Eine Art Altarbild: erhaltenswert oder zu marode...?

Bei einer Kellerräumung sollte das angefügte Bild weggeworfen werden. Es dünkte mich schade, denn es sieht reicht alt aus. Aber es ist auch stark beschädigt.
Wie schätzt ihr das Bild ein - erhaltenswert oder zu marode?
Ist es ein Altarbild, oder was könnte der ursprüngliche Zweck gewesen sein? Gibt es Hinweise auf Entstehungszeit und Region?

Hallo ich kann dazu nichts sagen aber ich würde sie erhalten und auf keinen Fall wegwerfen. Man müsste darüber mit einem Fachmann reden.
Viele Grüße noro

1 Like

Wenn du uns keinerlei Hinweis auf die Größe der Bilder gibst, lässt sich dazu natürlich nichts sagen :thinking: Sie sehen jedenfalls nach Altarbildern aus. Und Originale sind es auch sicherlich.

Das rechte Bild gehört in die Ikonographie der sog.";Mater dolorosa": Maria wird dargestellt mit einem Schwert, das ihre Brust durchbort.

Diese Ikonigraphie war seit dem 13.-14. Jhdt weitverbreitet.

Im linken Bild ein Bischof (?), der einen Palmzweig in der linken Hand hält. Das ist normalerweise die Ikonographie eines Martyrers. Nähere Identifizierung schwierig, weil nicht erkennbar, was die Figur in ihrer rechten Hand vor der Brust hält:


Vielleicht kann jemand das identifizieren. Und vielleicht erkennt jemand auch die Kirche im Bild links unten, mit der die Figur sicherlich eine Assoziation hat. Daraus könnte sich dann eine Schlussfolgerung über die Entsheungszeit ergeben.

Eine Restaurierung wäre gewiß extrem aufwendig. Aber um Himmels willen nicht auf den Müll! :flushed:

Gruß
Metapher

4 Like

Servus,

die Entstehungszeit Hochbarock liegt zwischen ca. 1650 und ca. 1720. Die naive Darstellung, u.a. beim linken Bild grobe anatomische Fehler, deutet auf ein strukturschwaches ländliches Gebiet mit wenig Kontakt zu gebildeteren Gegenden und Zentren hin, denkbar wäre z.B. eine katholische Insellage in lutherischer Umgebung, wie sie in der „Inneren Wendei“ in der Oberlausitz vorkommen.

Schöne Grüße

MM

4 Like

Servus,

das ist m.E. ein genauso wie der Rest der Figur eher mäßig gelungner Kelch mit Hostie drüber, zusammen mit dem (Gefängnis-)turm im Hintergrund und der Märtyrerpalme Kennzeichen für die Hl. Barbara.

Mit dieser ließe sich der Entstehungsort zumindest ein klein wenig eingrenzen: Wo Barbara verehrt wird, gibt es üblicherweise irgendeine Art von Bergbau.

Es fällt auf, dass sowohl die Krone der mutmaßlichen Barbara als auch der Kelch und die Hostie und die beiden Heiligenscheine den gleichen grau-schwärzlichen Farbton haben. Da wären Chemiker wie @Udo_Becker oder Mineralogen wie @Zerschmetterling gefragt, was für ein in der barocken Malerei verwendetes Pigment im Lauf von ca. 300 Jahren von einem Gelb- oder Goldton zu diesem Grauschwarz oxidiert sein kann; auch das könnte einen Hinweis auf die Herkunft der Bilder geben - ich habe zu Zeiten in (allerdings größtenteils etwas späterer, Rokoko Mitte des 18. Jahrhunderts) Barockmalerei in Oberschwaben regelrecht gebadet, aber solchermaßen vermutlich durch Oxidation verschobene Farben sind mir dort niemals untergekommen.

Schöne Grüße

MM

4 Like

Wie sieht denn die Rückseite aus ? Gibt es Markierungen, Stempel, etc.?

Liebe Antworter - wow, das ist ja beeindruckend. Das sind über alle Erwartungen viele spannende Details. Vielen herzlichen Dank, dass ihr eure Erfahrung teilt!

@metapher: Das Bild ist 75 x 41 cm gross.
@HeldvomErdbeerfeld: Die beiden Bilder zeigen das gleiche „Brett“, also die beiden Seiten.

Liebe Grüsse - Flipflap

1 Like

achsooo jetzt , sry ich bin heftig auf dem Schlauch gestanden

Servus,

dann ist es eindeutig vom Flügel eines (nicht besonders großen) Hochaltars, der ein- und ausgeklappt jeweils ein anderes Bild zeigt.

Auf der mittleren Tafel war dann ein Jesus am Kreuz dargestellt, und die Schmerzensreiche Muttergottes schaut auf dem ausgeklappten linken Flügel nach schräg oben zu ihrem Buben, den sie zu Tode gefoltert haben. Wenn man den Flügel einklappt, wird der Gekreuzigte durch den Flügel verdeckt und der Altar zeigt Barbara (und auf dem fehlenden rechten Flügel noch jemand anderen).

Schöne Grüße

MM

3 Like

Stimme ich zu. Der

war natürlich ein Fauxpas, der leider allzuschnell nicht mehr korrigierbar war. Die Krone hatte ich übersehen und den Kelch in der rechten Hand erkenne ich jetzt auch. Den „Turm“ hab ich nicht als solchen erkannt. Denn dieses Hauptsymbol der Ikonographie der Barbara (die wahrscheinlich nie existierte: Eine kleinasiatische Erfindung am Ende der Spätantike) hat der Legende entsprechend normalereie entweder nur 1 Fenster oder 3 Fenster.

Es sind tatsächlich ganz offenbar Werke eines Laienmalers. Die Anatomien sind absurd. So z.B. auch die absurde rechte Hand der Maria. Auch die Falten ihres Mantels
b0bc432319991be1404bb5353d3faafb244077f1-3
sind einem absoluten Anfänger zuzuordnen.

Das sonst übliche Blattgold, das ja nicht korrodiert, wäre natürlich - gerade bei einem Auftrag an einen Laienmaler - viel zu kostspielig. Stattdessen wurden mit Bleiweiß angemischte Farben verwendet. Bleiweiß korrodiert dunkelgrau bis schwarz. Alternativen waren gelbe Farben. Da kommt in Frage „Schwefelgelb“ und „Neapelgelb“. Beide basierten in früheren Versionen auf Schwefelverbindungen. Beide waren instabil und korrodierten zu dunklen braungrauen Tönen.

Gruß
Metapher

6 Like

Danke Dir.

Erlaube mir die Frage: Gibt es denn eigentlich Dinge, die Du nicht weißt?

In diesem Sinne

MM

2 Like

Nochmals einen riesigen Dank für die sehr interessanten Infos - ich bin baff! Da tut sich ja ein sehr breites thematisches Feld auf (Ikonografie, Farbpigmente), das das Wissen rund ums Bild nochmals sehr erweitert.
Jedenfalls kann ich nun davon ausgehen, dass das Bild rund 300 Jahre alt ist und von einem lokalen Laienmaler hergestellt worden ist. Es wird sicher nicht weggeworfen.
Einen schönen Sonntag-Abend und eine gute neue Woche wünsche ich euch. Gruss Flipflap

2 Like

Da bin ich überfordert. Die fraglichen Flächen waren zweifelsohne mal golden. Das Holz wurde grundiert mit angerührten klebefähigen Lösungen auf Proteinbasis, Eiweiß, Blutserum o.ä. Goldpartikel konnten darin suspendiert sein, aber zumeist wurde Blattgold aufgetragen. Im vorliegenden Fall scheint das Blattgold quantitativ abgefallen oder abgekratzt zu sein. Der oben erwähnte Firnis mit Eiweiß, wenn er feucht wird, vergammelt langsam. Dabei gibt es sowohl Bakterien als auch Pilze, die farbig, auch dunkel, sind. Der Staub aus der Luft mag auch dazu beigetragen haben.
Schöne Übersicht zu Gold in der Kunst siehe
https://www.artmajeur.com/de/magazine/5-kunstgeschichte/gold-in-kunstwerken/330850
Udo

2 Like

Dazu sagt mir ein kundiger Freund:
ich vermute ein Reliquienbehältnis oder auch eine schlichte Darstellung eines Grals (Herzform), was eine Verbindung von der Herzwunde Jesu zum Marienschmerz konstruieren würde.

Udo Becker

Hi Udo,

Der hat aber mutmaßlich übersehen, daß die Gralsmythologie mit Heiligen-Ikonographien keinerlei Verbindungen hat. Der „Gral“ ist zwar auch der Eucharistie-Kelch, aber nur unter anderem. Und insbesondere gehört nicht eine darüberstehende Hostie (mit Strahlenkranz) in dessen Mythologie, sondern vielmehr das Blut, das vom Kreuz getropft war. . Btw.: In welcher der unzähliugen Gral-Varianten hat er denn „Herzform“?). Außerdem kommt die Barbara (incl. Ikonographie) aus Anatolien. Da gab es keinen Gralsmythos.

@Aprilfisch hat ja bereits in dem Detailfoto von mir deutlich den Kelch mit Hostie erkannt. Und genau der gehört zusammen mit dem Turm zu den obligatorischen Symbolen der Barbara. Beides rekurriert aus der zugehörigen kleinasiatischen Legende. Fakultativ sind die Krone und auch der (Martyrer-)Palmzweig.

Der Nimbus der beiden Heiligen, die Krone der Barbara und der Kelch waren offenbar nicht mit Gold ausgelegt. Gold oxidiert ja nicht und man sieht, daß da nichts abgekratzt oder abgeblättert ist (sonst würde man z.B. die Krone unddie Hostie nicht mehr erkennen). Wo aber Farbe abgeblättert ist, ist überall deutlich zu erkennen.

Die Nachdunklungen des Farbauftrags gerade an diesen Stellen dürfte also doch den verwendeten Pigmenten (wie oben erklärt) geschuldet sein.

Schönen Gruß
Metapher

2 Like