Hallo Heinrich,
ich sehe dies differenzierter.
Sicher sind hier Ähnlichkeiten mit dem 3. Reich vorhanden. Doch nun diese Heimatschnulzen in den Bereich des 3. Reiches zu setzen, scheint mir weit hergeholt. Seeßen hat sich mehrfach als Kritiker hervor getan. Vergessen hat er den Vergleich mit anderen Länder, die mit dem 3. Reich nichts zu tun hatten und trotzdem derartige Schnulzen produzierten. Ausserdem kann ich mir nicht vorstellen, dass A. Brauner z.B. eine Schnulze unter dem Hintergrund des Gedankens an die Verherrlichung des 3. Reiches produziert hat. Brauner ist nach meiner Kenntnis Jude. Ist es also nicht gefährlich, ein solches Pauschalurteil wie Seeßen es darstellt, einfach zu übertragen ?
Wie soll und kan man dann Filme mit Elvis einordnen. In den Bereich der Göbbelschen Filmindustrie ? Wie die Filme mit CC (Italien ) und BB (Frankreich. Sissi, nichts weiteres als die Fortsetzung der Nazi-Propaganda-Maschine ? Selbst Winnetou erfüllt den Tatbestand des Übermenschen und - kaum ein anglo-amerikanischer Film ist nicht in jener Zeit auf diese Art des Übermenschen eingestiegen. Der Ehrlichkeit wegen muss ja jeder Film verglichen werden. Seeßen reisst den deutschen Film aus dem internationalen Zusammenhang, konstruiert in seiner ohnehin sehr deutsch-feindliche Position einen Zusammenhang mit dem 3. Reich und untrschlägt jedes andere Land, das mit denselben Methoden Filme produziert.
Auch die Kriegsfilme sind voll von Rassismus. Es wäre ja noch sinnvoll, wenn die Filme Abschreckung verursachen sollten, aber sie pauschalieren ebenso die USA als den heroischen Heldenmenschen und den Deutschen als das grinsende verbrecherische Monstrum. Dann wird - DE ist nun in der NATO - der Russe Symbol des Rassimusses. Bis heute sind viele Filme - wenn man nun die Praktiken Göbbels berücksichtigt - in Hollywood eine Oase des Denkens des 3. Reiches. Wollen wir wirklich soweit gehen ? Dieser Gang ist jedoch zwingend, folgt man Seeßen.
Es muss schon Verfolgungswahn bestehen, wenn man Filme aus den
Anfängen der BRD mit dem 3. Reich in den Vergleich setzt.
Nun ja … Unter Filmkritikern ist es absolut anerkannt, daß
die Filme bis Anfang der 60er Jahre genau das waren, was
Goebbels sich für die deutschen Kinos gewünscht hat. Ich
zitiere mal Georg Seeßlen, einem der anerkanntesten deutsche
Filmanalysten:
Der Heimatfilm bildete nur oberflächlich eine
rückwärtsgewandte Idylle, eine Flucht in Natur,
Provinzialismus, ‚unschuldige‘ Bergwelt ab. […] Der große
Verlust der männlich-heroischen Nation war im Heimatfilm
ersetzt durch die weiblich-tröstende Heimat, aber wer genau
hinsehen wollte, erkannte in den Nischen und Nebenhandlungen
dieses Genres schon wieder Forderung und Drohung: Die
scheinbar so harmlose Schwärmerei der Helden von ihrer
verlorenen ostpreußischen Heimat erhielt ihren unangenehmen
Nebenton durch den Blick der Kamera auf Reitstiefel und
-peitsche; die volkstümlichen Feste mit ihren Umzügen
erhielten als Konnotation eine merkwürdige Vorliebe für
pseudo-militärische Aufmärsche, Fahnen und Blasmusik, und die
scheinbar so unsterblichen Schwank-Geschichten um die
betrogenen Betrüger mußten alle provinzielle Unschuld
verlieren, wo die Bösewichte mit polnischen oder jüdischen
Zügen ausgestattet wurden, wie sie die nationalsozialistische
Propaganda entwickelt hatte.
Ungebrochen fort wirkte in der Nachkriegszeit ein Genre, das
sich dem faschistischen Diskurs so bereitwillig geöffnet
hatte, der biographische ‚Film vom Übermenschen‘. Hatte man in
der Zeit des Nationalsozialismus etwa Rudolf Diesel eine
filmische Hommage gewidmet, so war es nun Robert Koch. Die
Machart blieb die gleiche: der ‚große Deutsche‘ wird als eine
Ausnahmegestalt geschildert, als eine kulturelle Abbildung des
Prinzips vom ‚Führer‘, den stets eher die ‚Vorsehung‘ als die
solidarische Zusammenarbeit für sein Tun bestimmen.
[…]
Immerhin zehn Prozent der in den ersten drei Jahrzehnten nach
dem Krieg produzierten deutschen Kinofilme waren Kriegsfilme.
So wie der Heimatfilm und wie die mythische Filmbiographie
waren auch die deutschen Kriegsfilme, sieht man von einigen
wenigen Beispielen wie Bernhard Wickis ‚Die Brücke‘ ab, von
einer doppelten Aufgabe zwischen Verdrängung und
Modernisierung geprägt.
[…]
Entscheidend dafür war auch hier eine mythische
Entpolitisierung der Helden: Der Offizier und gar erst der
einfache Soldat wurden als Menschen gezeichnet, die nach einem
sehr viel älteren und dem Nationalsozialismus
entgegengesetzten Code lebten und stets in offenem Widerspruch
zur politischen Führung nur durch die Bindung an Befehl und
Gehorsam mit den Verbrechen des Faschismus verbunden sind.
Während Filme wie ‚Canaris‘ den ‚guten Deutschen‘
konstruieren, führte man in ‚Der Arzt von Stalingrad‘ die
Spirale der Entschuldigung um eine perfide Umdrehung fort: Im
Kern des Angriffskrieges, so wurde hier suggeriert, steckte
immer noch die humanistische Bewegung in die Barbarei hinein,
und im militärischen Aggressionspotential steckte auch für den
‚Feind‘ die heilende Kraft des Arztes in der unzivilisierten
Welt der Sowjetunion.
Zusammengenommen vermittelten diese Filme eine vollständige
Mythologie der Entschuldung: Der Krieg war von aufrechten,
unschuldigen Menschen geführt worden, die von einigen wenigen
Verbrechern hintergangen und mißbraucht worden waren.
aus: Georg Seeßlen, Die Geschichte von Faschismus und Kino,
1994
Du siehts, die Filmkultur Deutschlands in den 50ern und
teilweise 60ern entsprach durchaus den Vorstellungen, die die
Reichsfilmkammer den Produzenten und Regisseuren vorgab. Woher
sollten Alternativen auch kommen? Wer kritische Filme machte
oder machen wollte, war entweder tot, ins Auslang emigriert
oder wurde von der Zensur totgeschwiegen (siehe Wolfgang
Staudtes „Der Untertan“).
Du zitierst hier einen Analysten, der auf ein Thema nun nicht eingeht. War es nicht so, dass es neben der sicherlich vorhandenen Versuche der Verniedlichung, der Verharmlosung des 3. Reiches fast notwendig war, „heile Welt“ wenigstens im Kino den Blick in die Zukunft aufzutun, um auch jenen, die in dem Strudel des 3. Reiches waren, eine Perspektive zu geben. Und auf die Zeit des Krieges folgte nun mal die „heile Welt“, zumindest dem Schein der heilen Welt. Sie hat ja auch die USA als Befreier und nicht als Besatzer mit dem Ziel, die US-Wirtschaft in EU zu etablieren dargestellt. Da kann man sich auch streiten. Ob die USA nicht in den Krieg eingestiegen sind, weil das Kapital ein Geschäft gewittert hat.
Ich sehe nicht alles nur in Zusammenhang mit dem 3. Reich. Wenn man diese Maßstäbe nimmt, muss man andere Vorgänge auch in diese Reihe stellen. Und dann erhebt sich für mich die Frage, wo nach 1945 die „besseren Nazis“ überlebt haben ?
Gruss Günter