Du solltest Dich schämen!

Hallo peet,

Warum soll der eine oder der andere Spruch an sich zeitgemäß
oder unzeitgemäß sein? Ist es überhaupt der Grund, eine
sprachliche Formel zu bewerten? Egal wie ich das individuelle
Wohlergehen eines Kindes verstehe, irgendwo will ich einen
Rahmen dafür setzen, eine Grenze ziehen.

Sicher hast du recht, dass es nicht auf die Sprüche angekommt mit denen man seine Kinder konfrontiert, sondern auf die Erziehungsziele.

Ist denn das Schamgefühl immer mit dem Sich-selbst-entwerten
verbunden? Ich dachte in diesem Zusammenhang an andere Gründe
und andere Folgen - z.B. sich beim falschen Wort zu ertappen,
bei falscher Handlung, während des Geschehens und danach. Geht
die Kultur denn verloren, in welcher das selbstverständlich
ein Wert war? Verlernen Menschen, die etwas falsch getan
haben, sich zu schämen, da sie sich dabei „entwertet“ fühlen
oder weil es ein falsches Zeichen setzt?..

Schamgefühle sind meiner Ansicht nach eine Selbstverständlichkeit, wenn einem Kind etwas am Stellenwert in seiner Gemeinschaft am Herzen liegt. So meinte ich das im Posting zuvor, nämlich dass man meistens ein Kind nicht zum sich Schämen animiert muss. Aber fehlt dieses Schamgefühl offensichtlich, dann liegen mir als Erwachsene eher ein paar Fragen als die Aufforderung zum sich Schämen auf der Zunge.

Meiner Ansicht nach wird damit mehr dem Publikum rund um
Eltern und Kind gedient.

Muß es denn exclusiv öffentlich sein? Geht es hier um
Erniedrigungsinszenierungen, wie z.B. Fellini sie dargestellt
hat? Wie ist es mit Raskolnikow bei Dostojewski?

Fellinis „La Strada“? und Dostojewskis „Schuld und Sühne“? Hm, da geht es um ziemlich einsame Menschen und um Vorzeige-Schuldgefühle mit Unterhaltungswert nach dem Motto von W. Busch „ach da bin ich wirklich froh, denn gott-sei-dank ich bin nicht so“ :wink:))
Ich meinte eher, dass Eltern so ausrufen als Ersatz eines Kommentars von Außenstehenden - präventiv sozusagen.

Einem Außenstehenden würde ich es nicht erlauben, das Kind auf
diese Weise zu erziehen. Aus meiner Sicht steht es nur einer
Autoritätsperson zu, welche vom Kinde selbst akzeptiert wird -
es geht um die Vermittlung der Werte und nicht um die Strafe,
aus meiner Sicht.

Als Kind habe ich das auch schon von einem Lehrer zu hören bekommen. Ich habe keine Ahnung, ob Lehrer heute noch so reagieren, wobei ich die Hoffnung habe, dass meine Kinder so etwas nicht aus der Bahn wirft - andernfalls wissen sie, dass ihre Mama Reißzähne hat und rachsüchtig sein kann :wink:))

viele Grüße
claren

meine Sichtweise!
Hallo Michael!

Deine Sichtweise dieser Interpretation muss überhaupt nicht mit der meinen übereinstimmen!

Nur wenn ICH das für MICH so sehe, denke ich, dass es für Dich als Außenstehenden daran nichts zu bewerten gibt.

Als Grundschulkinder, in den Anfängen der 60er Jahre, hatten wir wirklich nichts zu lachen, und es gab noch Rohrstock, Kopfnüsse und langgezogene Ohrläppchen.
Was meinst Du wohl, wie mickrig, klein und beschissen sich ein Kind nach solchen „Erziehungsmaßnahmen“ und in der Ecke stehend gefühlt hat?

Angelika

Für mich kommts dabei auf den Grund an, zu welchem dieser *Tadel* ausgesprochen wurde.

Es gibt viele Menschen die diesen Satz einmal zu oft gehört haben und kein besonders gutes Verhältnis zu ihrem eigenen Körper haben und verklemmt sind. Das z.B. im Zusammenhang mit Selbstbefriedigung oder Sexualität.

Bei *Verstössen* gegen andere Menschen (Verletzungen, Lügen, Stehlen etc) habe ich bei meinen Kindern dieses Spruch auch schon mal verwendet. Aber bitte nie zu oft.

Gruss Marianne

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Hallo Michael

… ist m.e. eine sehr krasse interpretation von „schäm dich!“

Erstens ist „Schäm dich!“ noch ein bisschen was anderes als „Du solltest dich schämen!“. Ich kann das nicht erklären, weil ein bestimmter Tonfall und eine bestimmte Art dazu gehören. Die hat man natürlich so im Kopf, wie man es selber mal gehört hat, in der Schule, im Kino oder sonstwo. Insofern reden wir also vielleicht von zwei verschiedenen Dingen.


Außer man hat als Erziehungsziel einen Menschen, der sich seiner
Schlechtigkeit bewusst ist, sich nicht selbst akezeptieren kann und
deshalb andere fertig macht.

nein. vielmehr einen menschen, der sich gesellschaftlicher
grenzen bewußt ist und einsehen muß, daß man sich eben nicht
alles erlauben kann, wenn man sich in dieser gesellschaft
bewegt. …

Wenn beim Gemaßregelten als Botschaft ankommt: Du bist nicht ok (ich meine nicht: Lass das! oder: Ich hasse es, wenn du das tust! ich meine: du bist nicht ok)
Wenn also diese Botschaft ankommt, dann hat es sehr oft die Wirkung, dass der gemaßregelte Mensch auf sein unerwünschtes Verhalten fixiert wird.

Als Beispiel: Warum ist Allan Carr so erfolgreich mit seiner Methode zur Raucherentwöhnung? Weil er dem Raucher nicht sagt: Schäm dich, dass du rauchst! Er sagt: Du bist ok als Raucher. Damit ist die Vorraussetzung geschaffen, dass man (aus selbstverständlich längst vorhandener Einsicht) aufhören kann. Während ein Raucher, dem es nahegelegt wird, sich seiner Nikotinsucht zu schämen, sich erstmal eine anstecken muss.

Ähnliches kann man auch in der Erziehung oft erleben. Auch dort ist die Einsicht wesentlich häufiger vorhanden, als man den Eindruck hat.

Viele Grüße Thea