Üblicherweise wird dies übersetzt:Mein Gott,mein Gott; warum hast Du mich verlassen?
Jetzt höre ich, dass es eigentlich heißen müsste „…wozu hast du mich verlassen“
was ist richtig?
Ja, das schreibt Rolf Wischnath in seiner Meditation in der letzten Nummer der UK.
Das Lamah ind Lamah asabthani setzt sich aus zwei Teiln zusammen:
„Mah“ bedeutet „was“, das la ist ein Präfix, das immer eine Richtung oder einen Zweck angibt: In Richtung auf was, zu welchem Zweck…
Und für Hebräischkenner: Eigentlich ist die Grundform „le“, der Vokal richtet sich immer nach dem nachfolgenden Vokal; da der „mah“ ist, also „la“.
Ja, Rolf Wischnath hat Recht.
Ich vergaß (weil ich gleich gleich zum Lexikon geeilt bin)
Hallo Rhetorius
…
Gruß - Rolf
Hallo,
nun ja. Streng genommen schon. Ich kenne den Artikel von Rolf Wischnath nicht, und ich weiß zu wenig über den genauen Sprachgebrauch im biblischen Hebräisch (bzw. Aramäisch, aber es ist ja ein Zitat aus Ps 22). Aber im modernen Hebräisch wird Lamah genauso benutzt wie unser „warum“, meine ich.
Dass Lamah von der Zusammensetzung „zu was“ -> „wozu“ kommt, ist klar, aber ob und wann man es angemessen mit „wozu“ oder mit „warum“ übersetzt, halte ich erstmal für eine spannende Auslegungsfrage. Ob sie eindeutig zu beantworten ist, weiß ich nicht.
Zur Veranschaulichung:
Im Deutschbrett gab es gerade eine Frage mit der Wendung „anhand von“. Natürlich kommt das vom Wort „Hand“ her, trotzdem ist der Bezug zum Körperteil Hand so sehr zurückgetreten, dass ich bei einer Übersetzung in eine andere Sprache nicht darauf bestehen würde, dass eine Konstruktion gefunden werden muss, in der „Hand“ enthalten sein muss, um den Ausdruck treffend wiederzugeben.
Viele Grüße,
Jule
Hallo Jule,
natürlich ist es eine Frage der Auslegung, ob man „warum“ übersetzt, wie es nicht nur Luther, sondern auch Buber/ROsenzweig tun.
Es geht hier aber auch um die Bedeutung des Todes Jesu für die Menschen, und da macht es einen Unterschied, ob Jesus fragt, warum oder zu welchem Zweck Gott ihn verlassen habe.
Natürlich bedarf jede Auslegung eines Mindestmaßes an Plausibilität, und die finale Bedeutung dieses „lamah“ leuchtet mir sehr ein.
Die Frage ist dann aber doch, ob Gott ihn wirklich verlassen hat oder ob Jesus sich nicht - wie Eberhard Jüngel das irgendwo ausdrückt - so an Gott geklammert hat, dass Gott nicht mehr von ihm loskam.
Der Artikel von Wischnath ist in der Online-Ausgabe der UK noch nicht verfügbar, sonst hätte schon einen Link hier hereingesetzt.
Gruß - Rolf
Hallo Rhhetorius,
die Grammatik des Satzes ist auch 1:1 im Arabischen so möglich, nur dass eine andere Vokabek benutzt worden wäre: „lema fâraqtanî“ o.ä.
Das Wort „lema“ gibt es auch im Arabischen und bedeutet wörtlich „für was“. Dennoch benutzt man es auch einfach im Sinne von „warum“.
Schöne Grüße,
Mohamed.
‚Warum‘-Frage
Hallo,
die Etymologie von hebr. lamah bzw. ləmah hat Rolf ja schon erklärt. Dennoch gibt es keinen Anlaß, hier etwas anderes als „warum“ zu übersetzen. Denn die Etymologie sagt selten etwas über den Sprachgebrauch aus. Und so ist es auch hier:
Sowohl hebr. „lamah“ als auch dt. „warum“ fragen nach einem Grund, aber es gibt (wie wir spätestens seit Artistoteles wissen eine causa efficiens, die die Vergangenheit befragt (Grund, Ursache, Anlaß, Herkunft), und eine causa finalis, die die Zukunft befragt (Grund, Ziel, Zweck, Absicht). Das deutsche „warum“ ist in dieser Hinsicht indifferent, ebenso ist es mit dem hebr. „lamah“. Das „wozu“ ist jedoch nicht indifferent. Es ist zielgerichtet.
In den Psalmen (wie gesagt ist der Ausruf ein Zitat von Ps 22.1) gibt es kein einziges Beispiel, wo lamah nach einem Ziel/Zweck fragt. Im Gegenteil, z.B.
Ps. 42.9 „Warum hast du mich vergessen?“
In Ps. 22.1 und entsprechend Mk. 15.34 und Mt. 27.46 ein finales „warum“ zu begründen, würde eine sinnleere messianische Spekulation bedeuten, die aus dem situativen Szenarium nicht zu rechtfertigen ist und die der Text eben auch nur gewaltsam hergäbe.
Der Psalmvers 22.1 lautet auf Hebräisch
אֵלִי אֵלִי לָמָה עֲזַבְתָּנִי ('Eli 'Eli lamah 'azabthani/'asaftani.
Aber das Zitat in Mk 15.34 (analog Mt. 27.46) lautet in fast allen Handschriften:
ελωι ελωι λεμα σαβαχθανι (elōi elōi lema sabachthani)
Das ist dem syrisch-aramäischen
'Alahi 'Alahi ləma shebaqthani
„nachempfunden“, welches ja, wie man voraussetzen kann, die Muttersprache Jesu ist und die in jener Zeit auch in Jerusalem neben Griechisch gesprochen wurde.
Gruß
Metapher
Hallo Rolf,
Der Artikel von Wischnath ist in der Online-Ausgabe der UK
noch nicht verfügbar, sonst hätte schon einen Link hier
hereingesetzt.
schade, ich hätte mir den gern angeschaut. Mir ist diese Deutung des „Lamah“ schonmal begegnet, hat mich aber eher als Spielart überzeugt, denn als richtige Übersetzung.
Es geht hier aber auch um die Bedeutung des Todes Jesu für die
Menschen, und da macht es einen Unterschied, ob Jesus fragt,
warum oder zu welchem Zweck Gott ihn verlassen habe.
Ja - aber wir sind uns doch einig, dass Jesus (bzw. die Evangelisten) Psalm 22 zitiert? In Ps 22 sehe ich eigentlich keinen Anlass, „wozu“ zu übersetzen.
Allerdings habe ich eben im NT Graece und in der LXX nachgesehen - und dort steht jeweils „inati“ (ich weiß nicht, wie ich das griechisch hier hineinbekomme), was auch für meine Ohren nach finaler Bedeutung klingt. Vom Griechischen habe ich aber zu wenig Ahnung, um das einschätzen zu können.
Die Frage ist dann aber doch, ob Gott ihn wirklich verlassen
hat oder ob Jesus sich nicht - wie Eberhard Jüngel das
irgendwo ausdrückt - so an Gott geklammert hat, dass Gott
nicht mehr von ihm loskam.
Das wirft dann aber die Frage auf, wie Jesu Gottessohnschaft zu sehen ist. Wollte Gott von ihm loskommen? War die Kreuzigung eine Art Betriebsunfall wegen mangelnder Sorgfalt Gottes? War sie fast ein Scheitern Jesu, das nur mit dem Kunstgriff der Auferstehung in letzter Minute noch eine Wende erfuhr?
Das Johannesevangelium, das ja folgerichtig auch nicht Ps 22 zitiert, sieht ja nun gerade in der Kreuzigung die Vollendung des Auftrags Jesu.
Viele Grüße zum Einstieg in die Karwoche,
Jule
Hallo Metapher,
ich habe unten schon geschrieben, dass sowohl Ps 22 in der LXX als auch Mt, der ja eine Übersetzung des Psalmzitats angibt, „lamah“ mit „(h)inati“ (sieht fürchterlich aus so, ich weiß!) wiedergeben.
Wie sieht es denn da aus mit der finalen Bedeutung? Von der Wortherkunft her ist sie ja auch da, sogar noch stärker als bei „lamah“, wie ich finde.
Viele Grüße,
Jule
Schalom Rolf,
hier noch einmal meinen LINK aus dem Gesamtbeitrag:
DER PROZESS Jeschuas aus jüdischer Sicht
bez. > Lama Sabachtani
Hallo,
Üblicherweise wird dies übersetzt:Mein Gott,mein Gott; warum
hast Du mich verlassen?
Jetzt höre ich, dass es eigentlich heißen müsste „…wozu
hast du mich verlassen“
was ist richtig?
es ist in der „Sache“ völlig unwichtig, was die „Schriftgelehrten“
hier auslegen oder interpretieren oder „exakt“ übersetzen.
Hier liegt kein Protokoll eines Geschehens vor, sondern eine
Erzählung vom „Hören Sagen“.
Warum sollte Jesus im Todeskampf Psalmen exakt zitieren - das war
nicht „sein Stil“.
Hier hat Jesus möglicherweise ein paar letzte Worte gesagt.
Was er gesagt hat wurde einem Psalm von den „Berichterstattern“
angepasst.
Daß man nicht genau verstanden hat, was er sagte geht ja auch aus
Matt.27.47 (Mark.15.35)hervor.
Lukas, welcher nach eigener Bekundung das Geschehen genau
recherchierte(Luk.1.1-5)berichtet andere Worte von Jesus(Luk.23.46).
Das würde eher zu ihm passen - wenn…es nicht auch eine
Hinein-Interpretation von Ps.31,6 ist über dessen richtige
Übersetzung man sich auch wieder auslassen kann - für die Katz.
Johannes „weiß“ garnichts von letzten Worten Jesu - aber das ist
ein anders Thema.
Gruß VIKTOR
Hallo Jule,
ich habe unten schon geschrieben, dass sowohl Ps 22 in der LXX als auch Mt, der ja eine Übersetzung des Psalmzitats angibt, „lamah“ mit „(h)inati“ (sieht fürchterlich aus so, ich weiß!) wiedergeben.
ja, die LXX hat ἵνα τί [*], und so gibt es auch Mt. 24.46 wieder. Aber Mk. 15.34 hat „εἰς τί“. Die Vulgata hat bei Ps.22.1 „qua re“, bei Mt 24,46 und Mk 15.34 jeweils „ut quid“.
Für die lat. Ausdrücke wird Hannes vielleicht Genaueres wissen, aber bezgl. ἵνα τί und εἰς τί hast du zweifellos Recht: sie sind deutlicher final. Sie fragen nach dem Ziel-Motiv.
„Warum“ als Frage nach dem Woher-Motiv hat eher einfaches τί. Z.B. Joh.7.19
τί με ζητεῖτε ἀποκτεῖναι;
Warum sucht ihr mich zu töten?
Das alles ändert aber nichts daran, daß das hebr. למה zumindest in den Psalmen nirgendwo final gemeint ist: Ps. 42.9, 43.2, 74.1, 88.14
[*] Suchst du im Win-Verzeichnis nach charmap.exe oder unter Zubehör > Systemprogramme > Zeichentabelle. Darin sind zumindest die wichtigsten Zeichen für griech. enthalten.
Schönen Gruß
Metapher
Hallo,
danke!
Das alles ändert aber nichts daran, daß das hebr. למה
zumindest in den Psalmen nirgendwo final gemeint ist: Ps.
42.9, 43.2, 74.1, 88.14
Ja, das denke ich ja auch. Insofern ändert sich durch die Übertragung ins Griechische etwas, auch wenn es nur eine Nuance sein mag.
[*] Suchst du im Win-Verzeichnis nach charmap.exe oder unter
Zubehör > Systemprogramme > Zeichentabelle. Darin sind
zumindest die wichtigsten Zeichen für griech. enthalten.
(Win? Welches Win? Sowas kommt mir hier nicht auf den Rechner. Ich habe griechische Zeichensätze, auf die ich im Schreibprogramm auch zugreifen kann, aber ich habe keinen Schimmer, wie das beim Schreiben im Browser geht. Aus dem Textprogramm ausschneiden und hier einfügen funktioniert auch nicht.)
Viele Grüße,
Jule
Liebe Jule,
hier ist der Text von Rolf Wischnath, den er in den Online-Predigten veröffentlicht hat; er ist identisch mit dem Text in Unsere Kirche:
http://predigten.evangelisch.de/predigt/der-zweifach…
Und nun zum Text:
in der Septuaginta und in den neutestamentlichen Stellen wird das „lamah“ in der Rar mit einem finalen Konjunktion übersetzt:
Psalm 21 LXX:
Ο θεoς O θεoς μου, πρoσχες μοι· iνα τi eγκατeλιπeς με
Und Markus 15, 34:
o θεóς μου o θεóς μου, εiς τi eγκατeλιπéς με;
Und Matthäus 27, 46:
θεe μου θεe μου, iνατi με eγκατeλιπες;
Und diese beiden: „εiς“ und „iνατi“ sind unbestrittene Lesarten, keine andere Handschrift bietet eine andere.
Das „iνα“ bedeutet „damit, auf dass“, und das „εiς“ aus Markus hat ebenfalls einen hinweisenden oder hinführenden Sinn: „hin zu, auf zu“
So heißt es in Matthäus 28, 19: βαπτiζοντες αuτοuς εiς τo oνομα τοu πατρoς καi τοu υiοu καi τοu aγiου πνεuματος
Und das heißt eindeutig, dass man „auf den Namen des Vaters…“ taufen soll und nicht „im Namen…“
Insofern also scheint mir die Deutung von Wischnath durchaus gerechtfertigt; zudem isr es eine Meditation über einen Predigttext (respective einen Text, über den üblicherweise nicht gepredigt wird, wie Wischnath anmerkt). Nun hat sich die – mindestens die evangelische – Predigt der Exegese zu fügen; die verantwortliche Exegese mag also hier – mit Metapher – sagen: Man weiß es nicht. Das bedeutet aber nicht, dass die Predigt, die ja keine wissenschaftliche Rede ist, sondern Glauben wecken und stärken will, dieses „man weiß es nicht“ übergeht und die andere Deutung, die finale, vorzieht und daraus schöpft. Das ist nicht illegitim.
Gruß - Rolf
Lieber Rolf,
danke für den Link!
Ich finde seine Deutung ja theologisch durchaus sinnig, zumal er sich neben dem iνατi auch auf den Stimmungsumschwung im Psalm stützt. Ich würde nur an seinem „Genauer muss es heißen“ etwas herumkritteln, eben wegen der Aufrichtigkeit gegenüber der Exegese - und gerade weil er sich darauf beruft, dass Jesus mit dem Schrei in den Psalm einstimmt, der nunmal ursprünglich hebräisch ist.
Aber gut, ich gebe zu, dass ich da etwas korinthenkackerisch bin!
Viele Grüße,
Jule
Hallo,
es ist in der „Sache“ völlig unwichtig, …
Mir ist unklar was du mit „Sache“ hier meinst.
Die Frage wurde nach der korrekten Übersetzung gestellt und die „Sache“ hat mit der Frage, ob die Worte authentisch sind erst mal nichts zu tun.
Der Aspekt, um den du dich kümmerst, ist in der „Sache“ auch kaum unwichtig, denn immerhin ist das was in den Evangelien steht im Grunde alles was vom Leben Jesu überliefert wurde. Du spekulierst dann ja auch was, wie, ob und vielleicht doch. Über diese angebliche Unwichtigkeit hast du dir selbst anscheinend ausgiebig Gedanken gemacht.
Gruß
Werner
Hallo Werner
es ist in der „Sache“ völlig unwichtig, …
Mir ist unklar was du mit „Sache“ hier meinst.
Die Frage wurde nach der korrekten Übersetzung gestellt und
die „Sache“ hat mit der Frage, ob die Worte authentisch sind
erst mal nichts zu tun.
doch, nur damit.
Wenn hier keine unterschiedliche Sicht „herausgelesen“ worden wäre
welche sich aus „wozu“ statt „warum“ ergeben könnte , wäre eine
genaue Übersetzung hier nicht hinterfragt worden.
Der Aspekt, um den du dich kümmerst, ist in der „Sache“ auch
kaum unwichtig, denn immerhin ist das was in den Evangelien
steht im Grunde alles was vom Leben Jesu überliefert wurde.
Ja, aber ob gerade solche „Worte“ authentisch sind kann hier mit
viel größerer Berechtigung hinterfragt werden - ich habe es
begründet.Du kannst ja die Begründung hinterfragen, wenn Du hier
gegen halten willst.
Du spekulierst dann ja auch was, wie, ob und vielleicht doch.
Über diese angebliche Unwichtigkeit hast du dir selbst
anscheinend ausgiebig Gedanken gemacht.
Eigentlich habe ich mich hier mehr deshalb darauf eingelassen, weil
es völliger Unsinn ist, sich an einzelnen Worten (von denen man
nicht weiß ob sie so oder überhaupt gesprochen wurden)festzubeißen
um daraus „weitreichende Rückschlüsse“ zu ziehen, statt die
ganze Situation zu betrachten.Das habe ich getan, unter
Berücksichtigung der drei „Berichte“ des Geschehens.
Wenn also der Zweifel an den Worten - so oder so - besteht, ist
die genaue Übersetzung in Bezug auf die „Sache“ von vornherein
unwichtig - Streit um des „Kaisers Bart“.
Gruß VIKTOR
PS.
Wie der Disput hier zeigte, ist noch nicht mal die Deutung der
Übersetzung, wenn man sie denn überhaupt fixieren könnte, klar.