Delta-Omega-durch-Herbstlaub-Abschätzung
Hallo deconstruct,
fest steht, daß das fallende Herbstlaub die Rotationsgeschwindigkeit der Erde wegen der Drehimpulserhaltung vergrößert, es fragt sich nur, wieviel. Um die Größe dieses Effektes abzuschätzen, betrachte ich folgendes Modell:
Die Erde sei durch eine homogene Vollkugel (Radius R, Masse M) angenähert, das Laub durch eine dünne, konzentrische Kugelschale, deren Abstand von der Erdoberfläche sich während des Laubfall-Zeitraums von der „mittleren Baumhöhe“ h auf Null ändert.
Da eine homogene Kugel das Trägheitsmoment 2/5 M R^2 und eine dünne Kugelschale das T.moment 2/3 m r^2 hat, besitzt die Erde
vor dem Laubfall das T.moment
J = 2/5 M R^2 + 2/3 m (R + h)^2 _______[1]
und nach dem Laubfall
J’ = 2/5 M R^2 + 2/3 m R^2 ________[2]
Ausmultiplizierung der Klammer in [1] liefert
J = 2/5 M R^2 + 2/3 m (R^2 + 2 R h + h^2)
[Im folgenden „&=“ für „ungefähr gleich“] Wegen h
dw 10 m h
---- = ---- ----- ______[5]
w 3 M R
Die Masse der Erde beträgt M &= 6E24 kg, ihr Radius R &= 6.37E6 m.
Für den Wert der "mittleren Baumhöhe" h sollten 20 m in Ordnung sein.
Bleibt nur noch m, die Gesamtmasse des Laubes. Um mir langes (und wahrscheinlich erfolgloses) Suchen in Lexika/Biologiebüchern/WWW zu ersparen, nehme ich einfach an, daß auf 1/8 der gesamten Erdoberfläche laubabwerfender Wald steht (gleichmäßig verteilt, damit das mit der Kugelschale hinkommt; also: überall soll auf 1/8 jedes Hektars laubabwerfender Wald stehen), und pro Quadratmeter 1 kg Laub zu Boden fallen.
Die Erde hat eine Oberfläche von 4 pi R^2; die bewaldete Fläche wäre nach dem obigen Modell demnach 1/2 pi R^2 und
m = 1/2 pi R^2 1 kg/m^2 &= 6.5E13
Zusammen mit h = 20 m ergibt sich gemäß [5]
**dw/w = 1.1E-16**.
Das ist äußerst wenig. Multipliziert man diesen Wert mit 86400 s/Tag, kommt man auf 9.5E-12 s/Tag, also nur rund 10 Picosekunden. Multiplikation mit der Entfernung Erde-Mond ergibt 1.1E-16 \* 3.8E8 m = 33 nm! Mit einem Enfernungsmeßgerät, das so genau wäre, könnte man also den Abstand Erde-Mond bis auf ca. 1/20 der Wellenlänge roten Lichts genau bestimmen! Solche extremen Genauigkeiten erreicht man in der Physik meines Wissens nach nur mit dem Mößbauereffekt (Faustwert: 10^-15).
Auf der von Dir genannten Homepage der Fundamentalstation ist zu lesen
_Eine Realisierung der angestrebten Auflösung von 10-9 der Erdrotation (das entspricht einer Winkelgeschwindigkeit von 6 Nanoradian pro Tag) stellt enorme technische Anforderungen an den Ringlaser._
10^-9 liegt allerdings sieben Größenordnungen über 10^-16.
Auf http://www.astronews.com ist unter den FAQs auch die Frage "Dreht sich die Erde immer - über das Jahr gesehen - gleich schnell?" zu finden, nebst dieser Antwort:
_Nein. Exakte Untersuchungen mit Satelliten haben ergeben, dass die Drehung der Erde keineswegs konstant ist, sondern auf Änderungen in den Ozeanen und in der Atmosphäre (beispielsweise starke Winde) reagiert. Das ändert die Tageslänge allerdings nur um Bruchteile einer Tausendstel Sekunde. (ds/10. März 2004)_
Der zehnte Teil einer tausendstel Sekunde entspricht einer Genauigkeit von 1/(10 \* 1000 \* 60 \* 60 \*24) = 1.1E-9.
Aus all dem kann ich nur den Schluß ziehen, daß die Änderung der Rotationsgeschwindigkeit der Erde, die durch das im Herbst herunterfallende Laub verursacht wird, zu gering ist, um nachgewiesen werden zu können.
Mit freundlichem Gruß
Martin