Ein 'Hura-Saich' - Schwyzerdeutsch so derb?

Hallo Zusammen,

als Süddeutscher komme ich mit den Dialekten unserer Schweizer Nachbarn gut zurecht. Ich stolper eigentlich immer nur über einen Ausdruck, der für mich recht derb klingt, obwohl er gefühlsmäßig gar nicht so derb gemeint ist. Und zwar mit den Vorsilben „Hura“ (=Hure?), z. B. ein Hura-Seich oder hura-langsam.

Kommt das tatsächlich von „Hure“ oder von „Horrend“ - oder von was ganz anderem. Ein Schweizer konnte mir das auch nicht sagen …

Viele Grüße

Andreas

Der „Seich“ ist eine Nomenbildung aus seichen (= rinnen) in der Bedeutung von urinieren (vgl. bair. „soachen“) und heißt Urin, sowie auch die Prozedur des Urinierens.
Einen „Hurenseich“ nennt man vorrangig eine langwierige, mühsame Angelegenheit. (Als Erklärung hörte ich, dass Dirnen besonders lang zum „Seich“ brauchten, Gründe dafür darf man sich nach Belieben ausmalen.)

Gruß, Michl

Hallo, Andreas,

als Süddeutscher komme ich mit den Dialekten unserer Schweizer
Nachbarn gut zurecht. Ich stolper eigentlich immer nur über
einen Ausdruck, der für mich recht derb klingt, obwohl er
gefühlsmäßig gar nicht so derb gemeint ist. Und zwar mit den
Vorsilben „Hura“ (=Hure?), z. B. ein Hura-Seich oder
hura-langsam.

Kommt das tatsächlich von „Hure“

ja, aber es hat in diesen Komposita nichts mehr von der ursprünglichen Bedeutung, sondern dient der Verstärkung/Intensivierung des Ausdrucks um Sinne von „sehr/überaus/extrem“ (vgl. „sau-“ [gut/teuer etc.]).

Siehe auch http://www.nzz.ch/nachrichten/wissenschaft/von_aerdo… :

Das unter Jugendlichen wieder neu entdeckte huere (im Sinne von «extrem» oder auch uuhuere mit einem verstärkenden Präfix uu-) geht sicher auf Huer zurück. Dieses Wort ist die schweizerdeutsche Form des allen germanischen Sprachen gemeinsamen Wortes für Prostituierte, das mit dem Lateinischen carus (begehrt, lieb, teuer) urverwandt ist. Wie anderes negativ Bewertetes fungiert es als Schimpfwort und wird sinnentleert als reine Verstärkung vor Substantiven und Adjektiven verwendet. Ähnliche Entwicklungen sind vielfältig belegt.

Was ist übrigens ein „Hura-Seich“? Der „Hura-Siach (Siech)“ ist mir geläufig.

Gruß
Kreszenz

Hallo,

ich kenne da die Version das sich „Huere“ von „Ungehuer“ (also Ungeheuer, gebraucht als Superlativ im Sinne von viel, übermäßig) ableitet. Leider habe ich dafür auf die Schnelle keinen Beleg im Netz gefunden.

Gruß
hps

Hallo

Das wird so ausgesprochen:

Huärä Seich. (das heisst, man findet etwas nicht gut)
En huärä guete Siech. (ein guter Kollege)

Ich finde das uhuärä guet. (ich finde das mega gut)

huärä = sehr gut

uhuärä = mega

Das wird umgangsprachlich oft verwendet. Wird aber neuerdings immer mehr von „mega geil“ verdrängt.

In den Siebziger Jahren kam das Wort „läss“ auf.
Man fand etwas „lässig“. Heute verwendet man nur noch geil oder mega.
Oder das altertümliche huärä.

Gruss

Servus,

das fängt nicht mit der Staatsgrenze an.

Im Alemannischen ab ca. 48. Breitengrad scheint mir die Bekräftigung (sowohl positiv als auch negativ wertend) durch „Hura-“ wenigstens genauso häufig wie südlich des Sees.

Bei den guten Katholiken, die immer neue Umwege finden, Blasphemien zu umgehen, übrigens auch als „Ersatzfluch“: Jo Hurament!

Andererseits kann es ein hohes Kompliment sein, wenn numma als „Hurasiach“ titulirt wird. Genauso gut wie dessen definitive Vernichtung, kommt halt drauf an. Wohingegen die Bezeichnung als „Huramänndle“ schon auch eine gewisse Bewunderung von dessen Gnitzheit enthält, aber vor allem Abscheu vor dessen Vordlhäfdigkeit.

Derb ist das alles nicht, bloß halt deutlich. Vgl. die schöne alte Gogen-Episode von dem frisch nach Dibenga zugezogenen Altphilologen, der sich zur Zeit der Sperre kurz vor der Lese in den Wingerten ergeht und vom Bammert erwischt wird: „Maachsch Du dass Du dohanna rauskommschd odr i schlaa dr d Fiaß aa dassd uff de Schtompa hoimkrattla kaaschd!“ - „Oh Verzeihung, bitte haben Sie ein Nachsehen, ich wußte nicht, dass es verboten ist, …“ - „Ha sähed Se, Herr Brofesser, drom sait mas oim em Guada!“

Vgl. die „Saustall“-Affaire des bairischen Nachbarn FJS seinerzeit.

Schöne Grüße

MM

Moin, MM,

vor allem Abscheu vor dessen Vordlhäfdigkeit.

jetzt bin ich etwas verblüfft. Vordlhäfdig heißt im Ostallgäu gewandt, geschickt, eigentlich nur bezogen auf die Art, wie sich jemand bei der körperlichen Arbeit bewegt. Und davor sollt’s mir grausen?

Gruß Ralf

Hallo Ralf, so auch in Hessen, „Da hast du`n Vordeel druff“ heißt Übung, Geschick haben. Gruß, eck.

Servus,

zwischen Deedlang und Oberroadna ist mir vordlhäfdig begegnet als ein ziemlich abwertendes Attribut für einen, der gegen jede ständische oder irdendwie andere Solidarität nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist (und schon auch gnitz genug, diesen zu nutzen): Einer der seltenen Fälle, wo der „Siach“, der dîserweag und derweag deutbar und verstehbar ist, eindeutig peiorativ angewendet wurde: „A vordlhäfdiger Siach, a vordlhäfdiger!“ = jemand, der immer auf seine vier Füße fällt, der es versteht, aus jeder Katastrophe als Gewinner herauszukommen, der vom Kleingedruckten grundsätzlich erst nach dem Handschlag redet. In der Gegend Tettnang - Neukirch - Kressbronn u.a. auf Viehhändler und „Hopfenjuden“ angewendet, die zumindest in den 1980er Jahren immer noch so hießen, obwohl der Hopfenhandel schon lang nicht mehr in jüdischer Hand war.

Hochinteressant finde ich dabei die diametral unterschiedliche Bewertung der gleichen Intelligenz -

Schöne Grüße

MM