Es ist verständlich, dass man - gerade wenn man emotional ohnehin schon massiv belastet ist - so ein Gespräch zunächst einmal negativ bewertet, sich und das eigene Kind angegriffen sieht, sein Kind schützen möchte, „Gerechtigkeit“ fordert, …
Aber was ist „Gerechtigkeit“? Jedes Kind einfach so zu nehmen wie es ist, nichts bewerten, für alles Verständnis zu haben und es damit dann ggf. in sein Unglück rennen zu lassen, weil Recht und Gesetz es so zulassen? Alles über einen Kamm zu scheren um Gleichbehandlung sicherzustellen? Oder ist es nicht viel eher eine differenzierte Betrachtung und Bewertung anhand von objektiven Anforderungen an einen Wechsel in die Schule und der frühest mögliche Hinweis auf diesbezüglich bestehende Abweichungen und mögliche Maßnahmen, um dem Kind und seinen Eltern unnötige Negativerfahrungen zu ersparen? Also Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln, um jedem Kind möglichst individuell gerecht zu werden?
Wir haben mit dem Personal im Kindergarten auch sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Und zu den Negativerfahrungen gehört für uns definitiv eine Gruppe, in der man es als pädagogisches Konzept verkaufte, die Kinder einfach „laufen zu lassen“, jegliche Gedanken an was ein Kind in welchem Alter normalerweise so können sollte vollkommen beiseite schob, nicht ansatzweise mal in Richtung auf wichtige Dinge motivierte, dann beobachtete und natürlich auch objektiv bewertete. Wir hatten Glück, dass es noch rechtzeitig zu einem Personalwechsel kam, bei dem einerseits vollkommenes Verständnis für die Kinder in der so geschaffenen Situation herrschte, niemand unter Druck gesetzt wurde, Dinge jetzt ganz schnell erlernen zu müssen, … aber so entstandene Defizite auch bestmöglich aufgearbeitet wurden, und sei es nur dadurch, dass man Kinder mal zu Dingen motivierte, auf die sie von sich aus nicht kamen. Und auch da gab es in dem ein oder anderen Fall dann Elterngespräche mit dem Hinweis darauf, dass ein weiteres Jahr im Kindergarten für das Kind besser sei, um die Anforderungen an ein Schulkind dann besser zu erfüllen, als jetzt unbedingt auf Biegen und Brechen eine Einschulung zu erreichen, die voraussehbar in einer mehr oder weniger großen Katastrophe geendet hätte.
Wenn ich deine konkreten Darstellungen in Bezug auf den Hintergrund deines Kindes und die aktuelle Situation so lese, dann geht es mir wir @Hexerl, denn dann sehe auch ich hier deutliche Widersprüche. Denn dass deine Tochter aus gut nachvollziehbaren Gründen noch nicht so weit ist, wie andere Kinder in ihrem Alter, beschreibst Du doch auch selber. Insoweit kann das doch gar kein „böser Vorwurf“ sein. Die Situation ist doch offenbar ganz objektiv genau so, wie sie von beiden Seiten gesehen wird. Ich denke, Du siehst da vielmehr eine Ursache und Verantwortung bei Dir und einen Vorwurf, den Dir aber überhaupt niemand macht, außer Du selbst. Und Du findest für Dich selbst da eine dann zwar durchaus konsequente und in diesem Modell auch richtige Entschuldigung, dass Du ja „gar nichts dafür kannst“, erwartest dann aber offenbar auch von der Kindergartenleitung, dass diese sich mit auf diesen ohnehin schon falschen Weg begibt, und Dir dann aber am Ende ebenso die Absolution erteilt, wie Du selbst sie Dir erteilt hast.
Vermutlich ist deine besondere Situation in dem Gespräch einfach nicht genug Gegenstand gewesen, oder hast Du dies zumindest so empfunden, und fühlst Dich daher jetzt angegriffen. Aber auch aus deiner eigenen Darstellung kann man nicht entnehmen, dass es tatsächlich so einen Angriff oder entsprechende Vorwürfe gegeben hätte. Das klingt alles ganz objektiv und gar nicht abwertend. Das muss auch nicht alles begründet und erklärt oder gar euphemistisch umgedeutet werden.
Ich würde vielmehr davon ausgehen, dass - auch wenn das vielleicht nicht so explizit zum Ausdruck gekommen ist - durchaus sehr viel Verständnis für Eure Situation vorhanden ist, und dass das Aufzeigen der Möglichkeit einer Zurückstellung der Einschulung einen Weg aufzeigen soll, hierfür eine angemessene Lösung im Interesse deiner Tochter, aber durchaus auch in deinem Interesse zu finden. So eine Zurückstellung ist kein Beinbruch, kann Kindern und Eltern viel vermeidbaren Stress und Negativerfahrungen ersparen, und klingt speziell in Eurem Fall durchaus überlegenswert.