Einstieg in den autoritären Polizeistaat

… mit deutschen FBI und zentralisiertem Inlandsgeheimdienst außerhalb jeglicher demokratischer
Kontrolle, meint Linken-Innenexpertin Ulla Jelpke zu erkennen.

Das ging wohl nicht eine Nummer kleiner zu formulieren.

Nein, es müssen gleich paranoide Ängste erzeugt werden. Der Wahlkampf wirft seine Schatten. :unamused:

Es geht um einige inoffizielle Vorschläge von Bundesinnenminister Thomas de Maizière, die er in einem Gastbeitrag in der FAZ skizzierte.

Mehr dazu auf FAZ online http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/f-a-z-exklusiv-de-maiziere-fordert-einen-staerkeren-staat-14601999.html

Was Jelpkes historischen Rückgriff anbelangt, stimme ich ihr zu. In der Nachkriegsordnung sollte der Staat BRD auch auf Wunsch der westl. Siegermächte förderal strukturiert werden und dies sollte sich auch auf die Polizeien auswirken. Das war bereits die Ordnung der Dinge in der Weimarer Republik und wurde erst durch einen Führererlass1936 aufgehoben. http://www.documentarchiv.de/ns/1936/chef-deutsche-polizei_erl.html

Natürlich hatten die Nazis de facto bereits vorher Zugriif auf viele Länderpolizeien genommen.

Was schlägt aber nun TdM vor?

  1. Die noch vorhandenen Verfassungsschutzämter der Länder sollen im bereits bestehenden Bundesamt für Verfassungsschutz (Köln) aufgehen. Derzeit sieht es mit einem Bundesamt, sieben Landesämtern und neun Unterabteilungen im jeweiligen Landesinnenministerium der übrigen Bundesländer höchst verworren aus. Diese wurden erst allesamt nach dem Bundesamt gegründet. Entsprechende Reibungsverluste bis Kompetenzwirrwar zeigten sich wohl überdeutlich in den parlamentarische Untersuchungsergebnissen zum NSU-Komplex. IMHO ist der Vorschlag nicht grundgesetzwidrig. Wäre er (unabhängig von der aktuellen pol. Durchsetzbarkeit) funktional praktikabel?

  2. Das BKA soll zukünftig die Abschiebehaft anordnen können. Korrekterweise müsste es wohl „bei Gericht beantragen“ heissen. Irrtum vorbehalten :smirk: . Das macht allein schon deswegen Sinn, weil auch das (meist vorgeschaltete) Asylverfahren Sache des Bundes ist.

  3. Die Möglichkeit der Schleierfahndung soll vom grenznahen Bereich auf das gesamte Bundesgebiet ausgedehnt werden. Das macht ebenfalls Sinn, da es ja wg. Schengen keine Grenzkontrollen mehr geben soll, wenn man von den aktuellen Ausnahmen einmal absieht.

Die restl. Vorschläge drehen sich um auswärtige Abkommen und sind daher nicht Teil meiner Frage.

Was spricht denn vom Prinzip her gegen diese Vorschläge? Die Länderpolizeien bspw. werden nicht „gleichgeschaltet“ wie ehedem. Wäre eine Strukturierung der Verfassungsschutzämter (nicht das Bundesamt) in Nord/Süd/Ost/West sinnvoll? Jeweils mit eigenem parlamentarischem Kontrollgremium, damit niemand sich ausgeschlossen fühlen muss?

Gruß
vdmaster

P.S.: Gerade der Vorwurf, es gebe keine demokratische Kontrolle, ist nun wirklich hanebüchen. Bspw. Bayern http://www.verfassungsschutz.bayern.de/ueberuns/landesamt/aufgaben/kontrolle/index.html

Ergänzung http://www.sueddeutsche.de/politik/innenpolitik-schluss-mit-dem-wirrwarr-beim-verfassungsschutz-1.3319662

Noch eine Ergänzung, die dem Gastbeitrag von TdM einen ganz speziellen Drive gibt

Interessant die Frage, bei der die Antwort schon im Titel steht. Jeder vernünftige Mensch sollte sich fragen, ob Deutschland in 16 Bundesländern einen eigenen Verfassungsschutz benötigt. Wenn man die bekannten Probleme bei der Kompatibilität der EDV Systeme kennt, kann man sich den Kuddelmuddel vorstellen.
Udo Becker

Hallo,

dieser Auftakt Deiner Antwort irritiert mich, wenn ich ihn mit dem Rest abgleiche.

Meinst Du nun, dass die Zusammenfassung der Aufgabe des Verfassungsschutzes im Bundesamt richtig wäre, oder dass dies der „Einstieg in den autoritären Polizeistaat“ wäre? :confused:

Die Aufgabenfelder „Verfassungsschutz“ und „Polizei(en)“ sind übrigens aus historischen Gründen (3.Reich) per GG streng getrennt und würden es auch bleiben.

Naturgemäß sind die Länder nie amused, wenn ihre Kompetenzen auch nur minimal beschnitten werden sollen. Das fängt schon damit an, dass die Gewichtigkeit zuständiger Ministerien etwas schrumpfen würde. Das kommt auch intern (innerhalb der Ministerien eines Landes) einem Bedeutungsverlust gleich. Kommt hinzu, dass die Beamten vom Amtsleiter bis zum Wasserträger evtl. auf mittlere Sicht mit einer Versetzung im Bundesgebiet rechnen müssten. Auch die werden im Mittel eher dagegen statt dafür sein.

Gruß
vdmaster

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Föderalistische Vorbehalte jedenfalls nicht. Außer Bildung und Sicherheit haben die Länder ohnehin keine relevanten eigenen Kompetenzen. Durch den Terrorismus und wegen der Mobilität vieler Straftäter ist eine Bündelung der Aufgaben bei einer Bundesbehörde dringend notwendig.
Wozu soll man sich noch die Mühe machen, länderspezifische Verfassungsbesonderheiten zu schützen, wenn ein Austritt aus dem Bundesstaat ohnehin nicht möglich wäre: http://www.rp-online.de/politik/deutschland/bundesverfassungsgericht-bayern-darf-nicht-aus-deutschland-austreten-aid-1.6498636
Gruß
rakete

http://www.bverfg.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2016/12/rk20161216_2bvr034916.html

In der Bundesrepublik Deutschland als auf der verfassungsgebenden Gewalt des deutschen Volkes beruhendem Nationalstaat sind die Länder nicht „Herren des Grundgesetzes“. Für Sezessionsbestrebungen einzelner Länder ist unter dem Grundgesetz daher kein Raum. Sie verstoßen gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

Das ist allerdings nachvollziehbar, weil das GG auf dem Bund der Länder basiert.

http://www.zjs-online.com/dat/artikel/2016_6_1061.pdf

Das Schweigen des Grundgesetzes zu Sezessionen istnämlich nicht Ausdruck einer versehentlich nicht geregelten Thematik, sondern eine Folge der Festlegung des Grundge-setzes auf einen Staat mit einer unlösbaren Verbindung der Glieder. Schon die Aufzählung der Bundesländer in der Präambel des Grundgesetzes ist dafür ein Indiz. Hier wird der räumliche Geltungsbereich des Grundgesetzes definiert, und dieser kann solange Geltung beanspruchen, wie das Grundge-setz in seiner jetzigen Fassung gilt. (…) Die Verneinung eines einseitigen Austrittrechts der Bundesländer ist aber einhellige Meinung in der Staatsrechtslehre.

Gerade das Bestehen des Bundes mit der Wirkung des GG in der konkret vorliegenden Form, macht den Austritt eines Landes ohne Einwilligung der anderen unmöglich.

Aber es gäbe ja die Möglichkeit, diese Regelungslücke durch Aufhebung der Wirkung des Grundgesetzes (neue Verfassung) zu beseitigen. In einem GG 2.0 könnte dann eine Austrittsregelung getroffen werden.

Allerdings müssten die Länder dieser Änderung schon zustimmen, weil es ansonsten zwangsläufig vor dem BVerfG landen würde. Es betrifft Fälle auch der konkurrierenden Gesetzgebung, die überhaupt nicht zweifelsfrei geklärt ist. Wahrscheinlich würde es in der Realität auf jeden Fall vor das BverfG gehen, weil wenigstens ein Land Klage erheben würde. Es geht aber auch IMHO gar nicht darum, jetzt über das Knie gebrochen etwas neu zu regeln, sondern auf lange Sicht eine Neuregelung zu erreichen.

Gruß
vdmaster

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„Kannst´e so machen - ist aber Kacke.“

Was ist wenn das Bundesamt seine Verantwortung verpennen würde? So wie es anscheinend der sächsische Verfassungsschutz getan hat?

Von daher bin ich dafür, die Verantwortlichkeit der Verfassungsschutzämter sogar noch zu erweitern. Jedes Verfassungsschutzamt sollte bei bestimmten Sicherheitsproblemen den anderen Ämtern rechenschaftspflichtig sein. Selbst wenn keine Anfrage vorliegt. Das anfragende Amt müsste im Umgang mit den Informationen den anderen Ämtern über wiederum ebenfalls erklärungspflichtig sein. UNBEDINGT.

Wer seine Dienstpflichten verletzt, wäre abzustrafen: Ermahnung, Abmahnung, Versetzung, Degradierung, Rausschmiss. All das Zeug halt.

Grüße mki

Leider wird die föderalistische Keule genau dafür wieder vorgeholt. Dabei sind gerade diese beiden Themen mMn geradezu prädestiniert für eine zentrale Koordinierung.
Die Kleinstaaterei hat eben eine lange Tradition in Deutschland…und auf Traditionen legen wir Wert. :sunglasses:

Beatrix

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Zuerst einmal nichts, denn Effizienz und Kompetenz sind keine Frage nach Bundesland, sondern nach persönlichen/fachlichen/ausstattungsbedingten Fähigkeiten und Möglichkeiten. Die Sorge um Machtkonzentration und Missbrauch derselben ist lediglich eine Frage der Kontrolle.

Im Streit zwischen Bund und Ländern wäre ein Kompromiss, dass alle relevanten Daten/Vorgänge auf ein und derselben Arbeits-Plattform gespeichert sind und dort bearbeitet werden (s. Eurodac beispielsweise). Der oft langwierige Austausch von Informationen durch Anfrage/Antwort/Rückfrage/… würde entfallen. „Mehrfachnennungen“ und Querverbindungen könnten einfacher festgestellt werden. Durch geeignete Kennzeichnung von Vorgängen/Personendaten könnte auch eine erste Entscheidungshilfe vorliegen, ob nun vorrangig beispielsweise LKA oder BKA zuständig sind.

Ziel von Veränderungen sollte sein, dass individuelle Bundesländermaßnahmen und -entscheidungen nicht das gemeinsame Ziel und die Regelungen des Staates/der Gesellschaft behindern oder diesem zuwiderlaufen wie hier etwa

Wenn Zuständigkeiten geregelt sind, dann ist die Kontrolle ebenso geregelt. Aktuell haben sowohl staatliche als auch Behörden der Bundesländer Kontrollinstanzen, die auch weiterhin genutzt werden können.

Franz

Eine Sezession will ja auch keiner. Deshalb ist einer Harmonisierung und Konsolidierung im Sinne deines UP zuzustimmen.
Gruß
rakete

Da hatte der SPIEGEL das richtige Näschen, TdM als Sprachrohr unserer Kanzlerin zu beschreiben.