Eingestuft = geheim?

Hallo.

Hier liest man u.a.:

Wieder entschuldigt er sich, diesmal dafür, dass er nicht sehr viel sagen könne, da seine Erkenntnisse eingestuft seien.

Mir kräuseln sich da die Fußnägel, zumal die NZZ ja eigentlich kein Käseblatt ist. Hat man hier wieder mal eine schlechte Englisch-Übersetzung einfach hingerotzt?!
Oder ist es inzwischen - oder war es schon immer? - korrektes Deutsch, „eingestuft“ als Synonym für „geheim“ zu verwenden?

Gruß,

Kannitverstan

PS: Deepl macht daraus natürlich „classified“ und in der Rückübersetzung korrekterweise „geheim“.

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Hallo,

Im Abschnitt Kakerlaken beim Einzug in Moskau steht:

Dort hätten sie alle Ausbildungsunterlagen aufbewahren müssen, die als «Verschlusssache» eingestuft gewesen seien.

Es geht offenbar um Zitate der Antworten Gawelleks - der dann wohl eine „verkürzte“ Form des Ausdrucks gebrauchte.

Gruß
Kreszenz

Hallo,

eingestuft und geheim haben leicht unterschiedliche Bedeutungen. Es gibt dort nämlich Abstufungen:

Gruß,
Steve

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Servus,

Nein, weil es verschiedene Einstufungen gibt.

So sind z.B. die 1:50.000er Karten von der Mecklenburgischen Seenplatte, die ich 1992 vom neu geschaffenen Landesvermessungsamt bezogen habe, teilweise als „vertrauliche Dienstsache“ (Ausgabe für die Volkswirtschaft) und teilweise als „geheime Verschlusssache“ (Ausgabe für die NVA) eingestuft. Hübsch ist es, wenn man zwei Blätter mit verschiedenen Einstufungen nebeneinander legt, und was auf dem einen eine Fahrstraße in der Feldmark ist, geht auf dem anderen als Entwässerungsgraben weiter…

Kurzer Sinn: Von „eingestuft“ zu sprechen, ohne die Kategorie exakt zu benennen, hat schon seine eigene Bedeutung und ist gerechtfertigt.

Schöne Grüße

MM

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  • da warst Du schneller, hab ich nicht gesehen.

Ich lass mein Dings trotzdem stehen wegen des Episödchens von den topographischen Karten aus Meck-Pomm.

Schöne Grüße

MM

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Wie „leicht unterschiedliche Bedeutungen“?
Ich verstehe, dass man etwas als mehr oder weniger geheim einstufen kann:

Mit einem Geheimhaltungsgrad werden Verschlusssachen eingestuft.

Der von @Kreszentia zitierte Satz ist auch klar:

Dort hätten sie alle Ausbildungsunterlagen aufbewahren müssen, die als «Verschlusssache» eingestuft gewesen seien

Was mir nicht in den Kopf will, ist die Annahme, dass man beim bloßen Verb „einstufen“ offenbar schon davon ausgeht, dass es um Geheimhaltung geht :confused:

Gruß,

Kannitverstan

Das heißt, wenn ich ein Dokument als „eingestuft“ bezeichne, heißt es automatisch, dass es in irgendeiner Form einer Geheimhaltung unterliegt? Es kann nicht sein, dass es z.B. nach Seitenzahl oder irgendeinem anderen Kriterium eingestuft ist? Nee, oder?

Gruß,

Kannitverstan

Servus,

das ist keine Annahme, es ist ganz schlicht Sprachgebrauch. Und zwar überall dort, wo es diese Art von Einstufungen gibt.

„Etwas ist eingestuft“ ist - nicht nur beim Barras, sondern überall, wo es solchermaßen eingestufte Dinge gibt - vollkommen normale Sprache mit eindeutiger Bedeutung.

Das leuchtet auch unmittelbar ein, weil bereits die präzise Angabe der Klassifizierung gegenüber Dritten mehr über den Gegenstand verriete, als erlaubt ist.

Schöne Grüße

MM

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Nee.

Im übrigen ergibt sich die Bedeutung vorliegend ohne weiteres aus dem Kontext.

Du kannst es Dir etwa so vorstellen wie die unterschiedlichen Bedeutungen des Wortes „Schicht“, das dennoch nicht mit weiteren Angaben zur Unterscheidung versehen wird, sondern schlicht so verwendet wird, wie es halt ist - wenn ein Industriearbeiter von Schicht spricht, weiß man sofort, dass das nicht das ist, was ein Geologe meint, wenn er davon spricht.

Schöne Grüße

MM

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„Was hält der Verlag von meinem Buch?“ - „Sie haben es eingestuft.“ - „Also wird es nicht veröffentlicht?!“ :thinking:

Von mir aus sei es normal, in meinen Sprachgebrauch wird es jedenfalls keinen Einzug finden - es klingt für mich einfach falsch :wink:

Danke & Gruß,

Kannitverstan

Für mich war es normal, ich habe sofort verstanden, was er damit sagen wollte. Liegt wahrscheinlich daran, dass ich 20 Jahre gedient habe und gelegentlich Umgang mit solchen Sachen hatte.
Btw, Frage an die Sprachexperten: ist mein letzter Satz wegen der verschiedenen Zeitformen eigentlich grammatikalisch richtig? Wenn ja, warum?
Vielleicht kann @Nadja einem deutschen Muttersprachler mal helfen?

nochmal:

jetzt vielleicht?

Wenn die Besatzung eines Rettungswagens von der Leitstelle die Anweisung bekommt „Fahren Sie ohne!“ und der Beifahrer darauf fragt „Frage: Ohne was sollen wir fahren - kommen!“, wird mit Recht an seinem Verstand gezweifelt werden.

Schöne Grüße

MM

Ich verstehe, was du meinst, aber es klingt für mich immer noch falsch :wink:
Das mag daran liegen, dass ich nicht beim Barras war oder sonstwie mit „eingestuften“ Dingen zu tun hatte - halt, stimmt nicht ganz:
In der (Automobil)Industrie hat auch jede Firma verschiedene Stufen der Vertraulichkeit von Dokumenten.
Trotzdem ist mir eine Frage wie „Ist die Präsentation eingestuft?“ oder „die Information ist eingestuft, ich kann Ihnen leider nicht mehr dazu sagen“ in über 20 Jahren Kommunikation mit Kunden und Lieferanten noch nicht ein einziges Mal über den Weg gelaufen.

Also nochmal:
In meinem Umfeld werd ich nicht der Erste sein, der das Wort so benutzt. Aber gut zu wissen, dass ich es könnte! :wink:

Gruß,

Kannitverstan

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Mir geht es ähnlich. Während und nach meiner Ausbildung habe ich in der F&E-Abteilung einer Firma gearbeitet, die unter anderem optoelektronische Bauelemente fürs MfS entwickelte. Dort gab es eindeutig verschiedene Einstufungen der Geheimhaltung.

Nicht anders war das später beim Militärdienst auf einem Flughafen.

Der benutzte Wortlaut fand stets eine Verbindung zwischen „ist eingestuft als“ und der Geheimnisstufe. (So ähnlich wie es in der Wikipedia benutzt wird.)

Eine Benutzung der Phrase „das Dokument ist eingestuft.“ (ohne „als“ und Stufenangabe) habe ich vor diesem Artikel hier bei w-w-w noch nie gelesen und sorgt für ein Aufrollen der Fußnägel - ähnlich wie „ich erinnere den Krieg“. Es ist einfach nicht der lange gelernte und benutzte Umgang mit diesen Phrasen.

Aber ich akzeptiere, dass ich nicht der Mittelpunkt der Welt bin und sich die deutsche Sprache bei der Benutzung durch Menschen verändert….

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Servus,

da hätte ich spontan auf eine West-Ost-Geschichte getippt, aber wenn ich die Jahrgänge nicht völlig durcheinanderwerfe, habt ihr - Du und @Bernd54 - doch glaub ich beide bei der NVA gedient? Dann könnte das am Ende gar ein Unterschied zwischen Waffengattungen sein, dass man es bei den LSK mit den Begriffen genauer nahm - oder am Ende gar zwischen Standorten: Du warst nicht etwa in Forst/Lausitz stationiert, der letzten Bastion, von der man wie von Büchel und Spangdahlem auf der anderen Seite glaubte, sie könnte einen Erstschlag mit taktischen Nuklearwaffen überstehen, weil weit genug entfernt?

Schöne Grüße

MM

In der Tat war ich zuerst auf der Uffz-Schule in Bad Düben. Dort hatte ich oft Dienst als „Gehilfe des Offiziers vom Dienst.“ Wo zu den regelmäßigen Aufgaben das Abholen der Fernschreiben(?) aus dem Kommunikationsbunker gehörte. Die waren entsprechend gekennzeichnet. Später wurde ich nach Forst versetzt, dem einzigen Standtort für deutsche MIG 29 (aus meiner Sicht tolle Fluggeräte). Ich hatte in meinem Bereich einen ganzen Stahlschrank voll mit Anweisungen, Anleitung und sonstiger Papierverschwendung, die „eingestuft als“ war.

Und dann waren wir die einzige Armee ohne scharfe Waffen auf der Welt. Und dann kam die D-Mark. Und dann kam meine Entlassung. Und kam das schönste, entspannteste, alles-ist-möglich Jahrzehnt in meinem Leben.

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Ja, dass in Forst vieles (einschließlich Formulierungen von Meldungen etc.) ein bisselchen strikter gehandhabt wurde als anderswo, hab ich von einem gewesenen Kollegen gehört, der beschrieben hat, wie dort bei jeder Alarmstartübung der Gedanke mit dabei war, dass es diesmal auch Ernst sein könnte. Der berichtete auch, was es für ein seltsamer Eindruck war, als er später, nach '89/'90, mitkriegte, dass es genügt hätte, wenn die NVA an einem Freitag um 14 Uhr mit dem Vormarsch begonnen hätte, um ohne bedeutende Gegenwehr in einem Zug zum Rhein durchzukommen - und dabei hatte er in der Zeit in Forst ständig damit gerechnet, dass die NATO irgendwann eine Offensive startete…

Schöne Grüße

MM

Dass ist exakt auch meine Erfahrung, als ich in den letzten paar Monaten einige hochrangige Offiziere vom „Klassenfeind“ kennen lernen durfte.

Du Spion! :sweat_smile:

Hehe, kennen wir uns?
Ich kann deine Erfahrung zu 105% bestätigen.
Ich könnte da Geschichten erzählen, aber das passt nichtmal ins Plauderbrett.