Bis kurz vor meinem 49 Geburtstag hatte ich quasi nie Probleme mit Gelenken oder Muskulatur, also auch keine Erfahrung mit Orthopäden, Physiotherapeuten oder deren Behandlungsmethoden. Doch dann hatte der Bürojob und damit verbundener Bewegungsmangel doch negative Auswirkungen. Alles fing mit leichten Schmerzen in beiden Schultergelenken an. Diese steigerten sich über einen Zeitraum von etwa einem halben Jahr so weit, dass ich die Arme nicht mehr heben konnte. Der Schmerz zog sich bis in die Oberarme und schlafen wurde schwierig, weil jedes umdrehen schmerzhaft war. Also begann ich eine Odyssee von Arzt zu Arzt und von Physiotherapie zu Physiotherapie. Der erste von Arbeitskollegen hoch gelobte Orthopäde diagnostizierte eine Schulterentzündung und behandelte mittels Kortisonspritzen in die Gelenke, etwas Massage mit Bewegung und verschrieb die üblichen sechs Termine beim Physiotherapeuten. Es folgten meine ersten Erfahrungen mit Physiotherapie in einer Praxis bei mir um die Ecke. Alles sehr nett, ja nach Physiotherapeutin wurde unterschiedlich an den Gelenken gezerrt, gedehnt oder massiert. Alles nett, aber die Schmerzen wurden höchstens kurzfristig besser, mittelfristig immer schlimmer. Also zum nächsten Arzt, wieder Kortison, wieder kaum Wirkung. Kortison beseitigt die Ursachen nicht, verringert nur kurz die Entzündung und hilft nur bei akuten Beschwerden. Dieser Arzt hat mich zum MRT geschickt, dort wurde eine Schulterentzündung mit sichtbaren Verschleißerscheinungen diagnostiziert. Sollte ich mit den Schmerzen leben müssen? Eine Operation wurde ins Gespräch gebracht. Bis zu diesem Punkt waren alle Diagnosen und Behandlungen sinnlos und haben nur Monate Zeit verschwendet. Das Warten auf Termine hat immer Wochen gedauert und ein paar komplette Fehlversuche, in überfüllten Arztpraxen zum Arzt vorzudringen, habe ich übersprungen. Dann hatte ich Glück, die Physiotherapeuten in meinem Stadtteil hatten gerade keine Termine frei und so bin ich zufällig im nächsten Stadtteil auf eine Praxis gestoßen, die eine Mischung aus Sportstudio und Physiotherapie angeboten hat. Die erste Analyse des Problems war schon wesentlich intensiver, als die bisherigen 5-Minuten Diagnosen. Die Ursachen und Auswirkungen der unterentwickelten Muskulatur auf die komplexen Gelenke wurden erklärt und was man durch gezielte Bewegungsübungen dagegen tun kann. Es fing alles mit kleinen gezielten Bewegungen an, um die Gelenke vorsichtig wieder an Bewegung zu gewöhnen und die Muskulatur so wieder aufzubauen, dass die Gelenke wieder ohne Schmerzen ihre Funktion erfüllen konnten. Nach einem Monat mit zwei mal die Woche einer Stunde Training waren Erfolge fühlbar. Die Schmerzen hatten nachgelassen und die Schultern waren wieder etwas beweglicher. Nach weiteren drei Monaten, während die Übungen und deren Intensität ständig verändert und intensiviert wurden, waren die Schmerzen fast weg, ich konnte die Arme wieder senkrecht nach oben strecken und hatte auch wieder Kraft in den Armen. Die Übungen mache ich bis heute weiter, jeden zweiten Tag etwa 20 Minuten. Ich denke ich muss das den Rest meiner Tage machen, weil ein Abbau der Muskulatur mittelfristig wieder zur Fehlstellung der Schultergelenke und damit zu Schmerzen führt. Jeden Tag zu trainieren bringt auch nichts, die Gelenke brauchen Gelegenheit zur Regeneration. Interessant war, wie in dem Studio jeder Patient seine individuellen Übungen zusammengestellt bekam. Es gibt nicht die eine Übung, die alle Probleme lösen kann. Bei mir waren es sieben bis neun Übungen, teilweise für die Beweglichkeit, teilweise für den Muskulaturaufbau. Die Anzahl der Wiederholungen und Größe der Gewichte wurden ständig angepasst und langsam gesteigert. Der Sportmediziner ging ständig von Patient zu Patient, hat die korrekte Ausführung der Übungen kontrolliert und sich um Feedback bemüht. War es zu leicht, dann kann die Intensität der Übungen gesteigert werden, war es zu viel, gab es schon Schmerzen? Dann lieber wieder etwas weniger. Dort werden auch Leistungssportler betreut. Interessant zu sehen, welche Probleme bei den einzelnen Sportarten bereits in jungen Jahren auftreten und wie man gezielt dagegen antrainieren kann. Sicher kostet so eine intensive Behandlung Geld, dass die Krankenkasse nicht erstattet, aber es ist jeden Cent wert. Man muss lernen sich richtig zu bewegen und Probleme gezielt anzugehen. Das geht nicht ohne sachkundige intensive und langfristige Betreuung durch Fachleute. Ich habe etwa 70 Euro pro Monat bezahlt, aber dafür fühlt sich der Körper wieder richtig gut an und so ein paar Muskeln machen auch optisch was her, man steht nicht mehr wie ein nasser Sack vorm Spiegel. Ich werde vermutlich noch mal ein paar Monate dranhängen, um mir noch ein paar Übungen für den Rücken und die Kniegelenke zeigen zu lassen. Im Nachhinein kann ich nur verwundert bestätigen, dass viele sinnlose Behandlungen solcher Probleme vorgenommen werden, die wohl auch oft in überflüssigen Operationen enden. Ich hoffe dieser Text hilft dem ein oder anderen einen besseren Weg zu gehen.
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