Wenn ein nicht behinderter Erwachsener das Erbe ausschlägt, um weiter Sozialleistungen beziehen zu können, und diesen Grund dem Nachlassgericht angibt. Würde das Nachlassgericht die Ausschlagung ablehnen wegen Sittenverstoß oder würde das Gericht die Ausschlagung anerkennen wegen der Privatautonomie und der Erbfreiheit des Ausschlagenden?
Die Rechtsprechungen des OLG Stuttgart, 2001 und des OLG Hamm,2004 beziehen sich auf behinderte Erwachsene Erben. Auch die Rechtsprechung des BGH (IV ZR 7/10) von 19.01.2011 bezieht sich auf einen Behinderten-Erbfall.
Die Rechtsprechungen von Stuttgart und Hamm halten die Ausschlagung für nichtig wegen Sittenverstoß, da das Nachrangprinzip der Sozialhilfe verletzt wird.
Die Rechtsprechung des BGH ist gegenteiliger Meinung und sieht jedenfalls bei Behinderten keinen Sittenverstoß, da die Ausschlagung durch die Privatautonomie und die Erbfreiheit geschützt ist.
Wie das im Falle eines nicht behinderten erwachsenen Erben zu beurteilen ist, geht weder aus der Rechtsprechung noch aus den Rechtskommentaren klar hervor. Es gibt dazu anscheinend noch keine Rechtsprechung, oder doch?
Dient die Formulierung ‚contra bonos mores‘ (im römischen Recht), ‚gegen die guten Sitten‘ (auf deutsch), ausschließlich der Beurteilung des Rechtsgeschäftes (Ausschlagung), aber nicht der Beurteilung der Person oder des Verhalten? Dürfen daher die Formulierungen ‚gegen die guten Sitten‘ in Bezug auf ein Rechtsgeschäft nicht verwechselt werden mit dem Begriff ‚sittenwidrig‘ in Bezug auf das Verhalten.
Bei der Entscheidung, ob die Ausschlagung ein Rechtsgeschäft ist, das gegen die guten Sitten verstößt, ist daher die Beurteilung des Verhaltens als ‚sittenwidrig‘ unzulässig, da ausschließlich das Rechtsgeschäft zu beurteilen ist, aber nicht das Verhalten.
Diese Begriffsverwechselungen sind aber immer wieder zu beobachten.
Im BGH-Urteil ging es explizit nicht um Ausschlagung, sondern nur um einen zu Lebzeiten der Ehegatten/Eltern vereinbarten Plichtteilsverzicht nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils.
Nur das wurde als nicht sittenwidrig erkannt. Es bleibt die Frage offen, ob das auch auf eine Ausschlagung nach Tod des 2. Elternteils übertragbar ist. Ebenso offen ist, ob dann Sanktionen aus dem Sozialhilferecht drohen, weil da ein aus Steuermitteln finazierter Hilfeberechtigter praktisch Geld verschenkt.
Das muss wahrscheinlich mal durch die Instanzen gejagt werden, um da Klarheit zu erlangen. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass es sich die höchsten Richtern auch mal wieder anders überlegen.
Was sagt eigentlich die Scharia zu solchen Problemen? Könnte ja auch mal interessant werden.
Grüße