Entscheidungen gegen die Interessen einer geistig Behinderten

Hallo,
eine kognitiv retartierte Frau steht unter gesetzlicher Betreuung durch eine Rechtsanwältin. Sie hat ihr Elternhaus geerbt und lebt dort eigenständig.

Das Haus hat eine Wohnfläche von unter 80 m2, damit ist die Frau nicht gezwungen es zu verkaufen und kann trotzdem Sozialleistungen beziehen. (Ob man es politisch gut findet, dass Personen mit Immobilieneigentum Sozialleistungen beziehen ist eine andere Debatte die nicht hier geführt werden soll, Fakt ist jedenfalls, dass dies gesetzlich so geregelt ist). Eine normal begabte Person würde die Immobilie behalten und aufgrund ihrer Arbeitsunfähigkeit weiterhin Sozialleistungen beziehen.

Die Frau steht jedoch unter Betreuung der RA. Diese möchte, dass die Dame das Haus verkauft und in eine Mietwohnung zieht, wo sie ebenso eigenständig lebt wie bisher.

Folge ist, dass die Frau mit dem Verkauf ihrer Immobilie Vermögen besitzt welches weit über der Schonvermögensgrenze liegt. Damit hat sie kein Recht auf Sozialleistungen mehr. Die Dame ist rund 45 Jahre alt, es ist also absehbar, dass die Erlöse aus dem Immobilienverkauf nicht für den Lebensunterhalt für den Rest ihres Lebens ausreichen werden und sie irgendwann wieder auf Sozialleistungen angewiesen sein wird. Damit stellt sich natürlich die Frage, ob der aktuelle Sozialstaat in einigen Jahrzehnten noch in der jetztigen Form existiert oder die Dame dann einfach auf der Straße landet wenn das Geld aus dem Immobilienverkauf aufgebraucht ist.

Würde die Damen einfach weiterhin im Elternhaus leben und Sozialleistungen beziehen, könnte sie ihr Elternhaus auch in einigen Jahrzehnten verkaufen, wenn es z. B. keine oder viel weniger Sozialleistungen gibt und sie das Geld benötigt. Dazu kommt der psychosoziale Aspekt der gewohnten Umgebung mit Nachbarn zu denen sie ein gutes Verhältnis hat.

Über die Verkaufsintention der RA kann nur spekuliert werden. Fakt ist, dass die RA bei mittellosen Betreuten weniger abrechnen darf als bei nicht mittellosen, also verdient die RA nach dem Immobilienverkauf mehr Geld für die gleiche Leistung. Eine Mietwohnung würde natürlich auch weniger Verwaltungsaufwand bedeuten da man bei Problemen meist nicht selbst Handwerker beauftragen muss sondern dem Vermieter Bescheid gibt.

Wieso sind Entscheidungen eine Betreuers die sich offensichtlich gegen die Interessen des Betreuten richten in Deutschland erlaubt?

Gruß
Desperado

Wer sagt, dass das so ist?

Und das ist nicht die einzige Vermutung, die ich in der Frage lese. Manche werden zwar als Fakt bezeichnet, aber in postfaktischen Zeiten ist ja eh quasi alles möglich.

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[quote=„C_Punkt, post:3, topic:9525642, full:true“]

wirklich verboten ist der Verkauf nicht und würde zunächst auch nicht so geprüft, als würde zusätzliche Leistungen beantragt werden…

Wirklich irrsinnig ist das mit den Sozialleistungen manchmal dennoch: Mein klassisches Beispiel: Ehefrau durch Schulden des Ehemannes, der sich darauf das Leben genommen hatte, verfällt in Depressionen. AU, dann Sozialamt, eingeschränkte Therapie (halt doch einiges an Eigenleistung…) dann kam das Amt auf die Idee: 58m² sind 3m² zu viel. Warmmiete alt mit Gartennutzung 600€, neu unterm Dach dann 680€. Dafür statt 3 min Fußweg zur Tochter mit Enkel jetzt fast 10 KM … Der Umzug wurde bezahlt und organisiert…

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Bitte lese nochmal die Frage! Die Antwort darauf ist eindeutig und unmissverständlich beantwortbar.

Das Problem ist - wie so oft im Recht - wer geht gegen den vor, der sich nicht dran hält und wie weist man es nach.

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Hallo Desperado,

Entscheidungen eines Betreuers, die eindeutig gegen die Interessen der Betreuten verstoßen, waren im Betreuungsrecht noch nie erlaubt und sind es auch aktuell nicht. Allerdings ist die Frage, was genau die Interessen der Betreuten inhaltlich denn sind, häufig nicht ganz easy zu beantworten.

Wie auch immer: § 1821 BGB regelt, dass die Wünsche der betreuten Person für den Betreuer beachtlich sind und an diesem Punkt ist aus meiner Sicht die Frage des Verkaufs der Immobilie und ggf. eines Umzuges aufzuhängen.

Nebenbei: Ein Immobilienverkauf durch den Betreuer ist vom Betreuungsgericht zu prüfen und zu genehmigen, damit er rechtskräftig wird.

Viele Grüße vom T3ssut0

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Im Prinzip schon, denn eine normal begabte Person würde nicht ohne es zu müssen die eigene Immobilie verkaufen um dann keine Sozialleistungen mehr zu erhalten bis das Geld weg ist - und dann hoffen, dass es in 50 Jahren immer noch einen Sozialstaat gibt.

Da die geistig behinderte Frau dies wahrscheinlich nicht selbst abschätzen kann, dürfte ihre Meinung dazu auch nicht ihre künftigen Interessen wiederspiegeln.

Hallo @Desperado

Aus Erfahrung in der Familie kann ich berichten, dass das Betreuungsgericht
(noch zusätzlich zum Vormund in dieser Immobilienverkaufsangelegenheit) einen Rechtsanwalt zuzog. Das sei wohl allgemein (gesetzlich?) so üblich.

Dieser prüfte die Interessen der/des zu Betreuenden.
Im geschilderten Fall wollte der Rechtsanwalt die betreffende Person auch persönlich zu ihrem Willen befragen. Was von der Familie nicht abgelehnt, aber in diesem Fall wegen schwerer Demenz (Pflegeheim) letztlich als sinnlos erachtet wurde.
Das wäre ja hier anders …

Eigentlich nicht, denn die betreffende Person ist zwar nicht dement aber geistig behindert, so dass man nicht davon ausgehen kann, dass sie verstehen könnte, dass der Verkauf ihrer Altersvorsorge sie möglicherweise in ferner Zukunft in eine prekäre Lage bringen wird.

Die Frau wird doch zumindest sagen können, ob sie gerne in ihrem Haus wohnen bleiben möchte?

Da gehts auch nicht immer nur um Finanzen.
Könnte die RA nicht annehmen, dass es für die Betreute doch schwierig und auch ziemlich öde ist, allein in einem Haus zu wohnen. Und wäre sie nicht in einer geselligen Wohngruppe besser aufgehoben?
Das kann natürlich von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein.

Warum nimmst DU nicht Kontakt zum Betreuungsgericht auf,
schilderst deine Bedenken,
und fragst, ob die Interessen der Betreffenden diesbezüglich ausreichend berücksichtigt wurden?

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