Erlesenes Mittelmaß - Casting bei Pilawa

Hi Leute,

ich wollte doch mal über meine Erfahrung betreffend ein Casting zur Quiz-Show von Jörg Pilawa berichten:

Ich gehörte also zu den „Auserwählten“, die an einem Samstagnachmittag in Köln-Hürth einen „erweiterten Wissenstest“ absolvieren durften. Von ca. 40 Leuten in der Gruppe sind dann tatsächlich nur 7 gesiebt (!)- wie passend der Ausdruck - worden. Ich war dabei. Dann musste man sich filmen lassen und dabei so eine Art Probelauf mit Fragen und vorgegebenen Antworten absolvieren. Nun gut, da hatte ich wohl schon Schwierigkeiten, mich naiv zu stellen, ist wahrscheinlich grundlegende Voraussetzung für eine Einladung nach Berlin.

Jedenfalls sagte man den 7 Kandidaten, dass die Castingunterlagen nach Berlin geschickt würden und wir anschließend benachrichtigt werden würden. Das ging glücklicherweise ganz schnell, gestern hatte ich die Ablehnung in der Post. Über die Gründe kann ich nur spekulieren, aber ich bin mir eigentlich sicher, zu wissen, woran es liegt, bzw. nicht liegt, fangen wir mit letzterm an:

  1. An Hässlichkeit hat es NICHT gelegen, ich sehe zwar nicht aus wie unsere landläufigen Schauspiel- und Moderatorinnen-Schönheiten, aber ich kann mich schon sehen lassen.

  2. Eher in Betracht kommt, dass ich bei dem Wissenstest wahrscheinlich viel zu gut abgeschnitten habe. Und mich in dem Videofilm natürlich dadurch auch zu schlecht angepriesen habe, die dort gestellten Fragen waren einfach lächerlich. SAT 1 kann es sich wohl nicht leisten, jemanden in der Sendung zu haben, der über eine Frage mehr weiß, als man dem Pilawa auf den Monitor schreiben kann.

  3. Aber das ist sicherlich nicht der einzige Grund, ich denke, da kommt ein weiterer hinzu: Anders als die in der Quiz-Show üblicherweise vorzufindenden Kanditaten verfüge ich über einen Hochschulabschluss, ein abgeschlossenes Studium der Rechtswissenschaften und arbeite auch als Juristin. Möglicherweise besteht bei SAT 1 ein Vorbehalt gegen solche Personen wegen der Befürchtung, Sozialneid zu wecken oder zu schüren. Denn auch wenn nicht unbedingt zutrifft, dass Leute mit einem Hochschulstudium ein überdurchschnittliches Einkommen haben, so wird ihnen die Besserverdienerei ja schlicht unterstellt. Und so ist es erklärlich, warum man in Pilawas Sendung jedenfalls keine Ärzte, Apotheker, Rechtsanwälte, Richter, Großunternehmer, Professoren, Arbeitnehmer in Führungspositionen und und und (habe sicherlich welche vergessen) antrifft. Denn säßen die dort, könnte Unmut aufkommen unter denjenigen, die sich ohnehin schon vom Leben benachteiligt fühlen, nach dem Motto: Jetzt verdienen diese Leute schon so viel in ihrem Beruf und dann gehen sie auch noch in eine Sendung und gewinnen zusätzlich Kohle.

Ich empfehle, sich vor einer Bewerbung über die kostspielige Hotline einmal anhand der Sendung zu überlegen, ob man in die dort präsentierte Norm passt. Wer über eine überdurchschnittliche Allgemeinbildung verfügt oder einen Hochschulabschluss hat oder einen Beruf, der nach allgemeinem Vorurteil zu den „besseren Berufen“ zählt, kann sich die Telefongebühren sparen. Und stattdessen lieber einen gepflegten Cappuccino im Café trinken, kostet nämlich dasselbe wie ein Anruf bei Pilawa.

Gruß, BeBro

Hallo BeBro,

ich hatte anfangs Probleme damit, Deinen Artikel überhaupt zu verstehen, denn ich dachte, dieser Jörg Palaver macht einen Daily Talk, und so fragte ich mich: Weshalb muss sie einen Wissenstest abliefern, wenn sie talken will?
Dieses ganze Zeug dieser Shows interessiert mich eben nicht. Gut, ich lasse es einmal dahingestellt, weshalb Du als gebildeter Mensch unbedingt an einer dieser Shows teilnehmen möchtest, aber Du hast es bereits beschrieben: „Erlesenes Mittelmass“. Ich habe nur meine Zweifel, ob es sich wirklich um Sozialneid oder vielmehr um gepflegte Oberflächlichkeit handelt. Du kennst das doch vielleicht aus der frühen Schulzeit: Zu gut durfte man nicht sein, sonst stand man aussen vor; war man allerdings zu schlecht, passierte es ähnlich. Das Mittelmass ist eben mittelmässig, und Jörg Palaver lässt die Mässigkeit pflegen.
Der Kabarettist Matthias Deutschland sollte für die Politsendung MONITOR - kommt auch heute abend um 21:00 Uhr - zu 50 Jahre Deutschland einen kleinen Aufsatz schreiben. Später kam eine Redakteurin auf ihn zu und meinte sinngemäss: „Toller Aufsatz, Herr Deutschmann, aber bitte bedenken Sie: Wir haben fünf Millionen Zuschauer!“ Tja, was soll man sich dabei denken, wenn man Heiner Müller zitiert: „Zehn Deutsche sind dümmer als fünf.“
Also bleibt Dir letztendlich nur übrig, Deinen Protest durch permanentes Trinken von Cappuccino zu äussern; das hält Dich von Anrufen bei Castings ab. Gut, ich weiss allerdings nicht, ob ich das unbedingt Dir oder nicht statt dessen der Mehrheit jener Menschen empfehlen soll, die sich in Talks und Shows lächerlich machen. Brot und Spiele.

Marco

Juhu!

du bist wunderschön, prüfst täglich nach dem aufstehen den pegelstand deines kolossalen geldspeichers und lernst auf der fahrt zum kaffeeklatsch mit deinen kollegen vom vorstand eines multinationalen großkonzerns noch die sektion e des großen brockhaus auswendig, und doch…

…gibt es da jemanden, der sich für die mittelmäßigen otto-normal-verbraucher mit unvergleichlicher selbstlosigkeit einsetzt: die institution fernseh-quizshow.
sie sorgt dafür, dass einmal wenigstens die leute, die von allem zuviel haben, neidvoll auf die leute schauen müssen, die von allem - laut gaußscher normalverteilung - genau richtig haben. aufgrund bloßer menge sind letztere zufällig auch irgendwie das bessere quotenvieh für die werbeberieselung, die mit präzision immer kommt, wenns eng wird.
na ja, meine persönliche genugtuung kommt immer dann, wenn ein kandidat, transpirierend, von geldgier verblendet, wieder mal zuviel riskiert und das millionen vermögen verzockt, indem er eine kindergartenfrage mit siegesgewisser überheblichkeit falsch beantwortet. das tüpfelchen auf dem i dabei ist natürlich, dass ich die lösung schon vorher weiß, wie in übrigens neunzigprozent der fälle.

so, jetzt muss ich wieder die „bild“ schlagzeilen scannen und mit einem kaputtschino runterspülen!

mitfühlend,

f.s.

p.s.: mich würde mal ein erfahrungsbericht von einem der’s geschafft hat interessieren, wenn sich hier jemand als normalo outen möchte.

die Antwort auf meinen Artikel spricht für sich. Gruß, BeBro

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Hi BeBro!

Der überwiegende Teil der Menschen ist mittelmäßig. Daher wollen die Leute im Endeffekt auch die Probleme mittelmäßiger Menschen hören bzw. wollen hören, daß „überdurchschnittliche“ Menschen auch mittelmäßige Probleme haben (können).

Übrigens könnte ein weiterer Grund für das Unter- bis Mittelmaß der Leute in den Dokschos (Zitat: Lothar Matthäus) sein, daß zu den Drehzeiten kein erfolgreicher Mensch Zeit hat.

Sage mir nur, warum ärgerst Du Dich eigentlich so sehr darüber, kein Mittelmaß zu sein?

Gruß,

Mathias

Hallo Mathias,

danke für deine Antwort. Wenn es so klingt in meinem Artikel, dass ich mich geärgert hätte, will ich das nicht korrigieren. Ich habe mir einen Samstagnachmittag mit dämlichen Fragen um die Ohren geschlagen.
Ich war sicherlich etwas erschüttert, als ich die Absage erhielt. Denn bis dahin war ich davon ausgegangen, dass tatsächlich so etwas wie Allgemeinbildung in der Quiz-Show abgefragt wird und ich angesichts meiner Ergebnisse zumindest die Aussicht auf eine kostenlose Reise nach Berlin gehabt hätte. Na ja, es hat halt nicht sollen sein.
Im übrigen hatte ich ja immer gesagt, dass Wissen bei jedem begrenzt ist, auch bei mir somit immer die Aussicht bestanden hätte, mich etwas zu fragen, was ich nicht weiß. Aber ein Freund meinte dazu, dass damit möglicherweise der Rahmen des „üblichen“ Allgemeinwissens überschritten worden wäre, was wiederum das Publikum hätte abschrecken können. Ich weiß es nicht.
Gruß, BeBro

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