Ein unendlicher Raum, der sich ausdehnt?

Hallo,

meine Frage ist vermutlich streng genommen nicht astronomischer Natur, aber der Sachzusammenhang veranlasst mich, sie hier zu stellen.

In meinem jugendlichen Leichtsinn würde ich sagen, dass das Weltall (oder überhaupt ein Raum) nicht unendlich groß sein und sich zugleich ausdehnen kann. Ausdehnung würde doch Vergrößerung bedeuten und Vergrößerung seinerseits, dass die Maße des Universums größer werden, während aber die denkbaren Strecken, wenn sie schon unendlich groß wären, nicht noch größer werden könnten.

Stimmt das so? Wenn nein, wie verhält es sich dann?

Viele Grüße
Benvolio

In meinem jugendlichen Leichtsinn würde ich sagen, dass das
Weltall (oder überhaupt ein Raum) nicht unendlich groß sein
und sich zugleich ausdehnen kann.

Das ist wieder mal ein Beispiel dafür, dass man sich nicht auf den „gesunden Menschenverstand“ verlassen darf. Ein unendlich großer Raum kann sich ausdehnen.

Ausdehnung würde doch
Vergrößerung bedeuten und Vergrößerung seinerseits, dass die
Maße des Universums größer werden, während aber die denkbaren
Strecken, wenn sie schon unendlich groß wären, nicht noch
größer werden könnten.

Warum soll eine unendliche Strecke nicht noch größer werden können? Du lässt Dich wahrscheinlich davon verwirren, dass beispielsweise x und x+1 für x gegen unendlich denselben Grenzwert haben. Das bedeutet aber nicht, dass irgendwann x=x+1 gilt. x+1 ist auch im Unendlichen größer als x.

Es gibt eine hübsche Veranschaulichung für unendliche Räume:

http://de.wikipedia.org/wiki/Hilberts_Hotel

Die Expansion eines unendlich großen Raumes kann man sich so ähnlich vorstellen, wie die Aufnahme unendlich vieler neuer Gäste in Hilberts Hotel.

Schönen Dank!

Das ist wieder mal ein Beispiel dafür, dass man sich nicht auf
den „gesunden Menschenverstand“ verlassen darf. Ein unendlich
großer Raum kann sich ausdehnen.

Keineswegs. Denn ich schrieb gerade nicht „gesunder Menschenverstand“, sondern „jugendlicher Leichtsinn“, und ich habe mich gerade nicht darauf verlassen, sondern hier gefragt.

Die Expansion eines unendlich großen Raumes kann man sich so
ähnlich vorstellen, wie die Aufnahme unendlich vieler neuer
Gäste in Hilberts Hotel.

Ich muss dann allerdings jetzt trotzdem sagen, dass mein Verstand damit überfordert ist. Dass er gesund ist, behaupte ich aber ja gar nicht. :wink:

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Hallo!

Wenn die Kosmologen sagen, dass sich der Raum ausdehnt, meinen sie damit nicht, dass ein Volumen aufgeblasen wird wie ein Luftballon. Ausdehnung bedeutet vielmehr, dass der Abstand zwischen zwei Strukturen (also z. B. zwischen zwei Galaxienhaufen) im Universum größer wird. Erstaunlicherweise geht das auch dann, wenn das Universum unendlich ist.

Übrigens ist es zwar zur Zeit gerade modern zu glauben, dass das Universum unendlich sei. Dies ist aber keineswegs bewiesen. Vor noch nicht allzulanger Zeit (Ende des 20. Jahrhunderts) favorisierten die meisten Kosmologen ein endliches Universum.

Michael

Übrigens ist es zwar zur Zeit gerade modern zu glauben, dass
das Universum unendlich sei. Dies ist aber keineswegs
bewiesen.

Es ist immerhin das einfachste Modell das die bisherigen Beobachtungen korrekt beschreibt. Sobald neue Beobachtungen dazu kommen, die nicht mehr in das Modell passen, muss es natürlich durch ein anderes ersetzt werden. Das gilt allerdings für alle Aussagen der Naturwissenschaft. Beweisen im mathematischen Sinn (jede Ausnahme ausschließen) kann man da sowieso nichts.

Es ist immerhin das einfachste Modell das die bisherigen
Beobachtungen korrekt beschreibt. Sobald neue Beobachtungen
dazu kommen, die nicht mehr in das Modell passen, muss es
natürlich durch ein anderes ersetzt werden. Das gilt
allerdings für alle Aussagen der Naturwissenschaft. Beweisen
im mathematischen Sinn (jede Ausnahme ausschließen) kann man
da sowieso nichts.

Das ist wohl wahr. In der Astronomie ist es halt so, dass es direkte Experimente nicht gibt. Ein Physiker, der eine neue Hypothese aufstellt, würde sich sofort ein Experiment überlegen, mit dem er diese Hypothese verifizieren oder falsifizieren kann. Das kann ein Kosmologe bzw. Astronom in aller Regel nicht tun. Er kann nur beobachten, was ihm die Natur „freiwillig“ so an Daten schenkt. Bei der Kosmologie kommt noch erschwerend hinzu, dass sich der Kosmos als Ganzes gar nicht beobachten lässt. Insofern haben alle kosmologischen Hypothesen noch viel mehr den Charakter von Modellen als in den anderen Naturwissenschaften. (Das ist keine Kritik an der Astronomie bzw. der Kosmologie, sondern nur eine Beschreibung einer ihrer Eigenheiten).

Michael

Wenn ein Raum unendlich groß ist, dehnt er sich nicht aus.

Wenn sich ein Raum ausdehnt, ist er nicht unendlich. Ausser…er dehnt sich in sich selber aus…in viele parallele Räume…in andere Dimensionen…

In 2000 Jahren sind wir klüger.

G.N.

Moin,

Wenn ein Raum unendlich groß ist, dehnt er sich nicht aus.

wie kommst Du darauf?
Siehe Hiberts Hotel.

Wenn sich ein Raum ausdehnt, ist er nicht unendlich.

Wieder Hiberts Hotel
Das widerspricht erst mal der Intuition, oder dem gesunden Menschenverstand, aber das liegt daran, daß ein gesunder Menschenverstand eher selten mit (echter) Unendlichkeit konfrontiert wird :wink:
Daher widersprechen auch viele Quanteneffekte und Aussagen der Relativitätstheorie dem gesunden Menschenverstand.
Beschäftige Dich mal ein wenig mit Mächtigkeiten von Mengen.

In 2000 Jahren sind wir klüger.

Mag sein, aber diese Aussage kann heute schon beantwortet werden.

Gandalf

Hallo,

Das ist wieder mal ein Beispiel dafür, dass man sich nicht auf
den „gesunden Menschenverstand“ verlassen darf. Ein unendlich
großer Raum kann sich ausdehnen.

Sicher darf man sich auf den „gesunden Menschenverstand“ verlassen, worauf denn sonst? Man muss ihn dann nur auch benutzen. Denn wenn man ein bisschen nachdenkt, dann kann man ohne tiefergehende Mathekenntnisse leicht erkennen, dass sich auch unendlich große Räume ausdehnen können:

Man nehme einfach etwas unendlich großes, z.B. die Zahlenreihe
0,1,2,3,4,5,6…

Die trägt man jetzt in einem Gedankenexperiment in einem Abstand von 1m auf einen Zahlenstrahl auf. Der Zahlenstrahl wäre logischerweise unendlich lang und jeden Meter wäre eine Zahl notiert. Um von der 0 zur 10 zu kommen, müsste man also 10 Meter gehen.

Jetzt verdoppeln wir den Abstand zwischen den Zahlen, d.h. wir tragen jetzt nur noch alle zwei Meter eine Zahl auf. Die Abstände zwischen den Zahlen sind jetzt doppelt so groß (=Expansion). Es sind aber immer noch gleich viele Zahlen und der Zahlenstrahl ist immer noch unendlich groß. Um von der 0 zur 10 zu kommen musst du aber trotzdem jetzt 20m gehen, also die doppelte Strecke. Genauso wie sich die Entfernung zwischen jedem beliebig wählbaren Zahlenpaar nun verdoppelt hat.

Wie man daher durch Benutzung des Verstandes sehen kann, kann sich etwas unendliches trotzdem ausdehnen.

vg,
d.

1 Like

Hallo.

Das ist wohl wahr. In der Astronomie ist es halt so, dass es
direkte Experimente nicht gibt. Ein Physiker, der eine neue
Hypothese aufstellt, würde sich sofort ein Experiment
überlegen, mit dem er diese Hypothese verifizieren oder
falsifizieren kann. Das kann ein Kosmologe bzw. Astronom in
aller Regel nicht tun.

Das würde ich so nicht sagen. Natürlich kann ein Astronom falsifizieren oder verifizieren, nur hat die „Experimente“, wie du schon sagtest, schon jemand (=das Universum) durchgeführt, der Astronom muss die Experimente nur noch beobachten und auswerten. Und da die Natur schon so ziemlich alles, was irgendwie geht, auch schon gemacht hat, ist dies IMO auch kein wirklich limitierender Umstand.

Beispiel:
Wenn anhand von einer Beobachtung feststellst, dass das Universum expandiert, dann ist das ein Prozess, dass sich nicht nur in dieser einen Sache niederschlägt, sondern das hat meist messbare Auswirkungen in einer ganzen Reihe von anderen Beobachtungen, auf die nur noch keiner geschaut hatte bis da hin. Du kannst die Behauptung dann verifizieren oder falsifizieren, in dem du dir z.B. Beobachtungen überlegst, die das ermöglichen oder in alten Beobachtungsdaten nach entsprechenden Auswirkungen der Behauptung suchst.

Wenn du also wie Hubble die Rotverschiebung entfernter Galaxien beobachtest, und dann schließt, dass sich das Universum ausdehnt, dann kannst du das natürlich anhand diverser Dinge überprüfen. Solche Dinge wären dann z.B. die Hintergrundstrahlung, die kleineren Abstände zwischen weiter entfernt liegenden Galaxien, Zeitdilatation bei Supernovae, usw usf… es gibt sicher hunderte von Dingen, die allein mit dieser Behauptung zusammenhängen und prüfbar sind.

Die Topologie des Universums hat sicher genauso Auswirkungen auf allerlei Dinge, und mit Ockhams Razor erklärt ein unendlich großes, flaches Universum die Beobachtungen halt am besten.

vg,
d.

hi,

Das ist wieder mal ein Beispiel dafür, dass man sich nicht auf
den „gesunden Menschenverstand“ verlassen darf. Ein unendlich
großer Raum kann sich ausdehnen.

Sicher darf man sich auf den „gesunden Menschenverstand“
verlassen, worauf denn sonst? Man muss ihn dann nur auch
benutzen. Denn wenn man ein bisschen nachdenkt, dann kann man
ohne tiefergehende Mathekenntnisse leicht erkennen, dass sich
auch unendlich große Räume ausdehnen können:

…sagt jemand, der sich schon Jahre mit der RT und dem Universum beschäftigt…

Hallo.

Das ist wohl wahr. In der Astronomie ist es halt so, dass es
direkte Experimente nicht gibt. Ein Physiker, der eine neue
Hypothese aufstellt, würde sich sofort ein Experiment
überlegen, mit dem er diese Hypothese verifizieren oder
falsifizieren kann. Das kann ein Kosmologe bzw. Astronom in
aller Regel nicht tun.

Das würde ich so nicht sagen. Natürlich kann ein Astronom
falsifizieren oder verifizieren, nur hat die „Experimente“,
wie du schon sagtest, schon jemand (=das Universum)
durchgeführt, der Astronom muss die Experimente nur noch
beobachten und auswerten.

Und da die Natur schon so ziemlich
alles, was irgendwie geht, auch schon gemacht hat, ist dies
IMO auch kein wirklich limitierender Umstand.

Aber nur, wenn man limitiert denkt. Du unterstellst dem Astronomen, dass er das Experiment sieht, sofort erkennt und vor allem weiß, was genau er eigentlich sucht.

Hallo,

Das ist wieder mal ein Beispiel dafür, dass man sich nicht auf
den „gesunden Menschenverstand“ verlassen darf. Ein unendlich
großer Raum kann sich ausdehnen.

Sicher darf man sich auf den „gesunden Menschenverstand“
verlassen, worauf denn sonst? Man muss ihn dann nur auch
benutzen. Denn wenn man ein bisschen nachdenkt, dann kann man
ohne tiefergehende Mathekenntnisse leicht erkennen, dass sich
auch unendlich große Räume ausdehnen können:

…sagt jemand, der sich schon Jahre mit der RT und dem
Universum beschäftigt…

Schon klar. Ich wollte ja nur mit einem ganz einfachen Beispiel zeigen, dass man „nur“ auf den richtigen Gedanken kommen muss, und dann ist es auch für einen Laien gut nachvollziehbar. Der Clou liegt meistens darin, ein komplexeres Problem auf ein etwas simpleres zu reduzieren. Hier braucht es einfach ein bisschen Abstraktionsvermögen, dass man auch ohne jahrelange Beschäftigung mit RT und Universum haben kann.

Und für mich ist eine der naheliegendsten Abstraktionen der Zahlenstrahl, da dies eines der einfachsten Dinge ist, an denen man es mit Unendlichkeiten zu tun hat und der jedem eigentlich geläufig ist. Dazu muss man nun nicht unbedingt Kosmologe oder Astrophysiker sein, um darauf zu kommen, sondern man muss halt ein bisschen mehr oder weniger lang herumknobel und überlegen. Und wenn man nicht drauf kommt, frägt man halt hier und irgendjemand weiß dann schon die Lösung :wink:

Ich finde nur den Ausspruch, dass man hier mit dem „gesunden Menschenverstand“ nicht weiterkommt, einfach falsch. Den hört man oft, und gemeint ist eigentlich etwas ganz anderes, nämlich dass man mit unserer Alltagserfahrung hier nicht weiterkommt. Man muss also gewohnte Denkstrukturen und Assoziationen vielleicht hinter sich lassen und sich einfach eingestehen, dass die Natur so ist wie sie ist, und nicht so, wie wir uns das vielleicht gerne vorstellen würden.

vg,
d.

Hallo,

Aber nur, wenn man limitiert denkt. Du unterstellst dem
Astronomen, dass er das Experiment sieht, sofort erkennt und
vor allem weiß, was genau er eigentlich sucht.

Nö, ich unterstelle ihm nicht, dass er das sofort erkennt. Genausowenig fällt ja auch dem Physiker immer sofort ein Experiment ein, mit dem er etwas überprüfen kann. In der Physik wie auch in der Astronomie kamen manche Experiment oder Beobachtungen ja erst Jahre oder gar Jahrzehnte nach der Aufstellung einer bestimmten Theorie. Manchmal sind es ja auch ganz fachfremde Physiker oder Astronomen, die dann in ihrem Teilgebiet auf eine Beobachtung gestoßen sind, welche die Auswirkung von einem Vorgang aus irgendeinem anderen Teilgebiet war.

Der Physiker muss sich halt überlegen, welches Experiment er machen muss, um seine Beobachtung machen zu können, und der Astronom muss sich halt überlegen, was es im Weltall für Objekte und Dinge gibt, an denen er seine gewünschte Beobachtung machen kann. Oder man stolpert eben durch Zufall darüber.

vg,
d.

In der
Physik wie auch in der Astronomie kamen manche Experiment oder
Beobachtungen ja erst Jahre oder gar Jahrzehnte nach der
Aufstellung einer bestimmten Theorie.

In der Physik kann man seine Experimente herbeiführen, in der Astronomie ist man, wie du auch sagst, auf das Universum angewiesen.

Da geht es weniger um Jahr oder Jahrzehnte als vielmehr um Jahrhunderte oder Jahrmillionen. Der Astronom braucht Geduld, der Physiker Ehrgeiz. Das Licht muss die Experimente erst zu ihm bringen, der Astronom kann sich sich nicht einfach selbst basteln und das war es, was Michael meinte.