Ein-Mann-Theater - Gewinn oder/und Verlust?

Hallo zusammen!

Ich habe mir während der letzten zwei Monate Büchners Stück ‚Woyzeck‘ als „normales“ Theaterstück und als Ein-Mann-Theater angeschaut. Von ihrer Machart sind sie (natürlich) sehr unterschiedlich gewesen, beide jedoch sehr interessant in ihrer individuellen Darstellungsweise. Besonders beeindruckend fand ich zweiteres. Ein einzelner Schauspieler schafft es auf erstaunliche Art und Weise, verschiedene Charaktere darzustellen. Aus dieser Begeisterung heraus habe ich mich entschlossen, mich mehr über diese für mich neue Art des Theaters zu informieren und weitere Aufführungen dieser Art zu besuchen. Bisher hielt sich meine Begeisterung für Theatervorführungen in Grenzen.
Nun - um zum Thema zurückzukommen: ich habe natürlich deutlich beobachten können, wie sehr sich die beiden Stücke unterscheiden. Aber nun zu sagen, worin genau der Unterschied liegt, fällt mir schwer. Was geht also durch die Darstellung mit nur einem Schauspieler in einem Ein-Mann-Theater verloren? Was wird im Gegensatz hinzugewonnen und ist so in einem „normalen“ Stück nicht in der Form darstellbar?

Ist ein Soliloquy eigentlich das gleiche wie ein Ein-Mann-Theater? Oder gibt’s da noch einen anderen Fachbegriff für?

Vielen Dank für Eure Antworten!

Viele Grüße,

Jojo

Ich antworte Dir einmal subjektiv aus der Sicht eines Darstellers.

Ich spiele (Laien)Theater in einer Gruppe und ich habe aktuell zwei Solostücke. In der Gruppe versuche ich, das Stück als solches und die einzelne Rolle zu fokussieren. Mein Beitrag ist ein Einzelbeitrag zu einem Ganzen. Entsprechend passe ich mich an, agiere ich eingepasst und Gruppendienlich.

Wenn ich allein spiele, liegt die ganze Verantwortung bei mir. Ich hole alles aus mir heraus, betone stärker, bin agressiver und betonter. Es entsteht eine ganz neue Qualität.

Meine Frau (mein stärkster Kritiker) sagt, ich spiele erst richtig Theater, wenn ich allein auf der Bühne bin.

Daniel R. Graf

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Hallo Jojo,
seit geraumer Zeit (genauer gesagt seit gut 25 Jahren) schreibe ich Texte fürs Theater. Besonders Büchners Woyzeck hat es mir angetan. Nun ist mein Monolog „Georg Woyzeck“ entstanden, worin der Frauenmörder Johann Christian Woyzeck mit seinem Schicksal hadert. Denn Georg Büchner, sein „Erzeuger“ hat ihm keinen Schluß „geschenkt“, das Theaterstück WOYZECK ist ja bekanntlich ein Fragment. In diesem Zusammenhang haben mich auch Fragen über den Unterschied „Mehr-Personen-Stück“ und „Ein-Personen-Stück“ beschäftigt. Mein Ergebnis: Beides ist absolut nicht vergleichbar. Weder aus der Sicht des Schauspielers, noch aus der Sicht des Autors. Für mich als Autor ist ein Monolog immer die „Königsdisziplin“. Übrigens: Wenn dich Monologe auf dem Theater interessieren, schau dir doch mal „Die Sternstunde des Josef Bieder“ von und mit Otto Schenk an - ein echtes Highlight.
Zur Frage, was geht verloren, wenn nur ein Schauspieler auf der Bühne steht, kann ich aus meiner Erfahrung sagen: Ist das Stück gut, ist es spannend bis zum Schluß, heiter, traurig, aufrührend, gemein, zotig - dann ist nichts verloren. Ums mit dem alten Will Shakespeare zu sagen: A well made play.
Gruß
Leonmicha