Glauben und Machtstreben.
Mittlerweile leben wir aber im 21. Jahrhundert, es hat eine Entwicklung gegeben (die hoffentlich noch weiter geht), bei der diese Trennung immer weiter aufgehoben wurde.
Von daher ist ist es von dir etwas anachronistisch anzunehmen, dass wir noch Verhältnisse wie im Altertum haben.
Gruß
Castiglio

Hallo,

Von daher ist ist es von dir etwas anachronistisch anzunehmen,
dass wir noch Verhältnisse wie im Altertum haben.

ich habe so etwas nirgends angenommen. Unterstelle mir bitte nichts, was ich nicht gesagt habe.

Aber zumindest in Bezug auf die Scharia (Ende der Antike / frühes Mittelalter) wäre die Annahme nicht falsch, da die Scharia in etlichen islamischen Staaten gilt:

http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Use_of_Sharia_by_…

Es gibt auch keine Religionsfreiheit für Muslime in diesen Ländern:

Betrachtet sich der Islam im klassischen Sinne als eine Einheit von Religion und Staat bzw. als eine Einheit von Religion und Recht (scharî’a),

Die Vorstellung der Einheit von Religion und Staat sowie Religion und Recht hat also Auswirkungen bis auf den heutigen Tag.

Für das mosaische Gesetz gilt das von mir bereits Gesagte.

Schöne Pfingsten

Oliver

Hallo,
ich spreche von der Gegenwart: es gibt in Deutschland keine Kirchenfürsten mehr, in Art. 140 GG ist die Staatskirche abgelehnt und das Primat der Trennung von Kirche und Staat ist bestimmend, auch wenn es bis zum tatsächlichen Laizismus noch ein weiter Weg ist.
Das nenne ich Entwicklung und Fortschritt, und aus der Warte ist alles andere rückständig, anachronistisch. Ich hatte dich als Anhänger von der Nicht-Trennung interpretiert, da du mit der Vergangenheit argumentiertest, aber vielleicht habe ich deine Worte nur falsch verstanden.

Ich sehe auch keine Notwendigkeit, diese Verbindung von Glauben und Staat, wie in muslimischen Ländern, aufrecht zu erhalten - außer natürlich der, dass der Glauben an Boden verlieren würde im Laizismus.
Aber vielleicht will ich die Notwendigkeit auch nicht sehen, daher kannst du mir gern auf die Sprünge helfen.
Gruß
Castiglio

Hallo,

ich spreche von der Gegenwart: es gibt in Deutschland

ich dachte, daß Du von dem Thread unten sprichst, weil Du geschrieben hattest

im thread unter diesem wird die Warnung/Drohung vor der Hölle/Verdammnis mit dem :::Strafrecht gleichgesetzt.

und weil ich dort die heutige juristische Definition von „Drohung“ heranziehe und auf Bibelstellen anwende, um zu zeigen, daß in der Bibel mit der Hölle gedroht wird.

Ich hatte dich als Anhänger von der Nicht-Trennung interpretiert,

Nein, ich bin kein Anhänger der Nicht-Trennung. Ich wollte nur darauf hinweisen, daß im Altertum, als die Bibel entstand, Staat und Religion eng miteinander verknüpft waren, daß dies auch das Recht einbezog und daß man diese Verbindung sogar noch heute findet (insbesondere die Scharia als Rechtsgrundlage in einigen islamischen Staaten).

da du mit der Vergangenheit argumentiertest, aber vielleicht habe ich
deine Worte nur falsch verstanden.

Ja, das war ein Mißverständnis.

Es ging mir in dem Thread unten nur darum zu zeigen, daß in der Bibel mit der Hölle gedroht wird und daß es sich bei den „Hinweisen“ auf das, was den permanenten Sündern (im Sinne der Bibel) geschieht, um Drohungen und nicht nur um Warnungen handelt. Dazu hatte ich die heutige juristische Definition des Begriffs „Drohung“ herangezogen.

Jemand wandte dagegen ein, daß diese heutige Definition nicht auf Passagen in der Bibel angewendet werden könnte, weil die Bibel 2000 Jahre alt sei. Darauf entgegnete ich, daß sich viele Bestimmungsstücke der heutigen juristischen Definition von Drohung bereits bei den Römern finden (wie ich nachgelesen habe bei Labeo, einem bedeutenden römischen Juristen der späten Republik / der frühen Kaiserzeit, also vor 2000 Jahren) und daß das heutige Recht, insbesondere das im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) niedergelegte Zivilrecht, stark durch das römische Recht beeinflußt ist. Damit wollte ich belegen, daß man die heutige Rechtsdefinition von „Drohung“ sehr wohl auf die Bibelstellen anwenden kann, weil die heutige Rechtsdefinition weitgehend mit dem damaligen Verständnis von Drohung, zumindest im römischen Recht, übereinstimmt. Ich wies auch noch darauf hin, daß Jesus vom römischen Statthalter Pontius Pilatus zum Kreuzigungstod verurteilt worden war. Den Menschen, insbesondere den Autoren, des Neuen Testaments war dieses Recht also geläufig. So gibt sich z.B. Paulus im Neuen Testament als Inhaber des römischen Bürgerrechts aus, und kann deshalb - anders als Jesus - zu seiner Verteidigung an den Kaiser in Rom appellieren (Apg, 25, 9-12) und durfte nicht gefoltert werden (Apg 22, 22-29).

Etwas anderes wollte ich nicht sagen. :wink:

Beste Grüße

Oliver

Das altorientalische Königs-Gen im Monotheismus
Hi.

Bei der Glaubensgemeinschaft gibt es dagegen keinen
Automatismus, sie muss sich ihre Anhängerschaft gewinnen.

Das gilt, wie eigentlich klar sein sollte, längst nicht für alle Religionen. Die allermeisten Christen, Muslime und Juden werden Christen, Muslime und Juden durch Geburt in einer entsprechend ausgerichteten Familie. Dass diese Religionsgruppen (wobei ich den Islam im strengen Sinne nicht als „Religion“ gelten lasse, weil er uneingeschränkte politische Ambitionen hat) auch Anhänger „gewinnen“, ist eine vergleichsweise sehr seltene Ausnahme.

Der Glauben ist keine Notwendigkeit wie die
Staatszugehörigkeit.
Ich sage daher: säkulare und sakrale Sanktionen sind nicht
vergleichbar.

Aiwendil hat schon darauf hingewiesen, dass Religion (und gemeint ist hier: theistische Religion ) ursprünglich nicht von Staatlichkeit getrennt war. Dieser Aspekt darf auch heute, in den nachaufklärerischen Zeiten der Trennung von Religion und Staat (abgesehen vom voraufklärerischen Islam), nicht vergessen werden. Du leistest dir eben doch einen Anachronismus, wenn du so tust, als spiele die Vergangenheit in den heutigen theistischen Religionen keine Rolle mehr. Das Gegenteil trifft zu.

Begründung:

Das „staatliche“ Gen steckt in den theistischen Religionen unwiderruflich drin, da die theologische Grundstruktur des Theismus ein Spiegelbild autoritärer, genauer: monarchischer Staatsstrukturen der Antike ist, dessen Beginn in die Zeit der ersten staatlichen Königtümer datiert, d.h. in das 4. vorchristliche Jahrtausend (BCE). Als exklusiver, also einziger Mittler zwischen der rechtstiftenden Götterwelt und der Menschenwelt fungiert der König. Eine altbabylonische Stele zeigt z.B., wie Hammurabi den Gesetzeskodex vom Sonnengott Schamasch überreicht bekommt. Die Rechtsausübung als irdische Umsetzung einer von Göttern befohlenen Ordnung lag also immer, direkt oder indirekt, in den Händen des Königs, dem Haupt des Staates.

Das änderte sich, in dem Sinne, dass das Recht nicht an König und Staat, sondern einzig an den Willen eines Gottes gebunden war, erst mit dem Aufkommen der israelitischen Theologie, und zwar, je nachdem, in welches Jahrhundert man das Deuteronomium datiert, in der spätvorexilischen Zeit (7. Jh.) oder in der exilisch-nachexilischen Zeit (6.-5. Jh.). Das würde im ersteren Fall bedeuten, dass das Königtum im Juda des 7. Jh. nicht mehr als höchste Autorität des religiösen Denkens galt (wie in allen anderen altorientalischen Staaten), sondern dass sich dieses Denken von ihm losgelöst hatte. Im zweiten Fall (exilisch-nachexilische Datierung, die wahrscheinlicher ist) würde das bedeuten, dass der Verlust von Königtum und Staat die Voraussetzung dafür war, dass im theologischen Denken der Israeliten (präziser: der exilierten Priesterschicht) Jahwe notgedrungen die Funktion des Königs übernahm. Tatsächlich entstanden die Königspsalmen, die Jahwe als König preisen, keineswegs in der israelitischen Königszeit, sondern viel später (vermutlich 2. Jh. BCE). Das Attribut des Königs hatte Jahwe also als Kompensation für das verlorengegangene staatliche Königtum übernommen.

Die jüdische Gesetzlichkeit, inhaltlich (Dekalog) direkt von der traditionellen altorientalischen Gesetzlichkeit übernommen, ist also von staatlichen Institutionen entkoppelt, weil die ursprüngliche Mittlerfunktion des Königs mangels eines ebensolchen nicht mehr besteht.

Im Christentum, um es kurz zu machen, ist die Königswürde sowie das höchste Richteramt von Jahwe auf die Gestalt des Jesus Christus (historisch oder nicht) übergegangen („König der Welt“, „König der Könige“, Richter am Ende der Zeiten). Dementsprechend gilt das „Gesetz Christi“, das ein moralisches ist und kein juristisches.

Kurze Rede, langer Sinn:

Judentum und Christentum haben strukturell die Funktion des altorientalischen Königs an ihre eigenen Bedürfnisse angepasst, im Judentum spielt Jahwe diese Rolle, im Christentum Christus. Würde man das altorientalische Königs-Gen aus beiden Religionen entfernen, fielen sie in sich zusammen wie ein Ballon, aus dem die Luft entweicht. Das gilt natürlich auch für den Islam (einer der 99 Namen Allahs lautet, rein zufällig wie bei JC: „König der Könige“).

Chan

Hallo Oliver,
da habe ich ja gründlich neben dir her geschrieben.
Danke für die Aufklärung.
Gruß
Castiglio

Imaginärer Begleiter?
Hallo,

bei der Bibel (welche?) handelt es sich weder um eine Warnung, noch um eine Drohung oder gar um eine Erpressung. Es sind nur die Regeln zu einem Spiel, bei dem der Mensch aber nichts verlieren könnte, was er schon von Natur aus besitzen würde; allenfalls die Freiheit tun und lassen zu können was ihm beliebt. Illegales Glücksspiel in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung (Rom).

Grüße
Semsi

PS
Die Möglichkeit zu einer „Hölle“, d.h. individuellen Qualen und Folter für (bestimmte!) Menschen, ist mit Gen 2,17 מות תמות („einen Tod sterben“) gegeben, z.B. von der Wachtturm-Gesellschaft (nicht ohne Eigennutz) richtig erkannt als „ein Sterben sterben“.

Hallo,

Bezüglich der Strafandrohung ist das richtig, die muss sein,
denn ohne Sanktionsandrohung funktioniert eine Vorschrift
nicht.

Hinsichtlich der Gemeinschaft, für die die Regeln gelten, gibt
es aber Unterschiede.
In eine staatliche Gemeinschaft wird der Mensch hineingeboren
und unterliegt damit automatisch den Gesetzen des Staates. Es
gilt auch nur für das Diesseits.

Bei der Glaubensgemeinschaft gibt es dagegen keinen
Automatismus, sie muss sich ihre Anhängerschaft gewinnen. Es
gibt keinen gesetzlichen Anspruch auf die Mitgliedschaft
darin, von beiden Seiten nicht.
Und: die Strafandrohung gilt für das Jenseits.

Der Glauben ist keine Notwendigkeit wie die
Staatszugehörigkeit.
Ich sage daher: säkulare und sakrale Sanktionen sind nicht
vergleichbar.

Diese Art Vergleiche müssen immer „hinken“.
Denn das Eine ist ja nicht das Andere.
Je nach Kreativität kann man Ähnlichkeiten und Unterschiede hervor stellen.

Glaubensgemeinschaften müssen z.B. - anders als Du behauptest - i.d…R. keine Anhängerschaft gewinnen.
Die Gläubigen werden in ihre Glaubensgemeischaft hinein geboren.
Damit sollten die meisten Deiner Bedenken hinsichtlich einer Gleichsetzung schon mal aufgehoben sein. :o)
Ob die Strafandrohung für das Jenseits oder Diesseits gilt ist auch vernachlässigbar.
Die glaubhafte Drohung das bei Fehlverhalten eine Strafe erfolgt ist das wirksame Werkzeug.
Und nein, es besteht keine Notwendigkeit für eine Staatszugehörigkeit.

Grüße
K.

Hi.

Glaubensgemeinschaften müssen z.B. - anders als Du behauptest

  • i.d…R. keine Anhängerschaft gewinnen.

Weil?

Die Gläubigen werden in ihre Glaubensgemeischaft hinein
geboren.

So so, logo, endlich verstanden.
Einfach hineingebumst, prima:smile:

Grüße
K.

Balázs

Hallo,

Glaubensgemeinschaften müssen z.B. - anders als Du behauptest

  • i.d…R. keine Anhängerschaft gewinnen.

Und wie haben sich die Christen vermehrt, bis Konstantin die Staatsreligion eingeführt hat?

Die Gläubigen werden in ihre Glaubensgemeischaft hinein
geboren.

Jetzt ja, da gebe ich dir recht. Aber es gibt noch andere als Christen: Anthroposophen, Rosenkreuzer und andere esoterische Richtungen

Damit sollten die meisten Deiner Bedenken hinsichtlich einer
Gleichsetzung schon mal aufgehoben sein. :o)

jetzt immer noch?

Ob die Strafandrohung für das Jenseits oder Diesseits gilt ist
auch vernachlässigbar.

Mich schreckt die Verdammnis nicht, eine Freiheitsstrafe dagegen schon.

Grüße
C.

Hallo,

Mich schreckt die Verdammnis nicht, eine Freiheitsstrafe
dagegen schon.

Ja. Weil Du bei der einen glaubst Du müsstest sie verbüßen - bei der anderen glaubst Du das nicht.
Mancher glaubt auch, er müsse die Freiheitsstrafe nicht verbüßen, weil er nicht erwischt wird … der läßt sich davon - genau wie Du bei der Verdammnis - auch nicht beeindrucken.
Wer aber an die Verdammnis glaubt, den schreckt diese mehr als eine Freiheitsstrafe …

Grüße
K.

Hi,
wer Glauben mit Wissen gleichsetzt, dem ist nicht mehr zu helfen muss geholfen werden.
Ich bleibe dabei, dass Glauben und Realität sehr unterschiedlich sind. Die Glaubensvertreter haben es bei den Gläubigen aber wohl geschafft, aus Glauben Wirklichkeit zu machen.
Was ich für sehr bedenklich halte, denn unter anderen Umständen bekommt man dafür eine Portion Psychiatrie verpasst. Aber darum geht es hier ja nicht.
Gruß
C.

Hallo,

wer Glauben mit Wissen gleichsetzt, dem ist nicht mehr zu
helfen muss geholfen werden.
Ich bleibe dabei, dass Glauben und Realität sehr
unterschiedlich sind. Die Glaubensvertreter haben es bei den
Gläubigen aber wohl geschafft, aus Glauben Wirklichkeit zu
machen.

Da verstehe ich Dich nicht.
Wenn es wirklich nur die zu erwartende Strafe ist, die Dich bei Deinem Beispiel abschreckt, dann GLAUBST Du ja, das Du wahrscheinlich erwischt würdest.
Jemand anderes, der GLAUBT er würde nicht erwischt, würde die Tat begehen um Vorteile zu erlangen.

In diesem Beispiel hat jeder offensichtlich eine andere Realität und handelt seiner Realität entsprechend.

Wo siehst Du da den entscheidenden Unterschied von Glauben und „Wissen“?
Der eine „weiß“ das er wahrscheinlich erwischt wird.
Der andere „weiß“ das er nicht erwischt wird.
Oder glauben beide das nur?
Kannst Du mir das erklären?

Grüße
K.

Glaube und Glauben
Hallo Klaus,
ich befürchte, du vermischt hier zwei zu unterscheidende Sachverhalte: Glaube und Glauben.

Der Glaube ist die religiöse Überzeugung, dass es ein höheres Wesen gibt, einen Gott (wahlweise eine Göttin), der/die wie auch immer geartet ist.
Der Glauben ist eine Wahrscheinlichkeitsvermutung, die sich auf empirische Hypothesen stützt.
Wenn ich etwas klaue, dann werde ich mit einer Wahrscheinlichkeit von unter - keine Ahnung - 10% dabei erwischt, es ist also relativ risikolos. Die Wahrscheinlichkeit, bei einem Mord „erwischt“ und verurteilt zu werden, beträgt dagegen - wieder keine Ahnung - sagen wir 80%. Ich glaube also, dass es sicherer ist, einen Lutscher zu klauen, als den Kioskbesitzer zu töten, um seine Einnahmen zu bekommen.

Der Glaube an Gott kann sich dagegen auf keine empirischen Daten stützen. Hier besteht (aus Sicht des Empirikers: lediglich) eine Grundhaltung des Vertrauens auf die Existenz eines transzendenten Wesens (Gott), dessen (eingesetzte[?] oder ernannten) Protagonisten damit drohen/warnen/befürchten/wissen (bitte Gewünschtes aussuchen), dass im Falle des Nicht-Glaubens die Nicht-Gläubigen übelsten Konsequenzen ausgesetzt sind.
Empirisch berechenbare Wahrscheinlichkeiten stehen unberechenbaren und rein hypothetischen Möglichkeiten gegenüber, das ist der Unterschied zwischen Glaube und Glauben, Verdammnis und Gefängnis.

Gruß
Castiglio

Hallo Chan,

Aiwendil hat schon darauf hingewiesen, dass Religion (und
gemeint ist hier: theistische Religion ) ursprünglich nicht von
Staatlichkeit getrennt war. Dieser Aspekt darf auch heute, in
den nachaufklärerischen Zeiten der Trennung von Religion und
Staat (abgesehen vom voraufklärerischen Islam), nicht
vergessen werden. Du leistest dir eben doch einen
Anachronismus, wenn du so tust, als spiele die Vergangenheit
in den heutigen theistischen Religionen keine Rolle mehr. Das
Gegenteil trifft zu.

ich wollte nicht den Anschein erwecken, als ob die Vergangenheit keine Rolle spielt.
Wenn ich von einer Entwicklung schreibe, dann anerkenne ich ja (als Ausgangssituation) die Tatsache der Staatsreligion, wie sie von Konstantin dem Großen eingeführt wurde.
Die Entwicklung von damals zu heute sehe ich in dem Postulat der Trennung von Kirche und Staat.
Wer diese Entwicklung nicht sieht und anerkennt, der vertritt meiner Auffassung nach anachronistische Positionen.
Es ist also vielleicht eher eine semantische Unklarheit bzgl. des Begriffs Anachronismus.

Gruß
Castiglio