Hallo Andastra,
ich fürchte, dass man so eine ein umgangssprachliche Form, die nur in der gesprochenen Sprache vorkommt, überhaupt nicht überzeugend in eine Schriftform umsetzen kann. Also, wenn es denn unbedingt sein muss, würde ich
„ab-e“
vorschlagen. Aber so richtig toll ist das auch nicht. Vor allem ist das Problem, dass man nicht unbedingt sofort erkennt, was für ein Wort eigentlich gemeint ist, wenn man das liest. Das ist aber mit den anderen Vorschlägen, die Du gemacht hast, genauso.
Das liegt hauptsächlich daran, dass die Orthographie eben immer nur zum Teil die tatsächliche Aussprache wiedergibt. Vieles an der deutschen Orthographie ist historisch bedingt - also quasi ein Überbleibsel aus Zeiten, als die Wörter noch anders ausgesprochen wurden. Es gab z.B. die Formen „aba“ im Althochdeutschen und „abe“ im Mittelhochdeutschen, die mit langem /a/ und weichem /b/ gesprochen wurden. In bairischen Dialekten gibt es „abe“, „oba“, „owa“ etc. heute noch.
(Ich schreib jetzt immer „x“, wenn’s darum geht, wie es geschrieben wird, und /x/ wenn’s darum geht, wie es gesprochen wird.)
Egal, wo das heutige „ab“ auftritt (als Präposition wie in „ab vier Uhr“, als Vorsilbe wie in „abgerissen“ oder eben als Prädikativ wie in „die Ecke ist ab“) - das Wort wird immer als abgeschlossene Ausspracheeinheit behandelt. Das bedeutet, dass das „b“ im Stamm von „ab“ durch die generelle Auslautverhärtung im Deutschen als /p/ gesprochen wird. Das „b“ steht also orthographisch nur aus historischen Gründen in „ab“, wird aber nie als weiches /b/ gesprochen.
Dagegen wechseln sich bei Wörtern, die auf „b“, „d“ oder „g“ enden und die tatsächlich dekliniert werden können, weiche und harte Aussprache des letzten Lautes ab:
„gab“ /p/ - „gaben“ /b/
„Rad“ /t/ - „Räder“ /d/
„Tag“ /k/ - „Tage“ /g/
So… nun müsste also, wenn man „ab“ tatsächlich als Adjektiv behandelt, das historisch bedingte „b“ im Stamm eigentlich wieder aktiv werden und entsprechend weich gesprochen werden:
„abe“ /b/
Das ist aber in der umgangssprachlichen Verwendung nicht der Fall. Man sagt ja schon sowas wie /ape/.
Erschwerend kommt jetzt noch hinzu, dass das „a“ in „ab“ (und z.B. auch in „an“) immer kurz gesprochen wird, obwohl man von der Schreibweise her schließen könnte, dass es lang ist. Leute, die Deutsch als Fremdsprache sprechen, müssen dies als Ausnahme von der Regel lernen, denn normalerweise werden kurze Einzelvokale orthographisch durch Konsonantenverdoppelung markiert („Brett“, „schlapp“ etc.). Also auch hier ist die Schreibweise nur historisch bedingt und nicht wirklich der heutigen Aussprache angemessen.
Du siehst, das ganze Problem würde sich lösen, wenn man /ab/ so schreiben würde, wie man’s heute spricht, nämlich „app“. Dann wäre „die appe Ecke“ ganz leicht verständlich. Aber so, wie man es laut Duden schreibt, gibt es da keine gute Lösung.
Puh, ganz schön knifflige Frage. Hab mein Bestes versucht.
Gruß,
Matty