DWZ im Spielbetrieb

Hallo Schachspieler,

bekanntlich drückt die DWZ die Spielstärke eines Schachspielers aus. Vereinsspieler kennen in der Regel ihre DWZ.

Nehmen wir an, 2 Spieler treten gegeneinander in einem Freundschaftsspiel an, Müller hat die DWZ von 1800, Maier nur eine DWZ von 1500. Klar, dass bei diesem Stärkenunterschied Müller den Maier hinrichtet. Damit es ein faires und für beide Seiten interessantes Spiel ergibt, möchte Müller seinem Gegner eine Figur vorgeben. Kann man aus der Differenz der DWZ-Zahlen ausrechnen oder ableiten, welche Figur Müller vorgeben soll, damit sich beide ähnlich anstrengen müssen? Die Vorgabe einer Dame wäre hier wohl zu üppig, wäre ein Turm oder Läufer eher angebracht? Nachdem sich Golfer unterschiedlicher Spielstärke über ihr Handicap messen können, müßte das bei Schachspielern über die DWZ ebenfalls möglich sein.

Danke für Eure Berichte.

Wolfgang D.

Hallo!

Das kann so nicht funktionieren.

Wenn man gegen gleichstarke Gegner spielt, ist das Material umso wichtiger, je stärker die beiden Spieler sind. Ein Großmeister gibt vielleicht eine Partie schon auf, wenn er ein, zwei Bauern ohne Kompensation verliert. Anfänger können unter Umständen noch mit einer Dame weniger weiter spielen und hoffen, dass der Gegner patzt oder sich eine unverhoffte Chance ergibt.

Demnach wäre der Unterschied zwischen 2600 und 2800 weniger Material wert, als der zwischen 1000 und 1200. Ich selbst habe eine bescheidene DWZ von ca. 1600. Mir kommt es so vor, dass gegen Gegner, die 100 Punkte mehr oder weniger haben, die Tagesform wesentlich mehr ausmacht als die Spielstärke laut DWZ. Bei 100 bis 200 Punkten Differenz würde ich etwa ein bis zwei Bauern ansetzen, um den Unterschied auszugleichen. Bei mehr als 200 Punkten Unterschied will ich mir schon keine Aussage mehr erlauben.

Hinzu kommt, dass durch das Fehlen eines Steins die Stellung insgesamt verändert wird (d. h. es verändert sich nicht nur das Material, sondern auch die Stellung). Ich hörte mal, wie ein Spieler im Spaß einen anderen fragte: „Möchtest Du mir nicht einen Bauern vorgeben?“ Die Antwort: „Ja. Den h-Bauern, vorausgesetzt, Du rochierst kurz.“ Ich glaube, es ist klar, wie das gemeint ist.

Außerdem ist zu beachten, dass das Material je nach Spielstil einen unterschiedlichen Stellenwert hat: Scharfe Angriffsspieler, die auf eine frühzeitige Entscheidung drängen, kommen vielleicht mit etwas weniger Material leichter zurecht als Strategen, die ihr Heil in einem vielversprechenden Endspiel suchen. Hinzu kommt, dass der Angriffsspieler von einem Ungleichgewicht der Spielstärke stärker profitiert als der Stratege.

Ich glaube also nicht, dass man DWZ Unterschiede in Materialunterschiede umrechnen kann, noch weniger jedoch in Zeitunterschiede.

Gruß, Michael

Hallo!

Das kann so nicht funktionieren.

Es war nur mal so eine Frage, ob so eine Umrechnung funktionieren könnte, vor allem im mitteleren DWZ Bereich. Gerade in Clubs können die besseren Spieler sich nicht vor Spielen mit schlechteren Clubkameraden drücken,da wäre es schön, wenn Stärkeunterschiede auf einer vernünftigen Basis ausgeglichen werden könnten. So macht man es halt nach Gutdünken und hat keine Vergleichsbasis.

Wenn man gegen gleichstarke Gegner spielt, ist das Material
umso wichtiger, je stärker die beiden Spieler sind. Ein
Großmeister gibt vielleicht eine Partie schon auf, wenn er
ein, zwei Bauern ohne Kompensation verliert. Anfänger
können unter Umständen noch mit einer Dame weniger weiter
spielen und hoffen, dass der Gegner patzt oder sich eine
unverhoffte Chance ergibt.

Demnach wäre der Unterschied zwischen 2600 und 2800 weniger
Material wert, als der zwischen 1000 und 1200. Ich selbst habe
eine bescheidene DWZ von ca. 1600. Mir kommt es so vor, dass
gegen Gegner, die 100 Punkte mehr oder weniger haben, die
Tagesform wesentlich mehr ausmacht als die Spielstärke laut
DWZ. Bei 100 bis 200 Punkten Differenz würde ich etwa ein bis
zwei Bauern ansetzen, um den Unterschied auszugleichen. Bei
mehr als 200 Punkten Unterschied will ich mir schon keine
Aussage mehr erlauben.

Man darf nicht vergessen, dass die DWZ ja keine absolute Größe ist sondern sich asymptotisch einpendelt je mehr Spiele in die Berechnung einfliessen, wobei es dann auch unerheblich ist ob die jeweiligen Gegner agressiv oder defensiv gespielt oder auch mal gepatzt haben. Ich bin der Meinung, dass wie beim Golfhandicap auch die DWZ hilfreich sein könnte, unterschiedlich starke Spieler durch Figurenausgleich zu einem ausgeglichenen Spiel zu verhelfen. Mir hat mal im Club einer gesagt, dass 100 DWZ etwa 1 Figurenpunkt entsprächen. Bei einem Unterschied von 300 DWZ wären das ein Springer oder 1 Läufer, das kommt mir eigentlich realistisch vor. Natürlich versagt diese Rechnung bei sehr großen DWZ Differenzen, weil in höheren Regionen andere Spielkomponenten als das Material ausschlaggebend sind. Natürlich verändert sich auch der Charakter des Spiels, wenn eine dominante Figur fehlt, was aber andererseits auch ganz reizvoll sein kann vor allem für stärkere Spieler.

Hinzu kommt, dass durch das Fehlen eines Steins die Stellung
insgesamt verändert wird (d. h. es verändert sich nicht nur
das Material, sondern auch die Stellung). Ich hörte mal, wie
ein Spieler im Spaß einen anderen fragte: „Möchtest Du mir
nicht einen Bauern vorgeben?“ Die Antwort: „Ja. Den h-Bauern,
vorausgesetzt, Du rochierst kurz.“ Ich glaube, es ist klar,
wie das gemeint ist.

Außerdem ist zu beachten, dass das Material je nach Spielstil
einen unterschiedlichen Stellenwert hat: Scharfe
Angriffsspieler, die auf eine frühzeitige Entscheidung
drängen, kommen vielleicht mit etwas weniger Material leichter
zurecht als Strategen, die ihr Heil in einem
vielversprechenden Endspiel suchen. Hinzu kommt, dass der
Angriffsspieler von einem Ungleichgewicht der Spielstärke
stärker profitiert als der Stratege.

Ich glaube also nicht, dass man DWZ Unterschiede in
Materialunterschiede umrechnen kann, noch weniger jedoch in
Zeitunterschiede.

Ich glaube, damit hat sich noch niemand so richtig Gedanken gemacht. Theoretisch sollte es aber funktionieren, wie folgendes Gedankenexperiment zeigt: Nehme einen Spieler mit DWZ 1600. Danach spielt er die folgenden Wertungsspiele mit einem Bauern, Läufer, Springer etc. weniger. Seine DWZ wird dann entsprechend auf geringere Werte absinken, sich aber auch auf bestimmten Stufen einpendeln. Wenn man für eine Vielzahl von Spieler derartige „Eichkurven“ erstellt, so ließen sich schon Regeln für die Behandlung von Spielstärkendifferenzen aufstellen. Gut, mir ist klar, dass diese Vorgehen ohne praktischen Nutzen ist und eine theoretische Spielerei darstellt.

Wolfgang D.

Hallo!

Es war nur mal so eine Frage, ob so eine Umrechnung
funktionieren könnte, vor allem im mitteleren DWZ Bereich.
Gerade in Clubs können die besseren Spieler sich nicht vor
Spielen mit schlechteren Clubkameraden drücken,da wäre es
schön, wenn Stärkeunterschiede auf einer vernünftigen Basis
ausgeglichen werden könnten. So macht man es halt nach
Gutdünken und hat keine Vergleichsbasis.

Wenn man das schon ausgleichen will, finde ich „Countdown“ besser. Sagt Dir das was? Dabei Beginnen beide Spieler zunächst mit 5min auf der Uhr. Für jeden Sieg kriegt man eine Minute abgezogen. Wer als erster bei Null ankommt, hat gewonnen. Vielleicht gewinnt der eine Spieler die ersten drei Partien, aber mit 2min gegen 5min wird es für es dann vielleicht schon eng.

In reinen Trainingspartien (ohne Uhr) darf man auch mal einen Zug zurück nehmen oder gibt sich gegenseitig Tipps. Vielleicht spielt der vermeintlich stärkere Spieler auch eine zweifelhafte Eröffnung oder denkt weniger nach. All das finde ich viel angenehmer als das Vorgeben von Material. Das hat so etwas gönnerhaftes.

Ich bin der Meinung, dass wie beim
Golfhandicap auch die DWZ hilfreich sein könnte,
unterschiedlich starke Spieler durch Figurenausgleich zu einem
ausgeglichenen Spiel zu verhelfen. Mir hat mal im Club einer
gesagt, dass 100 DWZ etwa 1 Figurenpunkt entsprächen.

Das deckt sich etwa mit meiner Schätzung. (Ich sagte: Unter 100-Punkten DWZ-Unterschied ist es weniger als 1 Bauer, zwischen 100 und 200 Punkten sind es 1 bis 2 Bauern, bei mehr als 200 Bauern kann ich es nicht sagen).

Bei
einem Unterschied von 300 DWZ wären das ein Springer oder 1
Läufer, das kommt mir eigentlich realistisch vor. Natürlich
versagt diese Rechnung bei sehr großen DWZ Differenzen, weil
in höheren Regionen andere Spielkomponenten als das Material
ausschlaggebend sind. Natürlich verändert sich auch der
Charakter des Spiels, wenn eine dominante Figur fehlt, was
aber andererseits auch ganz reizvoll sein kann vor allem für
stärkere Spieler.

Man wird wohl kaum ganze Figuren vorgeben. Bei Bauern ist hingegen das Problem, dass sich die Position verändert: Durch einen fehlenden Bauern öffnet sich eine Linie und die benachbarten Bauern werden geschwächt. Außerdem entsteht entweder eine Zentrumsschwäche oder eine Minorität auf einem der Flügel. All das ändert den Charakter des Spiels unter Umständen mehr als das Fehlen eines Springers! (Bauern sind die Seele des Schachspiels)

Michael

Hallo!

Man darf nicht vergessen, dass die DWZ ja keine absolute Größe
ist sondern sich asymptotisch einpendelt je mehr Spiele in die
Berechnung einfliessen, wobei es dann auch unerheblich ist ob
die jeweiligen Gegner agressiv oder defensiv gespielt oder
auch mal gepatzt haben.

Das ist ein interessantes Problem, das ich gesondert besprechen möchte. Zwar ist es richtig, dass man durch die DWZ unabhängig vom Spielstil die Spielstärke ausdrücken kann: Wenn zwei Spieler gleicher DWZ gegeneinander spielen, dann werden sie sich statistisch nach vielen Runden die Punkte 50:50 teilen.

Ich weiß auch, dass man aus der Differenz von zwei DWZ-Werten wie viele Punkte wahrscheinlich der eine holt und wie viele der andere.

Ich behaupte jedoch, dass dies von unzulässigen Vereinfachungen ausgeht. Man geht nämlich stillschweigend davon aus, dass die „Spielstärke“ ein Parameter ist, der von der Spielweise und Spielstärke des Gegners unabhängig ist.

Schauen wir uns mal verschiedene Spielertypen an:

  • Der Remiskönig: Er bevorzugt solide symmetrische Eröffnungen, lässt sich ungern auf taktische Auseinandersetzungen ein, tauscht gerne ab und lässt sich leicht zum Remis überreden.
  • Der Hasardeur: Er bevorzugt Gambit-Eröffnungen und weicht gerne von der Theorie ab. Initiative und Angriff gehen ihm über alles. Er setzt psychologische Mittel ein und legt gerne Fallen aus (die unter Umständen zweifelhaft sind).
  • Der Stratege: Er bevorzugt geschlossene Eröffnungen mit wenigen taktischen Möglichkeiten. Seine Spielstärke stützt sich vor allem auf seine Theoriekenntnis und seine Erfahrung. Seine Strategie basiert auf dem Anhäufen kleiner Vorteile

Meiner Meinung nach schneiden diese drei Extreme gegen verschiedene Gegner - trotz gleicher Spielstärke! - unterschiedlich ab. Schematisiert in etwa so:

Spiertyp | schwache Gegner | gleichstarke | starke Gegner
 | | Gegner |
-------------------+-----------------+--------------+---------------
Remiskönig | +2 =8 -0 (6) | +1 =8 -1 (5) | +0 =8 -2 (4)
Hasardeur | +8 =0 -2 (8) | +5 =0 -5 (5) | +2 =0 -8 (2)
Stratege | +5 =4 -1 (7) | +3 =4 -3 (5) | +1 =4 -5 (3)

(+: Sieg, =: Remis, -: Niederlage, Gesamtpunkte in Klammern)

Wie Du siehst, holen alle drei Spielertypen gegen diese 30 Gegner 15 Punkte. Auf dem Papier sind sie alle gleich stark. Gegen schwächere Spieler schneiden sie dennoch unterschiedlich ab! Der Hasardeur kann einen schwachen Spieler leicht überrumpeln. Gegen stärkere Gegner werden seine teils übertriebenen Risiken aber schonungslos bestraft.

Komplizieterter wird es noch dadurch, dass die Spielertypen unterschiedlcih erfolgreich gegeneinander sind:

Der Stratege tut sich schwer gegen den Remiskönig, hat aber Vorteile gegen den Hasardeur.
Der Hasardeur beißt sich am Strategen die Zähne aus, kann aber gegen die harmlose Spielweise des Remiskönigs punkten.
Der Remiskönig spielt gegen den Hasardeur zu passiv, gibt aber dem Strategen keine Möglichkeit seine Stärken zu entfalten.

All das lässt sich durch eine simple Zahl nicht ausdrücken. Beim Golf geht das schon eher, weil es keine direkte Interaktion der Kontrahenten gibt.

Michael