Hallo Petra!
hat eigentlich jemand von euch Erfahrung mit der Verwendung
eines Wäschestampfers?
Oh ja, so etwas kenne ich aus Kinder- und Jugendtagen. In den 50ern bis etwa Mitte der 60er Jahre waren Waschküchen mit einem Waschkessel der damalige Stand der Haustechnik. Einmal pro Woche war Waschtag. Eigentlich waren es mehrere Tage nur für die Wäsche, denn fast alles musste gebügelt und vieles geflickt und gestopft werden.
Der von unten mit Holz befeuerte und oben dampfende Waschkessel machte aus der Waschküche einen Ort der Schwerarbeit, wo man vor Dampf kaum gucken konnte, es penetrant nach Waschmittel roch und eine junge, früh verbrauchte Frau gelegentlich versuchte, den schmerzenden Rücken wieder aufzurichten. Hin und wieder musste die Waschküchentür geöffnet werden, weil man vor lauter Dampf nichts mehr sah und es einfach zu heiß wurde. Die Tür dauernd geöffnet lassen, ging aber im Winter auch nicht, weil sich sonst der Waschkessel nicht auf Temperatur halten ließ. So stand die Frau mit dem Wäschestampfer in beiden Händen in ungesund gebeugter Haltung vor dem Bottich, rackerte sich ab, bekam von vorne die Hitze des Kessels und in den Rücken die eiskalte Außenluft.
Das ging (zusammen mit vielen anderen früher üblichen Gepflogenheiten) an keiner Frau spurlos vorbei. Das Wort Ergonomie gehörte noch nicht zum Spachgebrauch und Rücksicht auf die Gesundheit von Menschen nahm niemand. Heute kann eine Frau, die das 50ste Lebensjahr deutlich überschritten hat, geistig und körperlich beweglich sein, gesund und in jeder Hinsicht attraktiv. Ganz anders in der damals weit überwiegenden Arbeiterschicht. 50-jährige Frauen waren von Hausarbeit und Lebensverhältnissen verbraucht, verschlissen, oft abgestumpft und verhärmt.
Wer sich das Hirn von Nostalgie nicht verkleistern lässt, sehnt sich nach nichts aus diesen Zeiten zurück. Wer dennoch mit dem Wäschestampfer oder der Wäscheglocke liebäugelt, verkennt, dass es sich damals um andere Fasern und Stoffe handelte. Er verkennt außerdem, dass die Waschmethoden alles andere als materialschonend waren. Die Sachen hielten lange durch, weil sie immer wieder repariert wurden. Bis ein Stück als Putzlappen endete, hatte es viele Stunden Flickzeit hinter sich. Kunstfasern waren gar nicht dabei. Die ersten Kunstfaserhemden, an die ich mich erinnere, wurden unter dem Namen „Nyltest“ teuer verkauft. Das galt als etwas ganz besonders Edles, obwohl es den Tragekomfort einer Plastiktüte hatte (die es damals noch nicht gab).
Mit einer Waschglocke/einem Wäschestampfer opferst Du viel Zeit - ich sags deutlich - für überlebten Unfug. Jede Waschmaschine ist leistungsfähiger, arbeitet schonender und sie kostet nicht Deine Kraft und Deine Zeit, die Du sicherlich sinnvoller als für stumpsinnige Stampferei vor einem dampfenden Kessel einzusetzen weißt.
Unsere Vorfahren benutzten z. B. Wäschestampfer nicht etwa, um ein besseres Waschergebnis als mit einer Waschmaschine zu erzielen. Sie hatten vielmehr gar keine andere Wahl. Wenn Du heute ein Problem mit der Wäsche hast, liegt es mit letzter Sicherheit nicht am fehlenden Einsatz eines Wäschestampfers.
Kennst Du das Buch „Regenroman“ von Karen Duve? Falls nicht, empfehle ich die Lektüre wärmstens (in der gesparten Zeit statt Wäschestampfen). Karen Duve beschreibt ein Paar, das sich in ein in einer Moorgegend gelegenes Haus zurückzieht. Aus dem Wasserhahn kommt braunes Wasser. So etwas gibts tatsächlich. Gar nicht weit von hier gibt es solche Region und mangels öffentlicher Wasserversorgung haben die Bewohner eigene Brunnen. Klar, in wenigen Metern Tiefe stößt man auf Wasser und das benutzen einige Dösköppe tatsächlich als Trink- und Brauchwasser. Als Trinkwasser ist es zwar nicht lecker, aber unbedenklich, nur Wäsche versaut man damit nachhaltig. Das verwendete Wasser und natürlich die Textilien und die während der Herstellung benutzten Farben können Ursachen für alle möglichen Probleme sein - aber nicht die Abwesenheit der Waschmethoden unserer Altvorderen.
Gruß
Wolfgang
(der sich nichts aus früheren Zeiten zurück wünscht, denn besser war früher gar nichts, nicht die Menschen, nicht ihre Werkzeuge und auch nicht ihre Lebensweise)