Energietransport Nord-Süd

Hallo Experten,

ich habe einmal in einer Sendung den Vorschlag gehört, dass man nach dem KKW-Ausstieg die erneuerbaren Energien durch die vielen vorhandenen Pipelines vom Norden in den Süden nutzen könnte (statt neu zu bauender Hochspannungsleitungen). Dass man also Strom vor Ort (Windenergie aus Nord-/Ostsee) in Wasserstoff umwandelt und diesen dann durch die Pipelines nach Süden schickt. Als Wasserstoff ließe sich die Energie auch „leicht“ speichern.

Was ist da dran? Ist das praktikabel?

Danke schon mal.
Martin

Moin auch,

das läuft für mich unter der Kategorie unpraktikabel bis nicht machbar. Bei der Umwandlung gibt es jede Menge Verluste, bei weitem nicht jede Pipeline kann für den Transport von Wasserstoff genutzt werden, gibt es diese vielen Pipelines überhaupt…

Ralph

Was ist da dran? Ist das praktikabel?

Hallo,

für die doch kurze Entfernung lohnt sich die 2malige Umwandlung nicht, sowas kommt eher für Import aus Nordafrika in Frage. Aber überhaupt ist das wohl weniger ein technisches Problem: z.B. EnBW wird sehr viel lieber die baden-württembergische Industrie mit Atomstrom aus Neckarwestheim beliefern als mit Windenergie aus der Nordsee, daher ist wohl eine überwiegend destruktive „Mitarbeit“ bei solchen Vorhaben zu erwarten. Ganz allgemein: keiner der Energie-Konzerne will wirklich die Nord-Süd-Leitungen.

Gruss Reinhard

Servus, Langhaxada,

sinnvoller sind da meiner Meinung nach Pumpspeicherkraftwerke, in denen der Stromüberschuß gespeichert wird.
Warum den Strom erst in irgendwas umwandeln, wenn ich damit nur Wasser hochpumpen und ihn danach durch ein Wasserkraftwerk wiedergewinnen kann?

LG Manu

Hallo,

zum Beispiel Power to Gas: http://www.ftd.de/wissen/technik/:erneuerbare-energi…

Cheers, Felix

Windgas?
Hallo,

meinst du evtl. die Idee des Windgases?
Dabei wird überschüssiger Strom verwendet um per Elektrolyse Wasserstoff zu gewinnen und entweder zwischenzuspeichern, oder ins Erdgasnetz zu leiten. Halte ich persönlich schonmal für nicht praktikabel, weil Wasserstoff zu maximal 5 Vol.-% im Gasnetz vorhanden sein darf und zu hohe Beimischungen Zünd- und Brennverhalten von Geräten am gleichen Gasnetz beeinträchtigen.
Daher die Idee, den Wasserstoff durch Zugabe von CO2 zu Methan zu wandeln und so einzuspeisen.
Insgesamt halte ich das eher für eine Randtechnologie und würde Alternativen lieber sehen, als eine Technologie die auf dem Papier schön aussieht, aber mehr auch nicht (nur sinnvoll bei "Abfall"CO2 und aufnahmefähigem Gasnetz in der Nähe, mäßige Wirkungsgrade usw.). Aber man darf gespannt sein, wie sich das entwickelt.

Grüße

Der Völler

Moin,

Was ist da dran? Ist das praktikabel?

googel mal nach ‚Adam und Eva‘ KFA Jülich

Dort wurde in den 70ern im Zusammenhang mit dem Hochtemperatur-Thorium-Reaktor ein ähnliches Konzept erarbeitet.
Als der THTR aufgegeben wurde, ging auch das Projekt den Gang allen irdischen. Ob es praktikabel war, ist mir nicht mehr geläufig.

Gandalf

Wirkungsgrad
eines effektiven PSW ist bei 70 % (Goldisthal).
Im Norden sind wohl kaum 300 Meter hohe Berge, um des Oberbecken anzulegen.
Also braucht man was Anderes mit hohem Wirkungsgrad und nicht zu hohem Investbedarf.

Hallo,

Wirkungsgrad eines effektiven PSW ist bei 70 % (Goldisthal).

Der Wirkungsgrad eines modernen Pumpspeicherwerks liegt bei 80-85%, so auch in Goldisthal.

Ein Pumpspeicherkraftwerk mit einem Wirkungsgrad von 70% ist am unteren Ende der Skala und ist höchstens ein Signal dafür, dass dieses mal auf den neusten Stand gebracht werden sollte.

vg,
d.

Hallo,

Was ist da dran? Ist das praktikabel?

Man kann das schon machen, aber es ist nicht praktikabel. Bei der Umwanldung von Strom in Wasserstoff und wieder zurück geht gut die Hälfte der Energie verloren. Außerdem ist Wasserstoff ein extrem flüchtiges Gas, d.h. auch beim Transport und der Lagerung geht etwas verloren. Und da Wasserstoff ein Gas mit einer sehr niedrigen Energiedichte ist, hättest du keine Chance, das Gas mit bestehenden Pipelines zu transportieren. Du müsstest riesige Pipelines bauen, nur entzieht sich dann komplett der Sinn, wozu das gut sein soll.

Bei der Übertragung z.B. mit Hochspannungsgleichstrom kommt dagegen fast der gesamte Strom bis auf minimale Verluste auch beim Empfänger an.

Wenn du also Strom von Norddeutschland nach Süddeutschland transportieren willst, ist die Übertragung als Wasserstoff in Pipelines eine denkbar schlechte Idee.

vg,
d.

Als Wasserstoff ließe sich die Energie auch „leicht“ speichern.

Wasserstoff hat die unangenehme Eigenschaft, durch viele Materialen zu diffundieren. D. h.

  • er ist relativ schnell weg
  • es ist gefährlicher als z. B. Methan.
    Da ist es besser, den Strom in Methan umzuwandeln und ins normale Gasnetz einzuspeisen. Dies hat den Vorteil, dass die Infrastruktur schon da ist.

Bei Biomasse wird das schon diskutiert, das Biogas soll ins Netz, statt sofort verwertet zu werden.

eines effektiven PSW ist bei 70 % (Goldisthal).

Erscheint mir zu wenig. Ich habe von über 80% gelesen, pauschal, nicht auf ein bestimmtes PSW bezogen.

Im Norden sind wohl kaum 300 Meter hohe Berge, um des
Oberbecken anzulegen.

Wir benötigen Höhendifferenz, nicht Höhe.

Was spricht dagegen, Pumpspeicher in Bergwerken anzulegen?

(OK, die sind in Norddeutschland auch seltener verfügbar. Salzstöcke wären ja ne eher schlechte Idee…)

Hallo,

Was spricht dagegen, Pumpspeicher in Bergwerken anzulegen?

Genau das probiert man im Ruhrgebiet in ausgedienten Kohlezechen zu machen:
http://www.zeit.de/2010/48/Pumpspeicherkraftwerk

vg,
d.

Hallo,

ist das der Gesamtwirkungsgrad, also von Hochpumpen UND Ablassen? Das ist ja wirklich enorm gut. Hätte ich nie gedacht!

Danke
Martin

Danke für die interessanten Antworten!

Möglicherweise habe ich bei der angesprochenen Sendung nur mit einem Ohr zugehört und sie haben auch dort von der Umwandlung in Methan gesprochen. Wenn allerdings die Elektrolyse schon einen „schlechten“ Wirkungsgrad hat, dann wird sie durch den Zusatzschritt der Umwandlung in Methan noch schlechter.

Ziel dieser Geschichte mit „die vorhandene Infrastruktur nutzen“ ist, dass sich bereits jetzt Widerstand formiert gegen die drohenden Hochspannungstrassen. Wenn o.g. Pipelines schon vorhanden sind, dann könnte man sie quasi sofort nutzen und müsste nicht erst Prozesse mit Bürgern und Naturschutzverbänden ausfechten.

Martin

Hallo,

ist das der Gesamtwirkungsgrad, also von Hochpumpen UND
Ablassen? Das ist ja wirklich enorm gut. Hätte ich nie
gedacht!

Jepp. Moderne Francis-Turbinen wie z.B. im Pumpspeicher Goldisthal haben einen Wirkungsgrad etwas über 90% bis zu knapp 95%. Damit kommt man dann für beide Vorgänge zusammen auf einen Gesamtwirkungsgrad von etwa 85%. Im optimalen Lastbereich können sogar 90% erreicht werden. Von den derzeit großtechnisch umsetzbaren Speichern sind Pumpspeicher daher die effizientesten. Selbst wenn man einen optimalen Wirkungsgrad von knapp 100% erreichen könnte, würde dies das ganze kaum noch verbessern.

vg,
d.

Hallo,

Ziel dieser Geschichte mit „die vorhandene Infrastruktur
nutzen“ ist, dass sich bereits jetzt Widerstand formiert gegen
die drohenden Hochspannungstrassen. Wenn o.g. Pipelines schon
vorhanden sind, dann könnte man sie quasi sofort nutzen und
müsste nicht erst Prozesse mit Bürgern und
Naturschutzverbänden ausfechten.

Diese Sache ist aber nicht wirklich plausibel. Mit Wasserstoff geht das schon mal gar nicht, weil die Pipelines ja bereits Erdgas transportieren und du deshalb auch Erdgas (also Methan) einspeisen musst. Du musst also Methan synthetisieren und das hat einen extrem schlechten Wirkungsgrad.

Erst musst du Wasserstoff aus Elektrolyse gewinnen, was grob einen Wirkungsgrad von 70% hat. Dann musst du mit dem Sabatier-Prozess daraus Methan herstellen, was nur einen Wirkungsgrad von 50% hat. Dann musst du das Methan ja wieder in einem Gaskraftwerk verstromen, was in einem KWK Kraftwerk etwa mit einem Wirkungsgrad von 80% geht. Am Ende gehst du dann so mit einem Gesamtwirkungsgrad von 30% heraus, d.h. du brauchst 3x so viele Windräder im Norden(!). Selbst wenn wir ganz optimistisch von drastischen verbesserten Wirkungsgraden ausgehen, dann geht zumindest die Hälfte der Idee flöten. Wären auch immer noch doppelt soviele Windräder.

Was glaubst du, was das wohl für Bürgerproteste auslösen würde? Ganz zu schweigen davon, dass dementsprechend auch der Windstrom 2-3x so teuer würde. Da Windstrom so 10 Ct/kWh inkl MWSt in der Herstellung kostet, würde das die Kosten für Windstrom um bis zu 20 Cent pro kWh teurer machen. Das wird das ganze wohl kaum zu einem Erfolgsmodell machen…

Die Bürgerproteste gegen die Stromtrassen sind auch bei weitem überzeichnet. Die Proteste richtigen sich ja nur punktuell gegen bestimmte Abschnitte, die zu dicht an Siedlungen verlaufen. Erstens könnte man die Trassen meistens auch anders planen, so dass man viele der Proteste von vornherein vermeiden könnte und zweitens könnte man in Fällen, wo es nicht anders geht, die Leitung einfach abschnittsweise unter die Erde legen. Das ist zwar teurer als eine Freileitung, aber im Vergleich zu der Methan-Idee immer noch ein Spottpreis. Ganz zu schweigen dass du die Leitung ja nur einmal bezahlen musst beim Bau, den 3x so teuren Windstrom bei dem Methan-Zeugs dagegen ständig.

Wenn Strom gleich verbraucht wird, dann ist es daher viel sinnvoller, ihn auch als Strom zu transportieren. Das Methan-Zeugs macht ja nur als Energiespeicher für momentan überflüssigen Strom Sinn, z.B. um im Winter zuviel erzeugten Windstrom für den Sommer zu speichern. Aber auch dann würdest du nicht um Stromtrassen umherkommen, weil du den Methan-Strom ja genau dann nur verwenden würdest, wenn gerade nicht ausreichend Strom aus Wind erzeugt werden, d.h. die Stromleitungen ohnehin nicht ausgelastet sind. Wird genug Windstrom erzeugt, brauchst du deshalb so oder so die nötigen Stromtrassen um ihn zu den Verbrauchern zu bringen - Methan hin oder her.

vg,
d.