Erinnern oder sich erinnern?

Hallo,

ich als Süddeutschstämmiger mußte mich in Norddeutschland immer belächeln lassen, weil ich nach wie vor der festen Überzeugung bin, daß es heißt „Ich erinnere mich an ein schönes Wochenende“ und nicht „Ich erinnere ein schönes Wochenende“.

Sogar mein Deutschlehrer hat mehrmals gesagt, daß „etwas erinnern“ viel logischer sein, weil man sich „etwas“ wieder nach innen holt. (analog: etwas verinnerlichen - das ist natürlich richtig).

Meine Frage: Ist es regional verschieden, aber beides richtig (so wie Semmel und Brötchen oder Samstag und Sonnabend), oder ist eine der beiden Versionen richtig und die andere falsch?

Vielen Dank für Antworten!

ciao,
erik

Hallo, Erik,

vielleicht hilft dir das:

er|in|nern [mhd. (er)innern, ahd. innaron= machen, dass jmd. einer Sache inne wird, zu ahd. innaro = inwendig]: 1. im Gedächtnis bewahrt haben u. sich dessen wieder bewusst werden: ich erinnere mich an den Vorfall, an diesen Menschen/(geh.:smile: dieses Menschen/(österr., schweiz.:smile: auf diesen Menschen; wenn ich mich recht erinnere; bes. nordd. auch mit Akk.-Obj. u. ohne Reflexivpron.:> ich erinnere ihn gut; das erinnere ich nicht. 2. a) die Erinnerung an jmdn., etw. bei jmdm. wachrufen; wieder ins Bewusstsein rufen: dieses Denkmal erinnert [uns] an vergangene Zeiten; ich will nicht mehr daran erinnert werden; b) veranlassen, an etw. zu denken, jmdn., etw. nicht zu vergessen: jmdn. an sein Versprechen e.; c) durch seine Ähnlichkeit ins Bewusstsein bringen: sie, ihre Stimme erinnert mich lebhaft an meine Schwester. 3. (veraltend) vorbringen, zu bedenken geben: ich habe Verschiedenes dagegen zu e.

© Duden - Deutsches Universalwörterbuch 2001

Die norddeutsche Variante gilt also als umgangssprachlich. Lass dich also von den - sit venia verbo - den „Fischköppen“ künftig nicht mehr ins Bockshorn jagen.

Gruß Fritz

Erinnerungen kommen…
Hallo, Leute,

Ich möchte gerne zur Aufklärung des Sach- (und nur oberflächlich des Sprach-)verhalts beitragen.

pomniem sie, = „ich erinnere sich“ sagt man in Polen sogar, so wie „wiedzie, sie,“ (das Komma am e gehört als Anhängsel ans e, macht daraus ähnlich Nasales wie in frz. „en“ wie in „bien“). „Ich sich sehen“. Das bringt (auch) zum Ausdruck, daß „(sich) erinnern“ und „sich sehen“ ein nicht nur vom freien Willen abhängiger Vorgang ist. Akkusativisch allerings ja: „Muß ich dich schon wieder erinnern?“ (Hier ist das „muß ich“ ja nur schein-gezwungen, schweingezungen).
„Ich erinnere (ob mich oder dich oder Sie)“ klingt mAn nur etwas „amtlicher/offizieller/gewählter“.
Aber Achtung: 3sprachige Leute (ziemlich hochdeutsch, schlechter plattdeutsch, aber gut überandere, v.a. wenn sie nicht da sind) achten oft sehr auf die Feinheiten!

tschüs, alles gute,
Manni

Die norddeutsche Variante gilt also als umgangssprachlich.

Hier in Hamburg gibt es noch ein paar andere ähnliche grammatikalische „Freizügigkeiten“. zum Beispiel sagt man hier: „Ich bin im August angefangen“, statt „Ich habe im August angefangen“. Gruslig, aber so ist das hier :smile:

Andi

Anglizismus
Hallo,

für mich handelt es sich um einen weiteren Anglizismus (I remember…), ähnlich wie weil mit Hauptsatzstellung.

Andreas

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Sehe ich auch so.

Logischerweise ist es nur wirklich richtig zu sagen:

  • „Ich erinnere *mich* an diesen Hund“
    ebenso, wie man auch sagen würde
  • „Ich entsinne *mich* an diesen Hund“

Nur zu sagen „Ich erinnere diesen Hund“ würde die Frage nach sich ziehen: „An *was* erinnerst du ihn denn?“

Aber so ist das eben mit der Umgangssprache. Irgendwann setzt sich das dann auch im Duden durch, wie mit „wegen dem Hund“ geschehen.

Andi

Gut, dass
du das sagst, lieber Andi,

als Süddeutscher wird man ja von Nördlicheren sehr schnell mancher Sprachverstöße überführt, die ich hier nicht aufrollen will.
Dabei gibt es wenigsten ebenso viel Klöpse im Norden.
Mit Grausen denke ich an die Frage: „Wo kommst du wech?“
Und an den abundanten Gebrauch des Plusquamperfekts, der sich aber inzwischen weiter verbreitet hat.
Aber: Jedem Türchen sein Pläsürchen!
:wink: Fritz

1 Like

kleine Korrektur
Hallo,

ebenso, wie man auch sagen würde

  • „Ich entsinne *mich* an diesen Hund“

„entsinnen“ muss meiner Ansicht nach den Genitiv nach sich ziehen, also „Ich entsinne mich des Hundes.“

Oder irre ich (mich)?

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Hast recht! :smile:

Sehe ich nicht so.

Logischerweise ist es nur wirklich richtig zu sagen:

  • „Ich erinnere *mich* an diesen Hund“

Vieles halten wir für logisch, weil wir daran gewohnt sind. Und für unlogisch halten wir, was wir noch nicht gehört oder gelesen haben, was aber Jahrhunderte lang Usus war. Siehe dazu auch meinen ersten Artikel.

ebenso, wie man auch sagen würde

  • „Ich entsinne *mich* an diesen Hund“

Das heißt doch wohl besser: „Ich entsinne mich des Hundes“?

Nur zu sagen „Ich erinnere diesen Hund“ würde die Frage nach
sich ziehen: „An *was* erinnerst du ihn denn?“

Dieser Meinung kann man nur sein, wenn man den durchaus möglichen und sinnvollen Gebrauch des Verbs „erinnern“ als transitives Verb nicht mehr gewöhnt ist, der einst aber durchaus möglich war und immer noch möglich ist, und sich besonders im Norddeutschen erhalten hat.

Ich kenne noch das Verb „schweigen“ als transitives. Also: „Schweige ihn!“ mit der Bedeutung: „Bring ihn zum Schweigen!“

Es lohnt sich bei Sprachbetrachtungen hinter den Duden und die Dudengrammatik, will sagen vor das Jahr 19000 zurückzuschauen. Da gab es viele Sachen, die heute zwar eigenartig klingen; sie aber falsch oder unlogisch zu nennen, wäre ein sehr kurzsichtiger Blick auf die deutsche Spprache.

Ebenso ist es mit „Funktion“ und „Funktionalität“. Letzteres findet sich bereit im Duden von 1941 mit der Erklärung: „von anderen Kräften abhängige Wirkungsmöglichkeit“.
Die Unterscheidung ist ebenso sinnvoll, wie die zwischen „Grammatik“ und „Grammatikalität“ und zwischen „Musik“ und „Musikalität“

Also nicht alles, was einem nicht gleich einleuchtet, ist deswegen schon unlogisch oder ein Anglizismus.

Nicht für ungut!
Gruß Fritz