Ich suche Quelle/Autor einer Lesebuch-(vor ca. 30 Jahren)Geschichte: Zwei Brüder vergreifen sich nachts an einem Baumkuchen in der Speisekammer. Die Eltern sagen nichts dazu, aber die beiden Kinder werden ab jetzt kommentarlos mit Baumkuchen gefüttert, morgens, mittags, abends, bis er - endlich! - alle ist.
Hi Susanne,
wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, gabs solch eine Geschichte vor vielen Jahren in einem Readers Digest Heft. Das müsste aber schon 30 - 35 Jahre her sein.
Gandalf
Hi Gandalf,
wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, gabs solch eine
Geschichte vor vielen Jahren in einem Readers Digest Heft. Das
müsste aber schon 30 - 35 Jahre her sein.
das Original ist von Hans Fallada. Aus: „Damals bei uns daheim“. Auch als Neuausgabe: „Damals bei uns zu Haus“.
viele grüße
Geli
Hier findest du die Geschichte als pdf:
Der Baumkuchen (Hans Fallada)
Am Vormittag hatte ein Konditorjunge zwei große Baumkuchen gebracht. Mein Bruder Ede und ich hatten großen Appetit darauf. Leider
standen die Baumkuchen in der Speisekammer. Und diesen Raum durften wir Kinder nicht betreten.
Am Abend bekamen die Eltern Besuch. Wir Kinder waren allein in unserem Zimmer. Da dachten Ede und ich wieder an die Baumkuchen in
der Speisekammer.
Vorsichtig schlichen wir den Gang zur Küche entlang. Jeden Augenblick konnte uns jemand sehen.
Nun waren wir in der Speisekammer. Da standen die beiden Baumkuchen, glänzend weiß vom Zuckerguss. Schon streckte ich meine Hand
aus, brach eine Nase ab und steckte sie in den Mund.
„Ich will auch solche Nase!“, forderte Ede.
„Brich dir selbst eine ab!“, sagte ich.
Der Baumkuchen schmeckte herrlich, wir brachen immer mehr ab.
Erst naschten wir nur an einem Baumkuchen. Dann teilten wir uns die
Baumkuchen. Ede brach die Nasen an dem einen ab, ich an dem anderen. Bald standen beide Baumkuchen ohne Nasen da.
Jetzt bekamen wir doch einen Schreck, denn nun sahen die Baumkuchen nicht mehr schön aus. Wir hatten ein schlechtes Gewissen.
„Ich glaube, wir gehen gleich ins Bett“, sagte ich schließlich.
„Wir sollen doch noch Erdbeereis bekommen“, meinte Ede.
„Wenn die Eltern die Baumkuchen hier sehen, bekommen wir bestimmt kein Erdbeereis“, sagte ich ängstlich.
„Vielleicht denken sie, Baumkuchen sehen immer so aus“, meinte Ede.
Ich schüttelte den Kopf.
„Oder wir sagen, der Konditorjunge hat’s gemacht?“
„Nein“, sagte ich, „wir gehen lieber ins Bett.“
Wir lagen noch nicht lange in den Betten, da hörten wir unsere Mutter
in der Küche schimpfen. Wir krochen sofort unter die Decken.
Gleich danach hörten wir auch Vaters Stimme aus der Küche. Nun
konnten wir schon über unsere Strafe nachdenken. Aber was dann kam,
war viel schlimmer als jede Strafe. Es kam gar nichts! Mein Herz klopfte
laut. Niemand kam. Der Besuch ging fort. Auch nun kam niemand. Ich
schlief die ganze Nacht nicht.
Der nächste Morgen war da. Die Eltern schliefen noch. Zum Frühstück
bekamen Ede und ich Baumkuchen. Die Schwestern aber aßen Butterbrote.
Als wir in der Schule unsere Frühstückspäckchen auspackten, fanden
wir keine Brote, sondern – Baumkuchen. Beim Mittagessen sagte die
Mutter kein Wort von Baumkuchen. Vater war nicht zu Hause. Aber wir
mussten ihn essen, nur Baumkuchen. Die anderen aßen knusprigen Braten, sie bekamen sogar Eis.
Abendessen: Wir bekamen wieder Baumkuchen.
Am nächsten Tag: Baumkuchen.
Die Familie aß zu Mittag Kartoffeln mit grüner Petersilie und Rindfleisch. Wir hatten Baumkuchen.
„Baumkuchen ist gar kein schöner Kuchen“, sagte Ede.
Wir gingen heimlich zur Speisekammer. Aber die Speisekammer war
abgeschlossen. Aus der Küche wurde wir verjagt.
Der dritte Tag kam heran: Baumkuchen.
Waren die elenden Baumkuchen immer noch nicht alle? Wir bekamen
Hunger. Der Baumkuchen machte uns nicht mehr satt. Wir hassten
Baumkuchen. Wir sahen die Stellen, wo früher die Nasen waren. Wir
kauten lustlos und appetitlos an unserem Baumkuchen.
Das Schlimmste war, niemand sprach über unsere einseitige Ernährung. Wenn die Schwestern einmal über uns lachten, blickte mein Vater
sie streng an. Sofort war wieder Ruhe.
Wir fragten uns oft: Warum bekamen wir keine Tracht Prügel wie die
anderen Jungen? Aber mein Vater prügelte nicht gern und schimpfte
auch nicht gern. Mein Vater bestrafte anders. Wer Baumkuchen naschte,
musste tagelang Baumkuchen essen. Ganz einfach!
Aber dann war der Baumkuchen endlich alle. Zu Mittag gab es süßsaure Bohnen mit Räucherfleisch. Früher aß ich das nicht gern. Aber
nun aß ich davon wie ein Verhungerter.
„Junge, du platzt ja bald!“, rief meine Mutter, als ich mir den Teller zum
dritten Mal füllen ließ.
Vater sagte nur: „Sieh da! Sieh da!“
Und dabei lächelte er.
Das Original von Hans Fallada stammt von 1932.
Das ist das Beste was ich je bei WWW gelesen habe. Suuuuuuper! ramses90
Freut mich sehr