Hi, Polyandrie hat in der Regel auch andere Ursachen als die
von dir genannte.
Hast Du das beschriebene selbst erlebt oder nur
gehört/gelesen.
Ich habe es selbst erlebt. Bin im Rahmen einer Indien Reise (ich bin „vom Haus Aus Indologin“, die sich egentlich mit den Dialekten des Regions beschäftigen sollte, mehr oder weniger durch Zufall an dieser Gemeinschaft geraten.
Um die Bevölkerung konstant zu halten ist z.b. nötig:
- ein ausreichend großer Genpool (hier durch geringe
Gruppengröße und Endogamie nicht gegeben)
Soweit ich dies mitkriegen konnte, gab es mehrere Gemeinschaften, die zu diesem „Stamm“ gehörten, aber die habe ich nicht besucht. Dennoch: wie gesagt, war dieses „tribe“ bereits am Schwinden.
- eine ausreichende Geburtenrate (in Entwicklungsländern wegen
hoher Sterblichkeit bestimmt 3-4 Kinder für ein Paar,
entsprechend für 1 Frau und 3 Brüder mindestens 6-7 bis zur
Geschlechtsreife überlebende Kinder)
- was macht man mit den übriggebliebenen Frauen? Wenn sie
sich selbst ernähren können, stimmen die Argumente für die
Polyandrie nicht. Wenn sie sterben, wäre es unter solchen
Überlebensbedingungen nötig, ausreichend viele weibliche
Säuglinge zu töten, damit sie nicht erst bis zum
Erwachsenenalter sinnlos gefüttert werden.
nun, über direkten „Mädchenopfer“ wurde mich (immerhin war ich aussenstehende) nichts gesagt, ich würde sie aber leider nicht ausschliessen, da sie auch sonst nicht unüblich für Indien sind (und die Menschen glauben tatsächlich den Mädchen damit einen Gefallen zu erweisen, aber dies ist ein anderes Thema). Ansonsten habe ich bereits darauf hingewiesen, dass kranke Mädchen praktisch nicht gepflegt werden, kranke Jungs aber doch. Somit ist die Sterblichkeit unter den Mädchen ziemlich hoch (auf jeden Fall höher,als wenn sie die gleiche Betreuung geniessen würden wie die Jungs). Hinzu kommt, dass es tatsächlich zielmich viele unverheiratete Frauen gab, vor allem jungere Schwester. Ich kann es nicht beweisen, und es wurde mir auch nicht direkt so gesagt, aber ich glaube, sie sollten als Reservemutter dienen, wenn die ältere Schwester sterben sollte um das überleben der Kinder zu sichern. Das sage ich nur, weil nach dem Tod der Mutter die älteste Tochter sehr viel Macht bekam, und jungere Geschwister nur mit ihrem Erlaubnis heiraten durften. Es ist nur menschlich, wenn Frauen das überleben der eigenen Kinder sichern wollen, und wenn es auf die Kosten des persönlichen Glücks jungerer Schwester ist. Aber all dies sind nur Beobachtungen und Schlussfolgerungen.
das Argument, dass ein Mann nciht genug Essen für sich und
eine frau ranschaffen kann ist auch schwach. Warum beteiligne
sich die Frauen dann nicht am Nahrungserwerb (z.B. 1 Mann und
4 Frauen, eine kümmert sich um die Kinder und die 3 anderen
beteiligen sich am Nahrungserwerb)
Weil dann die anderen 3 Frauen auch Kinder bekämen, oder ich verstehe nicht von Männer! Und diese bräuchten auch Nahrung, oder? Es ging ehr darum, die Anzahl der Kinder einer Familie möglichst niedrig zu halten in Relation zu den erwachsenen Familienmitgliedern. In einer polygamische Gesellschaft verändert sich diese Relation stark zu Gunsten der Kinder, in einer polyandrischen - zu Gunsten der Erwachsenen. Darauf kommt es an. Ansonsten arbeiten die Frauen selbstverständlich mindesten so hard wie die Männer und beteiligen sich durchaus an dem Nahrungserwerb.
Der mit bekannte Grund für Polyandrie ist der, dass bei Tod
eines der Brüder die Versorgung der Kinder weiter gegeben ist.
Oft bei kriegerischen Völkern oder wenn durch riskante
Jagdmethoden eine hohe Sterblichkeit bei den Männer besteht.
Oft gibt es auch religiöse Begründungen dafür.
Hier ja auch (Draupadi). Und, wie ich gesagt habe, es wird seitens der indischen Anthropologie angenommen, dass dieses Stamm aus Tibet kommt. Sicherlich hatte die Polyandrie dort als eigentlichen Grund die Versorgung der Kinder,hier war es aber auch so. Nur hatte sich der entscheidende Faktor von hohe Strblichkeitsrate bei den Männern zu einem allgemeineren Kampf ums überleben „verlagert“.
Ich würde diese Gruppe und ihr Verhalten ggf. unter ganz
speziellen Umweltbedingungen für sinnvoll ansehen. Aber man
kann daraus keineswegs den Schluss ziehen, dass es auch bei
einer etwas anderen Umwelt sinnvoll wäre, schon gleich gar
nicht in einer entwickelten Ökonomie, wo eigentlich für alle
genug Nahrung zum Überleben da ist.
Darauf wollte ich auch nicht hinaus. Mir ging es vor allem um die Bewertung von Tätigkeiten. (Schliesslich ist die Küche auch in allen männerdominierten Kulturen „Frauenbereich“, aber aus ganz unterschiedlichen Gründen!)
Bei den bisher erforschten Stämmen gibt es weltweit einzelne
Fälle von Polyandrie, aber es ist immer ein seltener
Ausnahmefall gegenüber der Paarbildung oder Polygynie
(letztere meist aber auch nur in der Oberschicht)
Warum?
Da gebe ich dir Recht. Und auch in diesem Stamm gab es, meiner Meinung nach, viele Signale für den Zerfall dieses Systems. Zum einen die Einschränkung, dass nur Brüder geheiratet werden dürfen. Zum anderen, gab es ein kompliziertes System von Beischlaf-Regeln (da bin ich mit meinen Hindi-Kenntnissen einfach nicht durchgestiegen!), das zumindest teoretisch die Veststellung der Vaterschaft gewährleistete. Das sollte in einer rein polyandrischen Gesellscahft aber doch irrelewant sein, oder? Also glaube ich nicht, dass diese Kultur lange übeleben wird (wenn sie denn noch existier, denn über die „scheduled tribes“ hält sich Indien sehr bedeckt und würde am liebsten jegliche Informationen verbieten. Inzwischen sind die Meisten Gebiete gesperrt. Die Argumente: keine Krankheiten einschleppen und die Stammeskultur nicht zu kontaminieren leuchten mir ein. Nur scheinen Soldaten von diesen üblen Einflussen frei zu sein, denn sie sind in diesen Gebieten überdurchschnittlich zahlreich vertreten.)
Was deine Frage „Warum?“ angeht, so fallen mir schon einige nicht jugendfreie Antworten an. Aber im ernst: Wenn man die für alle Lebewesen axiomatische Tatsache in Betracht zieht, dass männliche Wesen die Bestrebung haben, ihr Samen möglichst weit zu verbreiten, weibliche - das überleben der Kinder zu sichern, wäre der natürliche Wunsch der Männer (ohne Wertung!) möglichst viele Frauen zu schwängern (und damit sicher gestellt wird, dass ER sie geschwängert hat, sollte der Frau Gechlechtverkehr mit anderen Männern selbstverständlich untersagt werden), der der Frauen - den Mann möglichst nur für sich zu haben, damit er zum Überleben ihrer Kinder beiträgt. In dem Moment, wo die Gesellschaft einen Mann verpflichtet, sich tatsächlich für die Kinder aller von ihm geschwänderten Frauen zu kümmern, wird der ober erwähnten Wunsch zwar nicht vermindert, aber doch etwas relativiert. Da bleibt es als Ausweg entweder sich trotz Wünsche mit einer Frau zu begnügen oder aber reich genug zu sein, um die Kinder mehrerer Frauen zu versorgen (oder fremd zu gehen und sich von Zahlungen aller Art „zu drücken“, was die moderne Form der Polyginie in Europa darstellt). Da haben wir also die obere Schicht. Das sind nur meine naive Überlegungen, ich bin keine Spezialistin auf dem Gebiet, machen aber Sinn (na ja, für mich). Dies führt alerdings zu der bedrückende Schlussfolgerung, dass Männer und Frauen dermassen entgegengesetzten Interessen haben, dass es kein ideales Familienmodel gibt, das den Bedürfnissen beider Geschlechter gerecht wird. Da fühle ich mich in meienr seit Jahren glücklichen Partnerschaft doppelt glücklich (NICHT ironisch gemeint). Und: so habe ich den Trost, dass Glücklich-Sein, zumindest auf persönlicher Ebene möglich ist.
Grüsse: Marina