Tja, wie immer kommt es auf den Zusammenhang an.
„Ich war im Urlaub zwei Wochen in der ehemaligen DDR“ ist völlig sinnfrei, dämlich, abwertend oder wie auch immer.
In meinem Satz dagegen habe ich ganz bewusst „DDR“ geschrieben, denn es ging ja gerade um meine Begeisterung für die protestierenden Menschen in der DDR 1989, meine Bewunderung und Freude darüber, dass dort etwas geschah, was ich mit den Adjektiven „stolz“ und „vielleicht einmalig“ charakterisierte.
Und mit dem Benutzen des Begriffes „DDR“ zielte ich gerade pointiert auf den so bedauerlichen scharfen Gegensatz zwischen dem ganzen Bündel negativer Konnotationen und meiner positiven Sicht. Dieses rhetorische Mittel erkennt man freilich vielleicht erst, wenn man mich besser kennt, das mag sein.
Oder hast du meinen Satz nach sechs Wörtern aufgehört zu lesen?
Zu deinem Thema:
Ich kann mit diesem Ost-West-Gegensatz-Gedöns so überhaupt nichts anfangen. Ich habe mich auch vor der Wende immer als „Deutscher“ gefühlt (neben Norddeutscher, Europäer, Musiker, Sohn, Ehemann, Mensch, etc.)
Zum einen lag das sicher daran, dass ein Teil meiner Verwandtschaft in der DDR lebte.
Zum anderen, weil ich schon lange weiß, dass die DDR erst 1949 gegründert wurde, dass Deutschland vorher in Besatzungszonen eingeteilt war (und es ja komplett zufällig war, welche Menschen sich nach dem Krieg nun in der amerikanischen, der französischern etc. Besatzungszone wiederfanden - Nichts wäre doch dämlichler als zu sagen: Herr x lebte 1946 in der amerikanischen Zone, wie peinlich, verachtungsvoll…im Harz gehörte das eine Kaff 1949 plötzlich zur DDR, das andere zur BRD, wie beschränkt muss man sein um zu denken, damit wäre irgend eine Wertung der Menschen verbunden, die nun zufällig ein paar Kilometer östlich oder westlich wohnten…)
Bis 1945 gab es das nationalsozialistische deutsche Reich, davor die Weimarer Republik, davor die Kaiserzeit, davor das römische Reich deutscher Nation als meist äußerst loser Staatenbund, noch viel früher das Frankenreich, östlich davon lebten germanische, slavische und andere Stämme noch ohne staatliche Strukturen…
…und all diese Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende prägen unser Dasein (auch wenn bei vielen Menschen der Horizont nur bis zu den Beattles zurückreicht, alles andere ist für sie Steinzeit) - wie gesagt, mit dem Ost-Westgedöns kann ich nichts anfangen.
Lübeck - Wismar - Stralsund sind Städte mit herrlichen Kirchen der Backsteingotik aus der Hansezeit, hat null damit zu tun, das zwei dieser Städte mal Teil der DDR waren,
Barlach-Museen gibt es in Hamburg und Güstrow, na und?
Der Harz ist eine tolles Landschaftsgebiet, welche geologische Bedeutung soll die deutsch-Deutsche Grenze bei Braunlage gehabt haben?
Warum sind die berühmten Stifterfiguren in Naumburg aus dem ich glaube 13. Jahrundert so unglaublich lebensecht? Weil der Künstler ein Ossi war?
Und der Wessi Goethe fand dann im Osten sein Glück?
Und den Schriftsteller Franz Fühmann bewundere ich, weil er so schonungslos beschreibt, wie er als junger Mann zunächst tief von der Nazi-Ideologie durchdrungen war, später vom Kommunismus um die Mitte des 20. Jahrhunderts, um sich zweimal von Ideologien loszusagen, welch eine Leistung!
Ich interessiere mich für Menschen, ihr Denken, Fühlen, ihre Schwächen und Stärken, nicht um Schablonen.
Karl