Ein umfassendes Psychogramm der Deutschen?

Hallo,

eine Umfrage, von der ZEIT in Auftrag gegeben, erforscht umfassend und repräsentativ die Toleranz der Deutschen. Die Ergebnisse sprechen für sich selbst. Deutsche sind weitaus toleranter als das die rechtsextremen Schreihälse auch in diesem Forum vermuten lassen.

Mittlerweile wird der Wahlkampf bereits auf dem Rücken von Behinderten ausgetragen.

Besonders die Fragen zum „Wir“-Gefühl zeigen, dass der kosmopolitische Liberalismus das bestimmende Gesellschaftsmodell der Deutschen darstellt.

Interessant sind auch die Ergebnisse, die aufzeigen, woraus sich der Rechtspopulismus speist. Es sind die wenig Gebildeten, mit geringem Einkommen, die sich politisch nicht vertreten fühlen. Die Zahlen zeigen übrigens auch einige Parallelen zwischen Wählern von AfD und Die Linke auf.

Insgesamt sehe ich mich durch diese Umfrage bestätigt und sehe Deutschland auf einem guten Weg.

Gruß, Hans-Jürgen Schneider

Nein, das tun sie nicht.
Nichts Genaueres über die Studie erfährt man im Text nicht, aber wenn ich lese, dass offenbar a) ganz schlicht und einfach lauter direkte Fragen gestellt wurden, die b) nicht einmal unterschiedlich gepolt wurden, dann neige ich dazu, das Ergebnis in die Tonne zu kloppen, weil so mehr die moralisch-sozial-erwünschte Haltung abgefragt wird als ein brauchbares „Psychogramm der Deutschen“.

Vor dem Hintergrund dieser ganzen Zustimmung suggerierenden „Wohlfühlfragen“ ist es krass, dass nur ein Drittel der Deutschen die Einwanderung aus anderen Kulturen als Bereicherung empfindet (S. 2).
„Affinität zum kosmopolitischen Liberalismus“ sieht anders aus :wink:

Gruß
F.

Hallo F.,

ich weiss nicht, was Du studiert hast.

Heutzutage ist jeder Experte für Journalismus (Lügenpresse) oder Umfragen (in die Tonne kloppen).

Die Materie, über die Du hier so salopp urteilst heißt Umfrageforschung. Es handelt sich also um eine Wissenschaft. Die Umfrage wird in dem Artikel gut dokumentiert. Sie ist solide, ihre Ergebnisse sind repräsentativ und signifikant.

Was Du in Deinem mehr verschleiernden als erhellenden Sprachstil ausdrücken möchtest ist vielleicht Folgendes: Wenn ich von einem Befragten erfahren möche, ob er rassistisch ist, darf ich ihn nicht fragen ob er was gegen Menschen mit dunkler Hautfarbe hat. Ich muss ihn fragen, ob er was dagegen hätte, wenn seine Tochter einen Afrikaner heiratet. Aber keine Angst. Das wissen die Forscher bereits.

Wie polt man denn direkte Fragen? Oder meinst Du die Gewichtung der Antworten? Das macht man zum Beispiel bei der Sonntagsfrage. Da werden die Ergebnisse der radikalen Parteien aufgerundet, weil einige Befragte sich nicht trauen, diese Parteien zu nennen. Das wird allerdings in jedem Institut anders gehandhabt.

Wenn Du mal scharf nachdenkst, welche Parteien das in diesem Artikel zitierte Gesellschaftsmodell mehr oder weniger vertreten, so sind dies, beginnend bei den größten Befürwortern, die FDP, die CDU, die SPD, und die Grünen.

Addiere einfach nach der nächsten Wahl die Prozente dieser Parteien und Du hast ein Ergebniss in Bezug auf das präferierte Gesellschaftsmodell. Es sei denn, Du entdeckst die ganz große Wahlfälschung.

Einen schönen Sonntag, Hans-Jürgen Schneider

U.a., hierzu einschlägig, Soziologie im Diplom.

Nein, sie ist in dem Artikel so gut wie überhaupt nicht dokumentiert, was einem Zeitschriftenartikel nicht vorzuwerfen ist, was aber dazu führt, dass er dadurch mehr ? transportiert als Antworten.

Sie wird bestimmt auch objektiv und reliabel sein, beim entscheidenden Punkt der Validität (wie hoch und welcher Art?) wissen wir aber nichts nach der Lektüre des Artikels.
Das wenige, was wir wissen, lässt mich an der Validität dieser Umfrage eher zweifeln.

„Umpolen“ oder „Drehen“.
Wenn du dir den Block 5 auf S. 2 deines Links anschaust (v.a. darauf beruhen die Aussagen des Artikels), dann wirst du erkennen, dass da z.B. dem Störeffekt der „Akquieszenz“ Tür und Tor offen gelassen wurde (v.a. weil es ein moralisch stark aufgeladenes Themenfeld ist, bei dem sich ‚Akquieszenz‘ und ‚soziale Erwünschtheit‘ gegenseitig verstärken). Das hätte man z.B. bereits durch den Wechsel von Positiv- und Negativformulierung etwas abmildern können. Es fällt jedenfalls auf, dass darauf verzichtet wurde, und man fragt sich, warum?

Liberalismus ja, aber „kosmopolitisch“?
Vielleicht verstehe ich den Begriff einfach enger als du.
Ich finds reichlich seltsam, eine Studie, in der 2/3 der Befragten Einwanderung aus anderen Kulturkreisen nicht als Bereicherung verstehen, als Nachweis für „kosmopolitischen Liberalismus“ zu verstehen.

Dir auch einen schönen Sonntag!
F.

Hallo F.,

danke für Deine erschöpfende Auskunft.

Sicher hätte man die Befragung noch ausführlicher dokumentieren können. Immerhin war aufgeführt, dass die semantischen Differenziale über sieben Abstufungen gingen,

Auch Dein Einwand im Hinblick auf kulturelle Bereicherung verstehe ich.

Kosmopolitischer Liberalismus klingt aufgebauscht. Ich verbinde ihn einfach mit einer weltoffenen Einstellung.

Gruß, Hans-Jürgen Schneider

Eure Diskussion ist interessant. Für Leute, die fachlich einigermaßen gut drin sind. Hat aber mit einer für „normale“ Nutzer des Forums nach der Eingangsfrage wenig weiterführende Ergebnisse. Vielleicht hilft es weiter, wenn ihr beide klar machen könnt, dass Methoden der Erforschung und Erklärung von allem Möglichen immer auch Suchen nach " dem Stein des Weisen" sind. Euer Diskurs also nur Beschreitung des üblichesn Weges ist.
LG
Rebekka

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