So einfach ist die Frage nicht zu beantworten. Man unterschätzt dabei nämlich den Part, der im Fall des Falles in der Rolle des Pflegenden wäre.
Eine eigene Erfahrung: Meine Eltern haben beide im Alter von etwa 55 Jahren verfügt, dass sie im Falle der Pflegebedürftigkeit in ein Heim möchten und nicht von uns Kindern gepflegt werden wollen. Mit 75 begann die Leidensgeschichte meiner Mutter in Sachen Osteoporose, die ihr 7 Operationen in kurzen Abständen und in deren Folge eine galoppierende Demenz einbrachte.
Zu sehen, wie sie nach jedem Krankenhausaufenthalt verstört und verängstigt (weil kognitiv immer weniger in der Lage zu kompensieren) zurückkam, war für uns „Kinder“ schon schwer zu ertragen. Als es zu Hause nicht mehr ging, weil mein Vater überfordert war, machten wir einen Versuch mit einem (sehr sorgfältig ausgewählten) Heim.
Was dort mit meiner Mutter passierte, war normaler Pflegebetrieb - der meine Mutter als hilfloses, verwirrtes und verängstigtes Wesen zurückließ. Oft dehydriert, weil niemand sich die Zeit nahm, in Ruhe mit ihr zu trinken, aber immer, ohne zu klagen oder zu fordern.
Wir haben das nicht lange ausgehalten und sie nach Hause geholt, wo wir mit einer 24-Stunden-Pflegekraft möglich machen konnten, dass sie dort bleiben konnte. Nach drei Wochen war der verängstigte Ausdruck aus ihrem Gesicht verschwunden, ihre kognitive Leistungsfähigkeit nahm erkennbar zu und sie war einfach glücklich, in ihrer vertrauten Umgebung zu sein.
Für uns - vorzugsweise für mich, da räumlich am nähesten dran - bedeutete das eine Menge zusätzlichen Einsatzes, denn auch eine 24-Stundenkraft arbeitet ja nicht rund um die Uhr. Der Sterbeprozess dauerte 9 Monate und war schwer zu ertragen.
Jeder hätte verstanden und akzeptiert - auch und besonders mein Vater, der ja sehr bewusst wahrnahm, was wir leisteten - wenn wir uns doch wieder für eine stationäre Pflege entschieden hätten.
Ich hätte das nicht fertiggebracht. Nicht, weil ich Erwartungsdruck spürte, sondern weil ich erlebte, wie ruhig und geborgen meine Mutter war und weil ich vorher gesehen hatte, wie anders das sein konnte.
Und obwohl von den Eltern explizit „freigesprochen“ von Pflegeverpflichtungen, hätte ich mir dann doch nichts anderes vorstellen können, als da zu sein - Urlaubsverzicht inklusive, aber doch noch deutlich entfernt von Selbstaufgabe.
Mein Mann und ich haben mit dieser Erfahrung unsere eigenen Vereinbarungen überdacht. Nach wie vor möchte keiner dem anderen eine Last werden. Dennoch haben wir entschieden, dass im Fall des Falles der pflegende Partner auch eine Stimme in die Richtung hat, die Pflege zu leisten.
Es mag gut sein, dass andere Menschen das in anderen Situationen anders entscheiden. Meine persönliche Erfahrung ist, dass es auch eine für mich bereichernde Situation war. Und ich kann mir mittlerweile sehr gut vorstellen, dass ich es auch als bereichernd empfinden könnte, für meinen Partner da zu sein.
Unabhängig davon gefällt mir die Vorstellung umgekehrt weit weniger gut ;). Da würde es sich besser anfühlen, die potentielle Last von ihm zu nehmen. Doch jemanden nicht zu verpflichten, kann wohl auch bedeuten, ihn nicht wegzuschicken, wenn er gerne bleiben möchte.
Jule