Lieber Stefan,
ich stimme Deinen Argumenten komplett zu,
aber eben wegen schleichender Erziehungsunfähigkeit in der Gesellschaft.
Zugleich glaube ich kaum, dass ein Elternführerschein hilft:
Denn:
Normalerweise wiederholen wir unbewusst mit unseren Kindern, was wir von unseren Eltern erfahren haben (da bin ich meinen dankbar für das, was ich in jungen Jahren nicht sehen wollte.).
HIER LIEGT DAS HAUPTPROBLEM:
Wenn immer mehr Menschen
nicht mehr Eltern werden können
(erschreckender Weise werden diese bedauernswerten Menschen mehr)
oder wollen,
können sie diese Kette nicht mehr fortsetzen.
Diese Erziehungskette und das gegenseitige Lernen
aufbegehrender Jugend und erfahrener Alten
gehört für mich zum
natürlichen Genberationenvertrag unserer Art.
Wenn jetzt gerade bildungsnahe Eltern immer weniger Kinder bekommen,
und wenn zugleich die , die sich um nichts kümmern (müssen),
und deren einzig erreichbare berufliche Perspektive
„lebenslang Hartz IV“ heißt(wozu dann sich anstrengen?)
anteilmäßig mehr Kinder bekommen,
kommt ein riesiges Problem
auf unsere Gesellschaft zu:
Wer führt sie weiter?
Da hilft kein Elternführerschein.
Wir brauchen insgesammt einen Ausgleich für zunehmende Unfähigkeit, Kinder zu erziehen und zu fördern (das eigentliche Problem der Rütli-Schule (neben berufliche chancenlosigkeit in diesem Bildungsgang.
Ich bin genau deshalb dafür, in Pflicht-Krippen und -Kindergärten zu investieren, um dieses Problem auszugleichen.
Ich halte das zugleich nicht für die optimale Lösung:
Im Osten erkenne ich seit 15 Jahren aber ein künftig dadurch entstehendes Dilemma an meinen Schülern, dass aus anderen Gründen auch ein Phänomen im Westen werden wird:
Eltern, denen wie in der DDR über mehrere Generationen ein großer Teil der Erziehungsleistung abgenommen wurden, haben tendentiell stärker diese inzwischen verlernt.
Dieses Dilemma lässt sich nicht mit einem Elterkursus und abschließendem Führerschein beheben - noch einmal:
Wir wiederholen zu einem großen Teil und unbewusst immer unsere eigenen Eltern, auch wenn wir uns dagegen wehren.
Die von Marx beschriebene Entfremdung des Menschen wird an diesen Beispielen deutlich: Wir Menschen verhalten uns als Spezies zunehmend artfremd und unnatürlich.
Herzlichst
Ole
Nachtrag: Ich sage nicht, dass wer arm ist zugleich dumm ist, aber es geht um Tendenzen in der gesamten Gesellschaft:
In der Tat ist es nur dann eine Geldfrage, wie Kinder erzogen werden, wenn Eltern wegen Verlust ihrer wirklichen Aufgabe (hieß früher Beruf und ist nicht das selbe wie Job) und Angst vor (oder erfolgter) Verarmung sich nicht mehr um ihre Kinder, sondern nur noch um sich selbst kümmern können (psychische Beschädigung).
Es gab früher auch viele „Arbeiter“-Familien (als Klasse, damals noch mit Stolz), die hervorragende Kinder großgezogen haben.
Heute ist die Schere viel weiter aufgegangen. Auch Bildungsbürger wie wir geraten zunehmend in Arbeitslosigkeit oder erleben zumindest Deprofessionalisierung.
Die sozialen Klassen sind heute aber anders definiert.
Neben psychischen Belastungen entsteht eine immer größere Masse bildungsferner Menschen, deren Werte wie bei früheren Unterschichten immer stärker Konsum (Selbstbelohnung), als Bildung ist.