Hallo Torsten,
Wenn das so ist, warum hat man dann die Schuld am Tode Jesu
den Juden unter geschoben. Die Folgen dieser Unterwstellung
sehen wir ja bis heute!
Wer ist denn man?
der Apostel Paulus z.B.: „ihr seid Nachahmer der Versammlungen Gottes geworden, die in Judäa sind in Christo Jesu, weil auch ihr dasselbe von den eigenen Landsleuten erlitten habt, wie auch jene von den Juden, die sowohl den Herrn Jesus als auch die Propheten getötet und uns durch Verfolgung weggetrieben haben, und Gott nicht gefallen und allen Menschen entgegen sind“ (1 Thess. 2, 14-15).
In dieselbe Kerbe haben seit dem 2. Jahrhundert die Kirchenväter gehauen. Angefangen von Justinus und Origenes über Ephräm, Hieronymus, Johannes Chrysostomos (den man besser ‚Schandmaul‘ genannt hätte als ‚Goldmund‘) und Augustinus. Das setzte sich munter durch das Mittelalter fort, fand in der frühen Neuzeit einen ersten Höhepunkt in Luthers Gegeifere gegen die Juden (das ihm die Bewunderung Hitlers eintrug)*. Der religiöse Antijudaismus war Vorläufer und Hauptquelle des politischen Antijudaismus (Antisemitismus), der gegen 1860 entstand - nach mehr anderthalb Jahrtausenden theologisch begründeten und gerechtfertigten Antijudaismus. Noch 1933 schrieb der uns heute gerne als „Lichtgestalt“ verkaufte Dietrich Bonhoeffer: „Niemals ist in der Kirche Christi der Gedanke verloren gegangen, daß das ‚auserwählte Volk‘, das den Erlöser der Welt ans Kreuz schlug, in langer Leidensgeschichte den Fluch seines Leidens tragen muss.“ Und (um die Katholiken nicht zu vergessen) 1942, in seiner Heiligabendansprache vor dem Kardinalskollegium, sagte Papst Pius XII.: „die Klage, über die sich der Diener des Evangeliums nicht zu schämen braucht, erklingt aus jener Trauer, die auf dem Herz des Erlösers lastete und ihn Tränen vergießen ließ beim Anblick Jerusalems, das seiner Einladung und seiner Gnade mit starrer Verblendung und hartnäckiger Verleugnung entgegentrat, die es auf dem Wege der Schuld bis hin zu Gottesmord geführt hat.“ Da war im Vatikan der Holocaust an den Juden bereits bekannt - der wiederum wurde in den ansprachen des Pontifex nicht erwähnt.
Erst seit 1945 begannen die christlichen Kirchen, von ihrem traditionellen Antijudaismus abzurücken.
Freundliche Grüße,
Ralf
*Anmerkung: Mit einiger Berechtigung kann man Luther einen Vordenker des Holocaust nennen. In seiner Schrift von 1543 „Von den Juden und ihren Lügen“ entwirft Luther das komplette Programm: von der organisierten Brandstiftung in der Reichspogromnacht über die Ausplünderung von Juden (‚Arisierung‘ im kleinen wie im großen Maßstab), Beschränkung der Freizügigkeit, Internierung in Arbeitslagern bis hin zum Mord:
„Ich will meinen treuen Rat geben.
Erstlich, daß man ihre Synagogen oder Schulen mit Feuer anstecke und, was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufe und beschütte, daß kein Mensch einen Stein oder Schlacke sehe ewiglich. Und solches soll man tun unserm Herrn und der Christenheit zu Ehren, damit Gott sehe, daß wir Christen seien
[…]
Zum zweiten: daß man ihre Häuser desgleichen zerbreche und zerstöre, denn sie treiben ebendasselbe darin, das sie in ihren Schulen treiben. Dafür mag man sie etwa unter ein Dach oder Stall tun wie die Zigeuner
[…]
Zum dritten: daß man ihnen alle Betbüchlein und Talmudisten nehme, worin solche Abgötterei, Lügen, Fluch und Lästerung gelehrt wird.
Zum vierten: daß man ihren Rabbinen bei Leib und Leben verbiete, hinfort zu lehren
[…]
Zum fünften: daß man den Juden das Geleit und Straße ganz und gar aufhebe […]; sie sollen daheim bleiben.
[…]
Zum sechsten: daß man ihnen den Wucher verbiete und ihnen alle Barschaft und Kleinod an Silber und Gold nehme
[…]
Zum siebenten: daß man den jungen starken Juden und Jüdinnen in die Hand gebe Flegel, Axt, Karst, Spaten, Rocken, Spindel und lasse sie ihr Brot verdienen im Schweiß der Nase.
[…]
Unsern Oberherrn, die Juden unter sich haben, wünsche ich und bitte, daß sie eine scharfe Barmherzigkeit gegen diese elenden Leute üben wollten, obs doch etwas, wiewohl es mißlich ist, helfen wollte, wie die treuen Ärzte tun: wenn das heilige Feuer in die Knochen gekommen ist, fahren sie mit Unbarmherzigkeit zu und schneiden, sägen, brennen Fleisch, Adern, Knochen und Mark ab. Also tue man hier auch. Verbrenne ihre Synagogen, verbiete alles, was ich droben erzählt habe, zwinge sie zur Arbeit und gehe mit ihnen nach aller Unbarmherzigkeit um, wie Moses in der Wüste tat, der dreitausend totschlug, daß nicht der ganze Haufe verderben mußte.“