Ein innerer Vorbeimarsch

Hallo Eva, hallo raketenbasis,

den Ausdruck kenne ich gar nicht, was ist damit gemeint?

(falls die Baumstruktur spinnt: ich rede von

Schwer zu beschreiben. Vielleicht kennst du den Film „Hauptmann von Köpenick“. Wilhelm Vogt kauft bei einem Kleidertrödler die Hauptmannsuniform. Der jüdische Händler bedient eifrig, übertrieben zuvorkommend, dienernd und devot. Versucht eilig noch andere Sachen aufzuschwatzen, spielt Mängel herunter. Alles mit einem fortwährenden Redefluss. Diese nachgesagte Hast ist also auf einen Geschäftsabschluss gerichtet. Ich hoffe, ich habe dieses Juden nachgesagt Klischee einigermaßen beschreiben können.

Gruß
rakete

Raketenbasis hat das schon gut erklärt. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, woher der Ausdruck kommt und im Internet findet sich merkwürdigerweise auch nichts dazu. Vielleicht gibt es in der Bibel eine diesbezügliche Stelle.

"In verschiedenen inzwischen von der Wissenschaft abgelehnten Rassentheorien wurden die Juden als „Semiten“ bezeichnet, weil die Hebräer ein semitisches Volk seien. " Semiten sind im Grunde genommen nicht gleich „Juden“, aber semitische Hast ist demnach wahrscheinlich doch mit jüdischer Hast gleichzusetzen.

Meine Eltern waren Jahrgang 1911/1912, alle meine Geschwister sind im Krieg geboren und dieser Ausdruck war in unserer Familie nach meinem Empfinden eigentlich wertfrei im Gebrauch. Familien haben eben einen Idiolekt und der Ausdruck war Teil davon. Mich hat auch mal jemand ermahnt, man dürfte nicht mehr sagen „etwas bis zur Vergasung tun“, also bis zum Überdruss. Ich war mit der Verwerflichkeit der Redewendung gar nicht bewusst, ich dachte wirklich er bezieht sich auf die ursprüngliche Bedeutung, den Wechsel des Aggregatzustandes.

Vielleicht müsste ich meinen Wortschatz mal von den Einsprengseln der Kriegsgeneration befreien :smile:

Gruß,
Eva

Sehr hübsch :smile:
Gruß,
Eva

Danke, hast du gut erklärt (ich kenne den Film).

Grüße
Siboniwe

Hallo Eva,

mein Papa ist Jahrgang 12/13, da ich ein „nachgetrippeltes“ Kind bin (mein Vater war 47, als ich zur Welt kam), habe ich viele, viele Stunden mit diesem Jahrgang verbracht (mein Vater war der Organisator der viermal im Jahr stattfindenden Fahrten ins Blaue für diesen Jahrgang in unserer Stadt und ich „durfte“ immer mit, bis lange ins Teenageralter).

Das mit der Vergasung kenne ich ebenfalls. Ich habe es benutzt, weil ich gar nicht auf den Gedanken kam, das mit den Geschehnissen während des Nazi-Regimes in Verbindun g zu bringen. Ich vergleiche das mit der Stadt Darmstadt - liegt in unserer Nachbarschaft und war einfach „ein Wort“. Sehr, sehr spät erst, habe ich die Verbindung mit dem Körperteil „Darm“ gemacht (das Flüsschen durch Darmstadt heißt übrigens "die Darm), als jemand ausrief „Ihhh, wer will denn da wohnen, das stinkt doch!“ Wixhausen habe ich erst später kennengelernt, weshalb die unpassende Verbindung sofort präsent war.

Einmal die Verbindung gemacht (bei Vergasung) habe ich mir das abtrainiert, aber es liegt zum Greifen nah im Hirn und ich muss das gelegentlich (wenn ich z.B. müde bin) aktiv hinunterschlucken - jahrelanger Gebrauch schleift die Synapsen ein.

Grüße
Siboniwe

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Hallo Eva,

ich antworte frei von jedem Wissen!

Ich kannte den Ausdruck bisher nicht. Mir fiel dazu spontan der Auszug aus Ägypten ein, als den Israeliten die Zeit fehlte, den Brotteig säuern zu lassen (Ex 12,29-39).

Viele Grüße,

Jule

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Eine Lehrerin hatte damals wegen ihres Gestikulierens zu uns gesagt:„Ich bin kein Jude, nur weil ich mit Händen und Füßen rede.“ Vermutlich auch ein jüdisches Klischee.
Gruß
rakete

Ich muss irgendwann doch noch Vegetarier werden :unamused:
Aber Danke für den Tipp, da könnte ein Zusammenhang bestehen.

Gruß,
Eva

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Fundsache aus dem Netz:
"Was „jüdische Hast“ ist, kann man in jedem Judenviertel sehen (z.B. in Antwerpen am Bahnhof). Viele Männer gehen da schnell, sie „hasten“. Der Grund ist die jüdische Arbeitsmoral. Während für die Christen bis zur Reformation Arbeit eine Folge der Erbsünde war – also mehr eine Strafe („Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen“, 1. Mose 3), war für die Juden Arbeit Pflicht. Man durfte nicht herumsitzen oder -gammeln, auch nicht herumbummeln, also musste man schnell gehen. Zurückgeführt wird das auf viele Sprüche Salomo, die fleißige, ehrlich Arbeit preisen. Der berühmtest ist wohl „Liebe den Schlaf nicht, dass Du nicht arm werdest“ (20,13). Diese Arbeitsethik ist vermutlich ein wichtiger Grund, dass die Juden über Jahrtausende in fremder und teilweise feindseliger Umgebung überlebt haben. "

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Ja, das bin ich auch! Meine Geschwister sind zwischen 10 und 17 Jahre älter als ich. Daher rührt wohl auch mein - bei Übersetzungen begehrter - altertümlicher Wortschatz. Ich habe oft amüsiert feststellen müssen, dass viele junge Leute bei meinem Vokabular nur Bahnhof verstehen :smile:

Gruß,
Eva

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