Eigenes Recht in Kirchengebäuden?

Habe hier nach „Religion“ gesucht, Suchbegriff zu kurz.

Ich bin Agnostiker und stehe der Organisation Kirche unbeteiligt gegenüber. Aber wenn ich an Chor-Auftritten und Hochzeiten teilnehmen möchte, muss ich kirchliche Räume betreten. Und manchmal im Urlaub schaut man schon mal freiwillig in eine Kirche hinein wegen Bewunderung der Architektur und Akustik.

Am Rande bekomme ich diese unendliche Geschichte mit, wie kriminelle sexuelle Taten nicht von der Staatsanwaltschaft aufgeklärt und bestraft, sondern von der Tätergemeinschaft bemäntelt und in der Verantwortung hin- und hergeschoben wird.

Und dann gibt es dieses Kirchenasyl, wo der Staat auch nicht eingreift / eingreifen darf.

Unterwerfe ich mich eigentlich mir unbekannten Rechten und Pflichten, wenn ich kirchliche Grundstücke oder Gebäude betrete? Welche juristischen Regeln sind das? Ein halbes Dutzend würde mir erstmal reichen.

[Verschoben: Kultur & GesellschaftAllgemeine Rechtsfragen - Mod Kreszentia]

Moin,

aus https://de.wikipedia.org/wiki/Kirchenasyl#Rechtliche_Aspekte_des_Kirchenasyls_in_Deutschland

Das Kirchengelände genießt rechtlich keine Ausnahmestellung gegenüber dem sonstigen Hoheitsgebiet des Staates. Staatliche Organe wie Polizei und Staatsanwaltschaft haben uneingeschränkten Zugriff auf die dort aufenthältlichen Personen. Kirchengrundstücke genießen kein Recht auf Exterritorialität.

Ansonsten gilt das Hausrecht, wie in meiner Wohnung auch.

-Luno, Atheist

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Aus deinem Link:

„Ende April 2021 sprach das AG Kitzingen – noch nicht rechtskräftig – einen Mönch der Abtei Münsterschwarzach frei, der Kirchenasyl gewährt hatte. Er habe zwar rechtswidrig Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt ohne erforderlichen Aufenthaltstitel geleistet, jedoch im Hinblick auf seine grundrechtlich garantierte Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht schuldhaft gehandelt.“

Demnach könnte ich - falls die nächsten juristischen Instanzen nichts Gegenteiliges urteilen - wegen meiner Gewissensfreiheit auch jemandem nicht schuldhaft bei mir Asyl gewähren?

Und uneingeschränkter Zugriff trotz Hausrecht? Dürfte wohl unglücklich formuliert sein, liest sich wie Willkür ohne Richter-Genehmigung.

Moin,

dazu auch aus https://de.wikipedia.org/wiki/Zugriff_(Polizei)

Der Zugriff ist in der polizeilichen Taktik ein operatives polizeiliches Handeln, um eine Person in einen hoheitlichen Gewahrsam zu überführen.

Zugriff meint also den, den man auch bei deiner Wohnung hätte. Und nein, keine Willkür.

Probier’s doch einfach aus. Wenn dein Rang verfassungsrechtlich sehr hoch ist, könnte das klappen, dazu auch aus Wiki (mein obiger Link)

Am 23. November 2021 fasste der Bayerische Landtag auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Beschluss, in dem festgestellt wurde, dass das Kirchenasyl „als Ausprägung der Gewissensfreiheit“ angesehen werde. Es wurde der „verfassungsrechtlich hohe Rang“ der Kirchen, insbesondere in Fragen der Glaubens- und Gewissensfreiheit betont. Der Landtag forderte zudem, dass „die wichtige humanitäre Schutzfunktion des Kirchenasyls als letzter Ausweg für Menschen in Not“ respektiert werde und stellte fest, dass die asylgebenden Kirchengemeinden „im Rahmen der grundrechtlich garantierten Glaubens- und Gewissensfreiheit“ handeln. Dennoch wies auch der Landtag unmissverständlich darauf hin, dass die Kirchen an Recht und Gesetz gebunden seien. Doch durch ihr Handeln ermöglichen sie „in besonderen Härtefällen eine nochmalige Überprüfung der Fluchtgründe des Einzelnen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge“. Zudem forderte er die Staatsregierung dazu auf, Bericht über die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren im Bereich des Kirchenasyls zu erstatten und dem Landtag aufzuzeigen, „wie sich eine einheitliche, die besondere Stellung der Kirchen berücksichtigende, staatsanwaltschaftliche Tätigkeit, sowohl im Norden als auch im Süden Bayerns, erreichen lasse“.[49] Der rechtspolitische Sprecher der grünen Landtagsfraktion und Mitinitiator des Antrags Toni Schuberl wertete dies als deutliches Statement des Landtags gegen die Verfolgungspraxis der Staatsanwaltschaften im Freistaat.[50]

-Luno
[edit: Rechtschreibung ein wenig korrigiert]

In deinem ersten Link geht es um einen Mönch, also eine Einzelperson. Wenn der als Kirchen-Angestellter rechtlich anders zu bewerten ist als ich, bestätigt sich ja mein Verdacht auf Sonderrechte der Kirche.

Möglich.
In Deutschland existiert ein historisch gewachsenes und immer noch in Kraft befindliches umfangreiches gesetzliches Regelwerk für die Kirchen - das „Kirchenrecht“.

Was das „Betreten“ von kirchlichen Grundstücken oder Gebäuden betrifft, fällt mir jetzt so ad hoc nichts ein.
Bei einer eventuell vorhandenen Videoüberwachung würden dann die Betroffenenrechte aus dem kirchlichen Datenschutz greifen (die aber denen der DSGVO entsprechen).

Beatrix

Hast du den Artikel mit dem Mönch nicht gelesen oder nicht verstanden? Da steht ganz eindeutig drin, dass er grade eben KEINE Sonderrechte hat.

Das ist das gleiche wie eine Hausordnung oder eine Sammlung von AGB. Weiter nichts. Keine einzige Regelung darin kann irgendwelche Sonderrechte bewirken, die gesetzlich nicht vorgesehen sind.

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Moin,

Als Ergänzung dazu, die Kirche hat ein eigenes Arbeitsrecht: https://www.dbk.de/themen/kirche-staat-und-recht/kirchliches-arbeitsrecht und https://www.deutschlandfunkkultur.de/kirchenprivilegien-die-sonderrechte-der-amtskirchen-100.html

Das sind historisch gewachsene Rechte, aber die gelten nur in bestimmten Situationen.

Wiki zum Thema Kirchenrecht: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Kirchenrecht#:~:text=Kirchenrecht%20ist%20das%20selbst%20gesetzte,und%20um%20das%20evangelische%20Kirchenrecht.&text=Sowohl%20zum%20Kirchenrecht%20wie%20zum,Kirchenverträge)%20bzw.
Wobei man fairerweise sagen muss, anlässlich der Missbrauchsvorwürfe steht das Verhalten der Kirche schon im Brennpunkt.
Das Selbstbestimmungsrecht ist keine einfache Sache, denn das soll ja auch verhindern, dass die Ausübung der Religion vom Staat behindert wird: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Kirchliches_Selbstbestimmungsrecht
Auch wenn ich Atheist bin, aber auch ich schätze meine Religionsfreiheit. Viele Dinge haben also viele Seiten.
-Luno

Diese Aussage ist so nicht ganz richtig. Oder sagen wir mal so: es gibt für gewisse Situationen gesetzlich begründete Sonderrechte für die Kirchen (Kirchen hier nicht als Gebäude, sondern als Institutionen gemeint).
Es gibt sogar extra Kirchengerichte für bestimmte Sachverhalte, die dem Kirchenrecht unterliegen.

Beatrix

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Doch. Denn das:

widerspricht dem eben grade nicht.

KIrchliche Freizeiten finden auch ausserhalb kirchlicher Grbäude und Grundstücke statt. Sind dann Straftaten nach kirchlichem oder staatlichem Recht zu ahnden?

Ich verstehe immer noch nicht, wieso die Untersuchung der sexuellen „Probleme“ *) der Tätergruppe überlassen wird?

Wenn die Kinder und Jugendlichen dermaßen verängstigt wurden, dass sie noch heute psychologische Betreuung benötigen, wäre die Kirche wohl eine Terror-Organisation?

Oder muss „Terror“ morden, bevor man ihn so nennen darf? Genaues hört / liest man ja nicht, ob die Kinder / Jugendlichen Angst um ihr Leben hatten.

*) ich mag diesen nebulösen Begriff „sexuellen Missbrauch“ nicht, deutet das Gegenteil von „sexuellem Gebrauch“ an. Was soll das sein?

Begreifst du eigentlich prinzipiell nichts, weil du gar nicht begreifen willst?

ES GIBT KEINERLEI KIRCHLICHE SONDERRECHTE, DIE IRGENDEINEM GESETZ ENTGEGEN STEHEN!

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Mit rund 1,4 Millionen Beschäftigten sind die christlichen Kirchen der zweitgrößte Arbeitgeber in Deutschland. Zu den kirchlichen Angestellten gehören nicht nur Pastoren und Priester, sondern auch Mitarbeiter in Kindergärten, Pflegeheimen und Krankenhäusern in kirchlicher Trägerschaft. Das Grundgesetz räumt den Kirchen einige Sonderrechte ein, über die kein anderer Arbeitgeber in Deutschland verfügt.

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Du verwechselst die juristische mit der moralischen Aufarbeitung.

Es ist keinesfalls so, dass der Staat gesagt hat: Wir klagen keine Priester wegen Missbrauchs an, klärt ihr in der Kirche doch selber, was mit den Tätern zu tun ist.

Was die katholische Kirche in Eigenregie tun will/ wollte ist die moralische Aufarbeitung, also die Erfassung, Darstellung, Bewertung der Missbrauchsfälle und das Ziehen von Konsequenzen (Zahlungen an Opfer, Änderungen von Regelungen, damit so etwas zukünftig stark erschwert wird). Das hat bisher leider auch nicht besonders gut geklappt.

Hat aber nichts mit dem Kirchenrecht bzw. juristischem Handeln zu tun.

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Hier gilt ein uralter Grundsatz: Wo kein Kläger, da kein Richter.
Wenn also niemand bei der StA oder der Polizei Anzeige erstattet: woher sollen diese wissen, dass da eine Straftat vorliegen könnte und sie ermitteln müssen?

Und in D ist es nicht strafbar, eine Straftat nicht anzuzeigen.

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Interessant. Hast du ein eigenes Grundgesetz, in dem das so steht? Erzähl doch mal mehr.

Das ist so pauschal einfach Dummfug! Die kirchlichen Arbeitgeber sind Tendenzbetriebe und sind als solche kein Einzelfall. Auch Gewerkschaften, Parteien, politische Medien, … sind Tendenzbetriebe. Daher dürfen sie von ihren Mitarbeitern eine besondere Treue und Identifikation mit ihren Zielen und Werten fordern. Ausfluss dessen ist, dass das Betriebsverfassungsgesetz in Tendenzbetrieben nur sehr eingeschränkt gilt und damit Regelungen möglich werden, die die Einhaltung der Ziele und Werte des Arbeitgebers sicherstellen und ihnen entsprechen. Da reden wir ausdrücklich von Arbeitsrecht und Disziplinarrecht, aber nicht von Straf- oder sonstigem Recht und Du rührst hier mal wieder Dinge zu einem undurchsichtigen, toxischen Brei zusammen, die nichts miteinander zu tun haben,

Bzgl. der kirchlichen Arbeitgeber ist das Ganze Ausfluss der Religionsfreiheit, und diese sorgt auch an der ein oder andere Stelle für bestimmte Regelungen, die sonst nicht gelten. Das ist aber auch alles keine Besonderheit der Kirchen alleine. Auch aus dem Schutz von Ehe und Familie oder der Koalitionsfreiheit, … erwachsen besondere Regelungen.

Und wie @Karl2 schon schrieb: Wenn Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von kirchlichen Arbeitgebern nicht angezeigt worden sind, dann kann man diesbezüglich ggf. einen moralischen Vorwurf machen, das hat aber nichts im Ansatz damit zu tun, dass kirchliche Arbeitgeber diesbezüglich irgendeine rechtliche Sonderstellung einnehmen würden. Kein Arbeitgeber ist zu einer solchen Anzeige gesetzlich verpflichtet, und das ist grundsätzlich auch gut so, weil man sonst dem Opfer die Möglichkeit nehmen würde selbst zu entscheiden, ob es eine Strafverfolgung - verbunden mit all dem, was hierdurch an zusätzlicher Belastung des Opfers entsteht - anstreben will oder nicht. Daher auch meine Einschränkung eines „ggf.“ zu machenden moralischen Vorwurfs. Eine andere Hausnummer ist die oft fehlende arbeitsrechtliche Konsequenz bei bekannt gewordenem Missbrauch, die oft die Gelegenheit zu weiterem Missbrauch geschaffen hat, wenn man Leute aus einem „verbrannten“ Umfeld wegversetzt und wieder auf Positionen gesetzt hat, wo sie es recht einfach hatten, erneut entsprechend tätig zu werden. Wobei auch die Geschichte nicht ganz so einfach ist, da auch in der Kirche die Unschuldsvermutung gilt, und ohne Strafverfahren mit entsprechendem Ausgang man weder in der Kirche noch bei jedem x-beliebigen Arbeitnehmer einfach mal auf erste Anschuldigung hin, jemand ins Archiv versetzen kann. Auch insoweit also alles andere als „Sonderrechte“.

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Hallo Wiz,

leider differenzierst Du hier

ebenfalls nicht ausreichend.
Denn der Blick in § 118 betrVG zeigt, daß es auch hier durchaus Unterschiede gibt.

Denn Abs. 1 schränkt zwar die Geltung des staatlichen Rechts „Betriebsverfassungsgesetz“ für alle Arten von Tendenzbetrieben ein, aber eine komplette Ausnahme gibt es eben in Abs. 2 nur für Religionsgemeinschaften iSd Art. 137 WRV, nicht aber für sonstige „Tendenzträger“.

Wie allerdings schon mehrfach geschrieben, gibt es für kirchliche Liegenschaften - auch wenn sie für die Öffentlichkeit zugängig sind -, keine besonderen kirchlichen Privilegien. Hier gilt das normale Zivilrecht.

&tschüß
Wolfgang

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OK, da hätte man jetzt noch etwas weiter differenzieren können. Ich wollte jetzt aber auch keinen Roman schreiben. Du hast natürlich recht, da geht die Regelung im Detail tatsächlich speziell für die Religionsgemeinschaften weiter als für andere Tendenzbetriebe. Das ändert aber nichts daran, dass die Kirchen eben nicht die einzigen Tendenzbetriebe sind, diese Regelung sowohl für die Kirchen als auch für die anderen Tendenzbetriebe sauber gesetzlich normiert ist und die Kirchen sich hier nichts „herausnehmen“, was ihnen nicht durch Recht und Gesetz ganz offiziell zugestanden und sogar verfassungsrechtlich abgesichert ist. Ob man das alles jetzt so gut und richtig findet oder nicht, steht auf einem ganz anderen Blatt.

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